Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

zu versetzen, welche ich erfand. Diese Figur, in
einem grünen romantisch geschnittenen Kleide, eine
Reisetasche auf dem Rücken, starrte in Abend¬
röthen und Regenbogen, ging auf Kirchhöfen oder
im Walde, oder wandelte auch wohl in glückseligen
Gärten voll Blumen und bunter Vögel. Das
Machwerk an der beträchtlichen Sammlung sol¬
cher Bilder, welche sich bereits angehäuft hatte,
blieb immer auf dem nämlichen Standpunkte
gänzlicher Erfahrungs- und Unterrichtslosigkeit;
nur eine gewisse Keckheit und Fertigkeit im Auf¬
tragen der grellen Farben, welche ich durch die
unablässige Uebung erwarb, verbunden mit der
kühnen Absicht meiner Unternehmungen überhaupt,
unterschied mein Treiben einigermaßen von son¬
stigen knabenhaften Spielen mit Bleistift und
Farbe und mochte meinen vorläufigen Ausspruch,
daß ich ein Maler werden wolle, veranlassen.
Doch wurde jetzt nicht näher darauf eingegangen,
sondern bestimmt, daß ich einige Zeit in dem
ländlichen Pfarrhause bei meinem mütterlichen
Oheime zubringen sollte, um über die nächsten
Monate meines Ungemaches auf gute Weise hin¬

zu verſetzen, welche ich erfand. Dieſe Figur, in
einem gruͤnen romantiſch geſchnittenen Kleide, eine
Reiſetaſche auf dem Ruͤcken, ſtarrte in Abend¬
roͤthen und Regenbogen, ging auf Kirchhoͤfen oder
im Walde, oder wandelte auch wohl in gluͤckſeligen
Gaͤrten voll Blumen und bunter Voͤgel. Das
Machwerk an der betraͤchtlichen Sammlung ſol¬
cher Bilder, welche ſich bereits angehaͤuft hatte,
blieb immer auf dem naͤmlichen Standpunkte
gaͤnzlicher Erfahrungs- und Unterrichtsloſigkeit;
nur eine gewiſſe Keckheit und Fertigkeit im Auf¬
tragen der grellen Farben, welche ich durch die
unablaͤſſige Uebung erwarb, verbunden mit der
kuͤhnen Abſicht meiner Unternehmungen uͤberhaupt,
unterſchied mein Treiben einigermaßen von ſon¬
ſtigen knabenhaften Spielen mit Bleiſtift und
Farbe und mochte meinen vorlaͤufigen Ausſpruch,
daß ich ein Maler werden wolle, veranlaſſen.
Doch wurde jetzt nicht naͤher darauf eingegangen,
ſondern beſtimmt, daß ich einige Zeit in dem
laͤndlichen Pfarrhauſe bei meinem muͤtterlichen
Oheime zubringen ſollte, um uͤber die naͤchſten
Monate meines Ungemaches auf gute Weiſe hin¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0404" n="390"/>
zu ver&#x017F;etzen, welche ich erfand. Die&#x017F;e Figur, in<lb/>
einem gru&#x0364;nen romanti&#x017F;ch ge&#x017F;chnittenen Kleide, eine<lb/>
Rei&#x017F;eta&#x017F;che auf dem Ru&#x0364;cken, &#x017F;tarrte in Abend¬<lb/>
ro&#x0364;then und Regenbogen, ging auf Kirchho&#x0364;fen oder<lb/>
im Walde, oder wandelte auch wohl in glu&#x0364;ck&#x017F;eligen<lb/>
Ga&#x0364;rten voll Blumen und bunter Vo&#x0364;gel. Das<lb/>
Machwerk an der betra&#x0364;chtlichen Sammlung &#x017F;ol¬<lb/>
cher Bilder, welche &#x017F;ich bereits angeha&#x0364;uft hatte,<lb/>
blieb immer auf dem na&#x0364;mlichen Standpunkte<lb/>
ga&#x0364;nzlicher Erfahrungs- und Unterrichtslo&#x017F;igkeit;<lb/>
nur eine gewi&#x017F;&#x017F;e Keckheit und Fertigkeit im Auf¬<lb/>
tragen der grellen Farben, welche ich durch die<lb/>
unabla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Uebung erwarb, verbunden mit der<lb/>
ku&#x0364;hnen Ab&#x017F;icht meiner Unternehmungen u&#x0364;berhaupt,<lb/>
unter&#x017F;chied mein Treiben einigermaßen von &#x017F;on¬<lb/>
&#x017F;tigen knabenhaften Spielen mit Blei&#x017F;tift und<lb/>
Farbe und mochte meinen vorla&#x0364;ufigen Aus&#x017F;pruch,<lb/>
daß ich ein Maler werden wolle, veranla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Doch wurde jetzt nicht na&#x0364;her darauf eingegangen,<lb/>
&#x017F;ondern be&#x017F;timmt, daß ich einige Zeit in dem<lb/>
la&#x0364;ndlichen Pfarrhau&#x017F;e bei meinem mu&#x0364;tterlichen<lb/>
Oheime zubringen &#x017F;ollte, um u&#x0364;ber die na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Monate meines Ungemaches auf gute Wei&#x017F;e hin¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0404] zu verſetzen, welche ich erfand. Dieſe Figur, in einem gruͤnen romantiſch geſchnittenen Kleide, eine Reiſetaſche auf dem Ruͤcken, ſtarrte in Abend¬ roͤthen und Regenbogen, ging auf Kirchhoͤfen oder im Walde, oder wandelte auch wohl in gluͤckſeligen Gaͤrten voll Blumen und bunter Voͤgel. Das Machwerk an der betraͤchtlichen Sammlung ſol¬ cher Bilder, welche ſich bereits angehaͤuft hatte, blieb immer auf dem naͤmlichen Standpunkte gaͤnzlicher Erfahrungs- und Unterrichtsloſigkeit; nur eine gewiſſe Keckheit und Fertigkeit im Auf¬ tragen der grellen Farben, welche ich durch die unablaͤſſige Uebung erwarb, verbunden mit der kuͤhnen Abſicht meiner Unternehmungen uͤberhaupt, unterſchied mein Treiben einigermaßen von ſon¬ ſtigen knabenhaften Spielen mit Bleiſtift und Farbe und mochte meinen vorlaͤufigen Ausſpruch, daß ich ein Maler werden wolle, veranlaſſen. Doch wurde jetzt nicht naͤher darauf eingegangen, ſondern beſtimmt, daß ich einige Zeit in dem laͤndlichen Pfarrhauſe bei meinem muͤtterlichen Oheime zubringen ſollte, um uͤber die naͤchſten Monate meines Ungemaches auf gute Weiſe hin¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/404
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/404>, abgerufen am 04.05.2024.