meister alsogleich arretiren und zum Landvogt führen. Dem Müllerhans muß ich auch noch bei¬ kommen, obgleich selbiger reich und gewaltthätig ist. Möchte bald selber glauben, was die Bauers¬ leute sagen, daß das Kind eine Hexe sei, wenn diese Opinion nicht der Vernunft widerspräche. Jeden Falls steckt der Teufel in ihr und habe ich ein schlimmes Stück Arbeit übernommen."
"Diese ganze Woche habe ich einen Maler im Hause tractiret, so mir Madame übersendet, da¬ mit er das Portrait der kleinen Fräulein anfer¬ tige. Die bedrängte Familie will das Geschöpf nicht mehr zu sich nemen und allein zum trauri¬ gen Angedenken und zur bußfertigen Anschauung, auch von wegen der großen Schönheit des Kin¬ des, ein Conterfey behalten. Insbesundere will der Herr nicht von dieser Idee lassen. Meine Ehefrau verabreicht dem Maler alltäglich zwei Schoppen Wein, woran er nicht genug zu haben scheinet, da er allabendlich in den rothen Löwen gehet und dorten mit dem Chirurgo spielet. Ist ein hochfahrendes Subject und setze ihm daher öfter ein Schnepfen oder ein Hechtlein vor, wel¬
meiſter alſogleich arretiren und zum Landvogt fuͤhren. Dem Muͤllerhans muß ich auch noch bei¬ kommen, obgleich ſelbiger reich und gewaltthaͤtig iſt. Moͤchte bald ſelber glauben, was die Bauers¬ leute ſagen, daß das Kind eine Hexe ſei, wenn dieſe Opinion nicht der Vernunft widerſpraͤche. Jeden Falls ſteckt der Teufel in ihr und habe ich ein ſchlimmes Stuͤck Arbeit uͤbernommen.«
»Dieſe ganze Woche habe ich einen Maler im Hauſe tractiret, ſo mir Madame uͤberſendet, da¬ mit er das Portrait der kleinen Fraͤulein anfer¬ tige. Die bedraͤngte Familie will das Geſchoͤpf nicht mehr zu ſich nemen und allein zum trauri¬ gen Angedenken und zur bußfertigen Anſchauung, auch von wegen der großen Schoͤnheit des Kin¬ des, ein Conterfey behalten. Insbeſundere will der Herr nicht von dieſer Idee laſſen. Meine Ehefrau verabreicht dem Maler alltaͤglich zwei Schoppen Wein, woran er nicht genug zu haben ſcheinet, da er allabendlich in den rothen Loͤwen gehet und dorten mit dem Chirurgo ſpielet. Iſt ein hochfahrendes Subject und ſetze ihm daher oͤfter ein Schnepfen oder ein Hechtlein vor, wel¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0174"n="160"/>
meiſter alſogleich <hirendition="#aq">arretiren</hi> und zum Landvogt<lb/>
fuͤhren. Dem Muͤllerhans muß ich auch noch bei¬<lb/>
kommen, obgleich ſelbiger reich und gewaltthaͤtig<lb/>
iſt. Moͤchte bald ſelber glauben, was die Bauers¬<lb/>
leute ſagen, daß das Kind eine Hexe ſei, wenn<lb/>
dieſe <hirendition="#aq">Opinion</hi> nicht der Vernunft widerſpraͤche.<lb/>
Jeden Falls ſteckt der Teufel in ihr und habe ich<lb/>
ein ſchlimmes Stuͤck Arbeit uͤbernommen.«</p><lb/><p>»Dieſe ganze Woche habe ich einen Maler im<lb/>
Hauſe <hirendition="#aq">tractiret</hi>, ſo mir <hirendition="#aq">Madame</hi> uͤberſendet, da¬<lb/>
mit er das <hirendition="#aq">Portrait</hi> der kleinen Fraͤulein anfer¬<lb/>
tige. Die bedraͤngte <hirendition="#aq">Familie</hi> will das Geſchoͤpf<lb/>
nicht mehr zu ſich nemen und allein zum trauri¬<lb/>
gen Angedenken und zur bußfertigen Anſchauung,<lb/>
auch von wegen der großen Schoͤnheit des Kin¬<lb/>
des, ein <hirendition="#aq">Conterfey</hi> behalten. Insbeſundere will<lb/>
der Herr nicht von dieſer <hirendition="#aq">Idee</hi> laſſen. Meine<lb/>
Ehefrau verabreicht dem Maler alltaͤglich zwei<lb/>
Schoppen Wein, woran er nicht genug zu haben<lb/>ſcheinet, da er allabendlich in den rothen Loͤwen<lb/>
gehet und dorten mit dem <hirendition="#aq">Chirurgo</hi>ſpielet. Iſt<lb/>
ein hochfahrendes <hirendition="#aq">Subject</hi> und ſetze ihm daher<lb/>
oͤfter ein Schnepfen oder ein Hechtlein vor, wel¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[160/0174]
meiſter alſogleich arretiren und zum Landvogt
fuͤhren. Dem Muͤllerhans muß ich auch noch bei¬
kommen, obgleich ſelbiger reich und gewaltthaͤtig
iſt. Moͤchte bald ſelber glauben, was die Bauers¬
leute ſagen, daß das Kind eine Hexe ſei, wenn
dieſe Opinion nicht der Vernunft widerſpraͤche.
Jeden Falls ſteckt der Teufel in ihr und habe ich
ein ſchlimmes Stuͤck Arbeit uͤbernommen.«
»Dieſe ganze Woche habe ich einen Maler im
Hauſe tractiret, ſo mir Madame uͤberſendet, da¬
mit er das Portrait der kleinen Fraͤulein anfer¬
tige. Die bedraͤngte Familie will das Geſchoͤpf
nicht mehr zu ſich nemen und allein zum trauri¬
gen Angedenken und zur bußfertigen Anſchauung,
auch von wegen der großen Schoͤnheit des Kin¬
des, ein Conterfey behalten. Insbeſundere will
der Herr nicht von dieſer Idee laſſen. Meine
Ehefrau verabreicht dem Maler alltaͤglich zwei
Schoppen Wein, woran er nicht genug zu haben
ſcheinet, da er allabendlich in den rothen Loͤwen
gehet und dorten mit dem Chirurgo ſpielet. Iſt
ein hochfahrendes Subject und ſetze ihm daher
oͤfter ein Schnepfen oder ein Hechtlein vor, wel¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/174>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.