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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mit einander auf unserer Hochzeit, lange, lange Stunden! und waren so glücklich, sauber geschmückt, und es fehlte uns an Nichts. Da wollten wir uns endlich küssen und dürsteten darnach, aber immer zog uns Etwas auseinander, und nun bist du es selbst gewesen, der uns gestört und gehindert hat! Aber wie gut, daß du gleich da bist! Gierig fiel es ihm um den Hals und küßte ihn, als ob es kein Ende nehmen sollte. Und was hast du denn geträumt? fragte es und streichelte ihm Wangen und Kinn. -- Mir träumte, ich ginge endlos auf einer langen Straße durch einen Wald und du in der Ferne immer vor mir her; zuweilen sahest du nach mir um, winktest mir und lachtest, und dann war ich wie im Himmel. Das ist Alles! -- Sie traten unter die offengebliebene Küchenthür, die unmittelbar ins Freie führte, und mußten lachen, als sie sich ins Gesicht sahen. Denn die rechte Backe Vrenchens und die linke Sali's, welche im Schlafe aneinander gelehnt hatten, waren von dem Drucke ganz roth gefärbt, während die Blässe der andern durch die kühle Nachtluft noch erhöht war. Sie rieben sich zärtlich die kalte bleiche Seite ihrer Gesichter, um sie auch roth zu machen; die frische Morgenluft, der thauige stille Frieden, der über der Gegend lag, das junge Morgenroth machten sie fröhlich und selbstvergessen, und besonders in Vrenchen schien ein freundlicher Geist der Sorglosigkeit gefahren zu sein. Morgen Abend muß ich also aus diesem Hause fort, sagte es, und ein

mit einander auf unserer Hochzeit, lange, lange Stunden! und waren so glücklich, sauber geschmückt, und es fehlte uns an Nichts. Da wollten wir uns endlich küssen und dürsteten darnach, aber immer zog uns Etwas auseinander, und nun bist du es selbst gewesen, der uns gestört und gehindert hat! Aber wie gut, daß du gleich da bist! Gierig fiel es ihm um den Hals und küßte ihn, als ob es kein Ende nehmen sollte. Und was hast du denn geträumt? fragte es und streichelte ihm Wangen und Kinn. — Mir träumte, ich ginge endlos auf einer langen Straße durch einen Wald und du in der Ferne immer vor mir her; zuweilen sahest du nach mir um, winktest mir und lachtest, und dann war ich wie im Himmel. Das ist Alles! — Sie traten unter die offengebliebene Küchenthür, die unmittelbar ins Freie führte, und mußten lachen, als sie sich ins Gesicht sahen. Denn die rechte Backe Vrenchens und die linke Sali's, welche im Schlafe aneinander gelehnt hatten, waren von dem Drucke ganz roth gefärbt, während die Blässe der andern durch die kühle Nachtluft noch erhöht war. Sie rieben sich zärtlich die kalte bleiche Seite ihrer Gesichter, um sie auch roth zu machen; die frische Morgenluft, der thauige stille Frieden, der über der Gegend lag, das junge Morgenroth machten sie fröhlich und selbstvergessen, und besonders in Vrenchen schien ein freundlicher Geist der Sorglosigkeit gefahren zu sein. Morgen Abend muß ich also aus diesem Hause fort, sagte es, und ein

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/75>, abgerufen am 24.11.2024.