Geberden davon machte, nachdem er noch einen drohenden Blick auf mich geworfen. Nachher befragte sie mich weitläufig über den ganzen Her¬ gang und gerieth in großen Zorn; denn es war vorzüglich das ehrbare Ansehen dieses Knaben gewesen, welches sie über meine Vergehungen keine Ahnung empfinden ließ. Sodann nahm sie Gelegenheit, gründlicher auf alles Geschehene einzugehen und mir eindringliche Vorstellungen zu machen, aber nicht mehr im Tone der strengen und strafenden Richterin, sondern der mütterlichen Freundin, die bereits verziehen hat. Und nun war Alles gut.
Allein doch nicht Alles. Denn als ich nun wieder in die Schule trat, bemerkte ich, daß meh¬ rere Schüler, um Meierlein versammelt, die Köpfe zusammensteckten und mich höhnisch ansahen. Ich ahnte nichts Gutes, und als die erste Stunde zu Ende war, welche der Rektor der Schule selbst gegeben, trat mein Gläubiger respektvoll vor ihn hin, sein Büchlein in der Hand, und erhob in geläufiger Rede seine Anklage wider mich. Alles war gespannt und horchte auf, ich saß wie auf
Geberden davon machte, nachdem er noch einen drohenden Blick auf mich geworfen. Nachher befragte ſie mich weitlaͤufig uͤber den ganzen Her¬ gang und gerieth in großen Zorn; denn es war vorzuͤglich das ehrbare Anſehen dieſes Knaben geweſen, welches ſie uͤber meine Vergehungen keine Ahnung empfinden ließ. Sodann nahm ſie Gelegenheit, gruͤndlicher auf alles Geſchehene einzugehen und mir eindringliche Vorſtellungen zu machen, aber nicht mehr im Tone der ſtrengen und ſtrafenden Richterin, ſondern der muͤtterlichen Freundin, die bereits verziehen hat. Und nun war Alles gut.
Allein doch nicht Alles. Denn als ich nun wieder in die Schule trat, bemerkte ich, daß meh¬ rere Schuͤler, um Meierlein verſammelt, die Koͤpfe zuſammenſteckten und mich hoͤhniſch anſahen. Ich ahnte nichts Gutes, und als die erſte Stunde zu Ende war, welche der Rektor der Schule ſelbſt gegeben, trat mein Glaͤubiger reſpektvoll vor ihn hin, ſein Buͤchlein in der Hand, und erhob in gelaͤufiger Rede ſeine Anklage wider mich. Alles war geſpannt und horchte auf, ich ſaß wie auf
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Geberden davon machte, nachdem er noch einen
drohenden Blick auf mich geworfen. Nachher
befragte ſie mich weitlaͤufig uͤber den ganzen Her¬
gang und gerieth in großen Zorn; denn es war
vorzuͤglich das ehrbare Anſehen dieſes Knaben
geweſen, welches ſie uͤber meine Vergehungen
keine Ahnung empfinden ließ. Sodann nahm
ſie Gelegenheit, gruͤndlicher auf alles Geſchehene
einzugehen und mir eindringliche Vorſtellungen
zu machen, aber nicht mehr im Tone der ſtrengen
und ſtrafenden Richterin, ſondern der muͤtterlichen
Freundin, die bereits verziehen hat. Und nun
war Alles gut.
Allein doch nicht Alles. Denn als ich nun
wieder in die Schule trat, bemerkte ich, daß meh¬
rere Schuͤler, um Meierlein verſammelt, die Koͤpfe
zuſammenſteckten und mich hoͤhniſch anſahen. Ich
ahnte nichts Gutes, und als die erſte Stunde zu
Ende war, welche der Rektor der Schule ſelbſt
gegeben, trat mein Glaͤubiger reſpektvoll vor ihn
hin, ſein Buͤchlein in der Hand, und erhob in
gelaͤufiger Rede ſeine Anklage wider mich. Alles
war geſpannt und horchte auf, ich ſaß wie auf
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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