Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

keine Barmherzigkeit, ein wilder Jubel brach los,
das alte Unwesen wiederholte sich und er mußte
nach wenigen Tagen gänzlich entlassen werden.

Ich hatte mich lange Zeit ziemlich ruhig ver¬
halten und nur den zahlreichen Auftritten behag¬
lich zugesehen. Gegen den Mann selbst verging
ich mich nicht ein einziges Mal, da es mir wider¬
stand, einem Erwachsenen gegenüber aufzutreten.
Erst als das Hinausschieben der ganzen Klasse
begann, suchte ich auch Theil zu nehmen und
bewerkstelligte dies durch kleine schüchtern Streiche
oder wischte auch so mit hinaus; denn erstens
ging es sehr lustig her draußen und zweitens
hätte ich um keinen Preis bei den wenigen ver¬
pönten Gerechten bleiben mögen, welche in der
Stube saßen. Desto lauter wurde ich, wenn ich
einmal draußen war, half Aufzüge und Umgänge
anordnen und überließ mich, nach langer Zurück¬
gezogenheit, einer so wilden Freude, daß mir das
Herz heftig klopfte und mein Blut ganz in Wal¬
lung war, wenn wir bei dem folgenden Lehrer
wieder an unseren Plätzen saßen. Ich kann mir
fest gestehen, daß ich mich damals über die Freude

keine Barmherzigkeit, ein wilder Jubel brach los,
das alte Unweſen wiederholte ſich und er mußte
nach wenigen Tagen gaͤnzlich entlaſſen werden.

Ich hatte mich lange Zeit ziemlich ruhig ver¬
halten und nur den zahlreichen Auftritten behag¬
lich zugeſehen. Gegen den Mann ſelbſt verging
ich mich nicht ein einziges Mal, da es mir wider¬
ſtand, einem Erwachſenen gegenuͤber aufzutreten.
Erſt als das Hinausſchieben der ganzen Klaſſe
begann, ſuchte ich auch Theil zu nehmen und
bewerkſtelligte dies durch kleine ſchuͤchtern Streiche
oder wiſchte auch ſo mit hinaus; denn erſtens
ging es ſehr luſtig her draußen und zweitens
haͤtte ich um keinen Preis bei den wenigen ver¬
poͤnten Gerechten bleiben moͤgen, welche in der
Stube ſaßen. Deſto lauter wurde ich, wenn ich
einmal draußen war, half Aufzuͤge und Umgaͤnge
anordnen und uͤberließ mich, nach langer Zuruͤck¬
gezogenheit, einer ſo wilden Freude, daß mir das
Herz heftig klopfte und mein Blut ganz in Wal¬
lung war, wenn wir bei dem folgenden Lehrer
wieder an unſeren Plaͤtzen ſaßen. Ich kann mir
feſt geſtehen, daß ich mich damals uͤber die Freude

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0388" n="374"/>
keine Barmherzigkeit, ein wilder Jubel brach los,<lb/>
das alte Unwe&#x017F;en wiederholte &#x017F;ich und er mußte<lb/>
nach wenigen Tagen ga&#x0364;nzlich entla&#x017F;&#x017F;en werden.</p><lb/>
        <p>Ich hatte mich lange Zeit ziemlich ruhig ver¬<lb/>
halten und nur den zahlreichen Auftritten behag¬<lb/>
lich zuge&#x017F;ehen. Gegen den Mann &#x017F;elb&#x017F;t verging<lb/>
ich mich nicht ein einziges Mal, da es mir wider¬<lb/>
&#x017F;tand, einem Erwach&#x017F;enen gegenu&#x0364;ber aufzutreten.<lb/>
Er&#x017F;t als das Hinaus&#x017F;chieben der ganzen Kla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
begann, &#x017F;uchte ich auch Theil zu nehmen und<lb/>
bewerk&#x017F;telligte dies durch kleine &#x017F;chu&#x0364;chtern Streiche<lb/>
oder wi&#x017F;chte auch &#x017F;o mit hinaus; denn er&#x017F;tens<lb/>
ging es &#x017F;ehr lu&#x017F;tig her draußen und zweitens<lb/>
ha&#x0364;tte ich um keinen Preis bei den wenigen ver¬<lb/>
po&#x0364;nten Gerechten bleiben mo&#x0364;gen, welche in der<lb/>
Stube &#x017F;aßen. De&#x017F;to lauter wurde ich, wenn ich<lb/>
einmal draußen war, half Aufzu&#x0364;ge und Umga&#x0364;nge<lb/>
anordnen und u&#x0364;berließ mich, nach langer Zuru&#x0364;ck¬<lb/>
gezogenheit, einer &#x017F;o wilden Freude, daß mir das<lb/>
Herz heftig klopfte und mein Blut ganz in Wal¬<lb/>
lung war, wenn wir bei dem folgenden Lehrer<lb/>
wieder an un&#x017F;eren Pla&#x0364;tzen &#x017F;aßen. Ich kann mir<lb/>
fe&#x017F;t ge&#x017F;tehen, daß ich mich damals u&#x0364;ber die Freude<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0388] keine Barmherzigkeit, ein wilder Jubel brach los, das alte Unweſen wiederholte ſich und er mußte nach wenigen Tagen gaͤnzlich entlaſſen werden. Ich hatte mich lange Zeit ziemlich ruhig ver¬ halten und nur den zahlreichen Auftritten behag¬ lich zugeſehen. Gegen den Mann ſelbſt verging ich mich nicht ein einziges Mal, da es mir wider¬ ſtand, einem Erwachſenen gegenuͤber aufzutreten. Erſt als das Hinausſchieben der ganzen Klaſſe begann, ſuchte ich auch Theil zu nehmen und bewerkſtelligte dies durch kleine ſchuͤchtern Streiche oder wiſchte auch ſo mit hinaus; denn erſtens ging es ſehr luſtig her draußen und zweitens haͤtte ich um keinen Preis bei den wenigen ver¬ poͤnten Gerechten bleiben moͤgen, welche in der Stube ſaßen. Deſto lauter wurde ich, wenn ich einmal draußen war, half Aufzuͤge und Umgaͤnge anordnen und uͤberließ mich, nach langer Zuruͤck¬ gezogenheit, einer ſo wilden Freude, daß mir das Herz heftig klopfte und mein Blut ganz in Wal¬ lung war, wenn wir bei dem folgenden Lehrer wieder an unſeren Plaͤtzen ſaßen. Ich kann mir feſt geſtehen, daß ich mich damals uͤber die Freude

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/388
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/388>, abgerufen am 22.11.2024.