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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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wie in einem quälenden Traume. Manchmal
hatte ich den Faden einige Tage hindurch wieder
erwischt, dann verlor ich ihn plötzlich wieder, frei¬
lich durch eigene Schuld: aber die Schuld der
Alten war eben, daß ein Moment der Unauf¬
merksamkeit für dieses Alter unwiederbringlich und
zu einer Todsünde werden konnte.

Einst wurde uns ein edler stiller Mann vor¬
geführt, welcher uns die Pflanzenkunde lehren
sollte. Er begann mit langsamen, faßbaren
Worten ganz von vorne, wir hatten ganz reinen
Tisch, und er fuhr so fort, daß nur die wirklich
stumpfen Geister zurückblieben. Nachdem er uns
die äußerliche Stellung der Pflanzen in der Na¬
tur klar gemacht und uns für sie eingenommen
hatte, ging er auf ihre allgemeinen Eigenschaften
und auf die Erklärung ihres Organismus über,
wobei wir die ersten Blicke in die Bedeutung
dieses Wortes erhielten, welche wir von nun an
nicht vergaßen. Schon freuten wir uns der nahen
Aussicht, einige Kenntniß im Bestimmen der ein¬
zelnen Gewächse zu erhalten und mehr als Einer
war vielleicht in der Klasse, bei welchem eine ein¬

wie in einem quaͤlenden Traume. Manchmal
hatte ich den Faden einige Tage hindurch wieder
erwiſcht, dann verlor ich ihn ploͤtzlich wieder, frei¬
lich durch eigene Schuld: aber die Schuld der
Alten war eben, daß ein Moment der Unauf¬
merkſamkeit fuͤr dieſes Alter unwiederbringlich und
zu einer Todſuͤnde werden konnte.

Einſt wurde uns ein edler ſtiller Mann vor¬
gefuͤhrt, welcher uns die Pflanzenkunde lehren
ſollte. Er begann mit langſamen, faßbaren
Worten ganz von vorne, wir hatten ganz reinen
Tiſch, und er fuhr ſo fort, daß nur die wirklich
ſtumpfen Geiſter zuruͤckblieben. Nachdem er uns
die aͤußerliche Stellung der Pflanzen in der Na¬
tur klar gemacht und uns fuͤr ſie eingenommen
hatte, ging er auf ihre allgemeinen Eigenſchaften
und auf die Erklaͤrung ihres Organismus uͤber,
wobei wir die erſten Blicke in die Bedeutung
dieſes Wortes erhielten, welche wir von nun an
nicht vergaßen. Schon freuten wir uns der nahen
Ausſicht, einige Kenntniß im Beſtimmen der ein¬
zelnen Gewaͤchſe zu erhalten und mehr als Einer
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[364/0378] wie in einem quaͤlenden Traume. Manchmal hatte ich den Faden einige Tage hindurch wieder erwiſcht, dann verlor ich ihn ploͤtzlich wieder, frei¬ lich durch eigene Schuld: aber die Schuld der Alten war eben, daß ein Moment der Unauf¬ merkſamkeit fuͤr dieſes Alter unwiederbringlich und zu einer Todſuͤnde werden konnte. Einſt wurde uns ein edler ſtiller Mann vor¬ gefuͤhrt, welcher uns die Pflanzenkunde lehren ſollte. Er begann mit langſamen, faßbaren Worten ganz von vorne, wir hatten ganz reinen Tiſch, und er fuhr ſo fort, daß nur die wirklich ſtumpfen Geiſter zuruͤckblieben. Nachdem er uns die aͤußerliche Stellung der Pflanzen in der Na¬ tur klar gemacht und uns fuͤr ſie eingenommen hatte, ging er auf ihre allgemeinen Eigenſchaften und auf die Erklaͤrung ihres Organismus uͤber, wobei wir die erſten Blicke in die Bedeutung dieſes Wortes erhielten, welche wir von nun an nicht vergaßen. Schon freuten wir uns der nahen Ausſicht, einige Kenntniß im Beſtimmen der ein¬ zelnen Gewaͤchſe zu erhalten und mehr als Einer war vielleicht in der Klaſſe, bei welchem eine ein¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/378>, abgerufen am 25.11.2024.