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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Tage fragen, wo sie denn die Zeit zu Alledem
hergenommen haben, ohne ihre Arbeit und ihr
Haus zu vernachlässigen: so wäre zu antworten,
daß es erstens noch gesunde und naive Männer
und keine Grübler waren, welche zu jeder That
und jeder außerordentlichen Arbeit einen Schatz
von Zeit verschwenden mußten, indem sie Alles
zerfaserten und breit quetschten, ehe es genießbar
war, und daß zweitens die täglichen Stunden
von sieben bis zehn Uhr Abends, gleichmäßig be¬
nutzt, eine viel ansehnlichere Masse von Zeit aus¬
machen, als der Bürger heute glaubt, welcher
dieselben hinter dem Weinglase im Tabacksqualm
verbrütet. Man war damals noch nicht einer
Rotte von Schenkwirthen tributpflichtig, sondern
zog es vor, im Herbste das edle Gewächs selbst
einzukellern, und es war keiner dieser Handwer¬
ker, vermöglich oder arm, der sich nicht geschämt
hätte, am Schlusse der abendlichen Zusammen¬
künfte ein Glas derben Tischweines mangeln zu
lassen oder denselben aus der Schenke holen zu
müssen. Während des Tages sah man keinen,
oder höchstens flüchtig und heimlich, vor den Ge¬

Tage fragen, wo ſie denn die Zeit zu Alledem
hergenommen haben, ohne ihre Arbeit und ihr
Haus zu vernachlaͤſſigen: ſo waͤre zu antworten,
daß es erſtens noch geſunde und naive Maͤnner
und keine Gruͤbler waren, welche zu jeder That
und jeder außerordentlichen Arbeit einen Schatz
von Zeit verſchwenden mußten, indem ſie Alles
zerfaſerten und breit quetſchten, ehe es genießbar
war, und daß zweitens die taͤglichen Stunden
von ſieben bis zehn Uhr Abends, gleichmaͤßig be¬
nutzt, eine viel anſehnlichere Maſſe von Zeit aus¬
machen, als der Buͤrger heute glaubt, welcher
dieſelben hinter dem Weinglaſe im Tabacksqualm
verbruͤtet. Man war damals noch nicht einer
Rotte von Schenkwirthen tributpflichtig, ſondern
zog es vor, im Herbſte das edle Gewaͤchs ſelbſt
einzukellern, und es war keiner dieſer Handwer¬
ker, vermoͤglich oder arm, der ſich nicht geſchaͤmt
haͤtte, am Schluſſe der abendlichen Zuſammen¬
kuͤnfte ein Glas derben Tiſchweines mangeln zu
laſſen oder denſelben aus der Schenke holen zu
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[117/0131] Tage fragen, wo ſie denn die Zeit zu Alledem hergenommen haben, ohne ihre Arbeit und ihr Haus zu vernachlaͤſſigen: ſo waͤre zu antworten, daß es erſtens noch geſunde und naive Maͤnner und keine Gruͤbler waren, welche zu jeder That und jeder außerordentlichen Arbeit einen Schatz von Zeit verſchwenden mußten, indem ſie Alles zerfaſerten und breit quetſchten, ehe es genießbar war, und daß zweitens die taͤglichen Stunden von ſieben bis zehn Uhr Abends, gleichmaͤßig be¬ nutzt, eine viel anſehnlichere Maſſe von Zeit aus¬ machen, als der Buͤrger heute glaubt, welcher dieſelben hinter dem Weinglaſe im Tabacksqualm verbruͤtet. Man war damals noch nicht einer Rotte von Schenkwirthen tributpflichtig, ſondern zog es vor, im Herbſte das edle Gewaͤchs ſelbſt einzukellern, und es war keiner dieſer Handwer¬ ker, vermoͤglich oder arm, der ſich nicht geſchaͤmt haͤtte, am Schluſſe der abendlichen Zuſammen¬ kuͤnfte ein Glas derben Tiſchweines mangeln zu laſſen oder denſelben aus der Schenke holen zu muͤſſen. Waͤhrend des Tages ſah man keinen, oder hoͤchſtens fluͤchtig und heimlich, vor den Ge¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/131>, abgerufen am 26.11.2024.