welche aus einem Gymnasium und einer Ge¬ werbsschule bestand. Bei der letzteren brachte mich die Mutter nach mehreren Berathungen und feierlichen Gängen unter, und die Leistungen meiner bescheidenen Armenschule, aus welcher ich halb wehmüthig und halb fröhlich schied, erwiesen sich bei der Aufnahmeprüfung so vorzüglich, daß ich neben den Zöglingen der guten alten Stadtschu¬ len vollkommen bestand. Denn diese wohlhaben¬ den Bürgerkinder waren nun ebenfalls auf die neuen Einrichtungen angewiesen. So fand ich mich plötzlich in eine ganz neue Umgebung ver¬ setzt. Statt wie früher der bestgekleidete und vornehmste meiner Mitschüler zu sein, war ich in meinen grünen Jäckchen, welche ich auf's äußerste ausnutzen mußte, nun einer der unan¬ sehnlichsten und bescheidensten und das nicht nur in Ansehung der Kleidung, sondern auch des Be¬ nehmens. Die Mehrzahl der Knaben gehörte dem altherkömmlichen bewußtvollen Bürgerstande an, einige waren vornehme feine Herrenkinder und einige hinwieder stammten von reichen Dorf¬ magnaten, alle aber hatten ein sicheres Auftreten
welche aus einem Gymnaſium und einer Ge¬ werbsſchule beſtand. Bei der letzteren brachte mich die Mutter nach mehreren Berathungen und feierlichen Gaͤngen unter, und die Leiſtungen meiner beſcheidenen Armenſchule, aus welcher ich halb wehmuͤthig und halb froͤhlich ſchied, erwieſen ſich bei der Aufnahmepruͤfung ſo vorzuͤglich, daß ich neben den Zoͤglingen der guten alten Stadtſchu¬ len vollkommen beſtand. Denn dieſe wohlhaben¬ den Buͤrgerkinder waren nun ebenfalls auf die neuen Einrichtungen angewieſen. So fand ich mich ploͤtzlich in eine ganz neue Umgebung ver¬ ſetzt. Statt wie fruͤher der beſtgekleidete und vornehmſte meiner Mitſchuͤler zu ſein, war ich in meinen gruͤnen Jaͤckchen, welche ich auf's aͤußerſte ausnutzen mußte, nun einer der unan¬ ſehnlichſten und beſcheidenſten und das nicht nur in Anſehung der Kleidung, ſondern auch des Be¬ nehmens. Die Mehrzahl der Knaben gehoͤrte dem altherkoͤmmlichen bewußtvollen Buͤrgerſtande an, einige waren vornehme feine Herrenkinder und einige hinwieder ſtammten von reichen Dorf¬ magnaten, alle aber hatten ein ſicheres Auftreten
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welche aus einem Gymnaſium und einer Ge¬
werbsſchule beſtand. Bei der letzteren brachte
mich die Mutter nach mehreren Berathungen und
feierlichen Gaͤngen unter, und die Leiſtungen meiner
beſcheidenen Armenſchule, aus welcher ich halb
wehmuͤthig und halb froͤhlich ſchied, erwieſen ſich
bei der Aufnahmepruͤfung ſo vorzuͤglich, daß ich
neben den Zoͤglingen der guten alten Stadtſchu¬
len vollkommen beſtand. Denn dieſe wohlhaben¬
den Buͤrgerkinder waren nun ebenfalls auf die
neuen Einrichtungen angewieſen. So fand ich
mich ploͤtzlich in eine ganz neue Umgebung ver¬
ſetzt. Statt wie fruͤher der beſtgekleidete und
vornehmſte meiner Mitſchuͤler zu ſein, war ich
in meinen gruͤnen Jaͤckchen, welche ich auf's
aͤußerſte ausnutzen mußte, nun einer der unan¬
ſehnlichſten und beſcheidenſten und das nicht nur
in Anſehung der Kleidung, ſondern auch des Be¬
nehmens. Die Mehrzahl der Knaben gehoͤrte
dem altherkoͤmmlichen bewußtvollen Buͤrgerſtande
an, einige waren vornehme feine Herrenkinder
und einige hinwieder ſtammten von reichen Dorf¬
magnaten, alle aber hatten ein ſicheres Auftreten
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/313>, abgerufen am 17.05.2024.
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