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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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ungeduldig zu werden und verwies den Dämon
aus dem Hause; aber er fand sich bald wieder
ein und wurde immer wieder gelitten, wenn er
sein altes Wesen mit etwas Vorsicht und glatten
Worten wieder begann. Es war, als wenn die
viel redenden und disputirenden Genossen seiner
als eines lebendigen Exempels des Atheismus
bedurften, wie sie ihn verstanden; denn dies war
er am Ende auch, indem es sich nicht undeutlich
erwies, daß er den Gedanken Gottes und der
Unsterblichkeit mehr zu unterdrücken suchte, weil
er ihn in einem, kleinlichen und nutzlosen Treiben
beschränkte und belästigte, und als er späterhin
starb, that er dies so verzagt und zerknirscht,
heulend und zähneklappend und nach Gebet ver¬
langend, daß die guten Leute einen glänzenden
Triumph feierten, indessen der Schreiner eben so
ruhig und unangefochten seinen letzten Sarg
hobelte, welchen er sich selbst bestimmte, wie einst
seinen ersten.

Dieser Art war die Versammlung, welche an
vielen Abenden, zumal im Winter, bei Frau
Margreth zu treffen war, und ich weiß nicht,

ungeduldig zu werden und verwies den Daͤmon
aus dem Hauſe; aber er fand ſich bald wieder
ein und wurde immer wieder gelitten, wenn er
ſein altes Weſen mit etwas Vorſicht und glatten
Worten wieder begann. Es war, als wenn die
viel redenden und disputirenden Genoſſen ſeiner
als eines lebendigen Exempels des Atheismus
bedurften, wie ſie ihn verſtanden; denn dies war
er am Ende auch, indem es ſich nicht undeutlich
erwies, daß er den Gedanken Gottes und der
Unſterblichkeit mehr zu unterdruͤcken ſuchte, weil
er ihn in einem, kleinlichen und nutzloſen Treiben
beſchraͤnkte und belaͤſtigte, und als er ſpaͤterhin
ſtarb, that er dies ſo verzagt und zerknirſcht,
heulend und zaͤhneklappend und nach Gebet ver¬
langend, daß die guten Leute einen glaͤnzenden
Triumph feierten, indeſſen der Schreiner eben ſo
ruhig und unangefochten ſeinen letzten Sarg
hobelte, welchen er ſich ſelbſt beſtimmte, wie einſt
ſeinen erſten.

Dieſer Art war die Verſammlung, welche an
vielen Abenden, zumal im Winter, bei Frau
Margreth zu treffen war, und ich weiß nicht,

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[191/0205] ungeduldig zu werden und verwies den Daͤmon aus dem Hauſe; aber er fand ſich bald wieder ein und wurde immer wieder gelitten, wenn er ſein altes Weſen mit etwas Vorſicht und glatten Worten wieder begann. Es war, als wenn die viel redenden und disputirenden Genoſſen ſeiner als eines lebendigen Exempels des Atheismus bedurften, wie ſie ihn verſtanden; denn dies war er am Ende auch, indem es ſich nicht undeutlich erwies, daß er den Gedanken Gottes und der Unſterblichkeit mehr zu unterdruͤcken ſuchte, weil er ihn in einem, kleinlichen und nutzloſen Treiben beſchraͤnkte und belaͤſtigte, und als er ſpaͤterhin ſtarb, that er dies ſo verzagt und zerknirſcht, heulend und zaͤhneklappend und nach Gebet ver¬ langend, daß die guten Leute einen glaͤnzenden Triumph feierten, indeſſen der Schreiner eben ſo ruhig und unangefochten ſeinen letzten Sarg hobelte, welchen er ſich ſelbſt beſtimmte, wie einſt ſeinen erſten. Dieſer Art war die Verſammlung, welche an vielen Abenden, zumal im Winter, bei Frau Margreth zu treffen war, und ich weiß nicht,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/205>, abgerufen am 25.11.2024.