liegen mitten in den Glasscherben, Wasserbächen und Kobolden. Sie hatte nie auf mein Trei¬ ben in der Kammer geachtet, zufrieden, daß ich so still und vergnüglich war, und wußte sich nun meine ganze Geschichte und verwirrte Erzählung um so weniger zu reimen. Inzwischen entdeckte sie die gewaltige Abnahme ihres Wachses und betrachtete nun mit halbem Zorne und halber Lachlust die Trümmer der untergegangenen Welt.
Die Sache machte Aufsehen. Frau Margreth ließ sich erzählen und die bemalten Bogen nebst übrigen Trümmern zeigen, und fand Alles höchst bedenklich. Sie befürchtete, daß ich am Ende in ihren Büchern gefährliche Geheimnisse geschöpft hätte, welche bei ihrem mangelhaften Lesen ihr selbst unzugänglich wären, und verschloß die be¬ denklichsten Bücher mit höchst bedeutungsvollem Ernste. Jedoch konnte sie sich einer gewissen Genugthuung nicht erwehren, da es sich zu be¬ stätigen schien, wie hinter diesen Sachen mehr stecke, als man geglaubt habe. Sie war der festen Meinung, daß ich auf dem besten Wege
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liegen mitten in den Glasſcherben, Waſſerbaͤchen und Kobolden. Sie hatte nie auf mein Trei¬ ben in der Kammer geachtet, zufrieden, daß ich ſo ſtill und vergnuͤglich war, und wußte ſich nun meine ganze Geſchichte und verwirrte Erzaͤhlung um ſo weniger zu reimen. Inzwiſchen entdeckte ſie die gewaltige Abnahme ihres Wachſes und betrachtete nun mit halbem Zorne und halber Lachluſt die Truͤmmer der untergegangenen Welt.
Die Sache machte Aufſehen. Frau Margreth ließ ſich erzaͤhlen und die bemalten Bogen nebſt uͤbrigen Truͤmmern zeigen, und fand Alles hoͤchſt bedenklich. Sie befuͤrchtete, daß ich am Ende in ihren Buͤchern gefaͤhrliche Geheimniſſe geſchoͤpft haͤtte, welche bei ihrem mangelhaften Leſen ihr ſelbſt unzugaͤnglich waͤren, und verſchloß die be¬ denklichſten Buͤcher mit hoͤchſt bedeutungsvollem Ernſte. Jedoch konnte ſie ſich einer gewiſſen Genugthuung nicht erwehren, da es ſich zu be¬ ſtaͤtigen ſchien, wie hinter dieſen Sachen mehr ſtecke, als man geglaubt habe. Sie war der feſten Meinung, daß ich auf dem beſten Wege
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liegen mitten in den Glasſcherben, Waſſerbaͤchen
und Kobolden. Sie hatte nie auf mein Trei¬
ben in der Kammer geachtet, zufrieden, daß ich
ſo ſtill und vergnuͤglich war, und wußte ſich nun
meine ganze Geſchichte und verwirrte Erzaͤhlung
um ſo weniger zu reimen. Inzwiſchen entdeckte
ſie die gewaltige Abnahme ihres Wachſes und
betrachtete nun mit halbem Zorne und halber
Lachluſt die Truͤmmer der untergegangenen
Welt.
Die Sache machte Aufſehen. Frau Margreth
ließ ſich erzaͤhlen und die bemalten Bogen nebſt
uͤbrigen Truͤmmern zeigen, und fand Alles hoͤchſt
bedenklich. Sie befuͤrchtete, daß ich am Ende in
ihren Buͤchern gefaͤhrliche Geheimniſſe geſchoͤpft
haͤtte, welche bei ihrem mangelhaften Leſen ihr
ſelbſt unzugaͤnglich waͤren, und verſchloß die be¬
denklichſten Buͤcher mit hoͤchſt bedeutungsvollem
Ernſte. Jedoch konnte ſie ſich einer gewiſſen
Genugthuung nicht erwehren, da es ſich zu be¬
ſtaͤtigen ſchien, wie hinter dieſen Sachen mehr
ſtecke, als man geglaubt habe. Sie war der
feſten Meinung, daß ich auf dem beſten Wege
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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