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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Großvater das Ding als Wachtmeister getragen, welches es jetzt aus Noth in die Bohnen gepflanzt hatte; dort kletterten sie wieder lustig eine verwitterte Leiter empor, die am Hause lehnte seit undenklichen Zeiten, und hingen von da in die klaren Fensterchen hinunter wie Vrenchens Kräuselhaare in seine Augen. Dieser mehr malerische als wirthliche Hof lag etwas beiseit und hatte keine näheren Nachbarhäuser, auch ließ sich in diesem Augenblicke nirgends eine lebendige Seele wahrnehmen; Sali lehnte daher in aller Sicherheit an einem alten Scheunchen, etwa dreißig Schritte entfernt, und schaute unverwandt nach dem stillen wüsten Hause hinüber. Eine geraume Zeit lehnte und schaute er so, als Vrenchen unter die Hausthür kam und lange vor sich hinblickte, wie mit allen ihren Gedanken an einem Gegenstande hängend. Sali rührte sich nicht und wandte kein Auge von ihr. Als sie endlich zufällig in dieser Richtung hinsah, fiel er ihr in die Augen. Sie sahen sich eine Weile an, herüber und hinüber, als ob sie eine Lufterscheinung betrachteten, bis sich Sali endlich aufrichtete und langsam über die Straße und über den Hof ging auf Vrenchen los. Als er dem Mädchen nahe war, streckte es seine Hände gegen ihn aus und sagte: Sali! Er ergriff die Hände und sah ihr immerfort ins Gesicht. Thränen stürzten aus ihren Augen, während sie unter seinen Blicken vollends dunkelroth wurde, und sie sagte: Was willst du hier? -- Nur dich sehen! erwiderte er; wollen wir nicht wieder gute

Großvater das Ding als Wachtmeister getragen, welches es jetzt aus Noth in die Bohnen gepflanzt hatte; dort kletterten sie wieder lustig eine verwitterte Leiter empor, die am Hause lehnte seit undenklichen Zeiten, und hingen von da in die klaren Fensterchen hinunter wie Vrenchens Kräuselhaare in seine Augen. Dieser mehr malerische als wirthliche Hof lag etwas beiseit und hatte keine näheren Nachbarhäuser, auch ließ sich in diesem Augenblicke nirgends eine lebendige Seele wahrnehmen; Sali lehnte daher in aller Sicherheit an einem alten Scheunchen, etwa dreißig Schritte entfernt, und schaute unverwandt nach dem stillen wüsten Hause hinüber. Eine geraume Zeit lehnte und schaute er so, als Vrenchen unter die Hausthür kam und lange vor sich hinblickte, wie mit allen ihren Gedanken an einem Gegenstande hängend. Sali rührte sich nicht und wandte kein Auge von ihr. Als sie endlich zufällig in dieser Richtung hinsah, fiel er ihr in die Augen. Sie sahen sich eine Weile an, herüber und hinüber, als ob sie eine Lufterscheinung betrachteten, bis sich Sali endlich aufrichtete und langsam über die Straße und über den Hof ging auf Vrenchen los. Als er dem Mädchen nahe war, streckte es seine Hände gegen ihn aus und sagte: Sali! Er ergriff die Hände und sah ihr immerfort ins Gesicht. Thränen stürzten aus ihren Augen, während sie unter seinen Blicken vollends dunkelroth wurde, und sie sagte: Was willst du hier? — Nur dich sehen! erwiderte er; wollen wir nicht wieder gute

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Großvater das Ding als Wachtmeister                getragen, welches es jetzt aus Noth in die Bohnen gepflanzt hatte; dort kletterten                sie wieder lustig eine verwitterte Leiter empor, die am Hause lehnte seit                undenklichen Zeiten, und hingen von da in die klaren Fensterchen hinunter wie                Vrenchens Kräuselhaare in seine Augen. Dieser mehr malerische als wirthliche Hof lag                etwas beiseit und hatte keine näheren Nachbarhäuser, auch ließ sich in diesem                Augenblicke nirgends eine lebendige Seele wahrnehmen; Sali lehnte daher in aller                Sicherheit an einem alten Scheunchen, etwa dreißig Schritte entfernt, und schaute                unverwandt nach dem stillen wüsten Hause hinüber. Eine geraume Zeit lehnte und                schaute er so, als Vrenchen unter die Hausthür kam und lange vor sich hinblickte, wie                mit allen ihren Gedanken an einem Gegenstande hängend. Sali rührte sich nicht und                wandte kein Auge von ihr. Als sie endlich zufällig in dieser Richtung hinsah, fiel er                ihr in die Augen. Sie sahen sich eine Weile an, herüber und hinüber, als ob sie eine                Lufterscheinung betrachteten, bis sich Sali endlich aufrichtete und langsam über die                Straße und über den Hof ging auf Vrenchen los. Als er dem Mädchen nahe war, streckte                es seine Hände gegen ihn aus und sagte: Sali! Er ergriff die Hände und sah ihr                immerfort ins Gesicht. Thränen stürzten aus ihren Augen, während sie unter seinen                Blicken vollends dunkelroth wurde, und sie sagte: Was willst du hier? &#x2014; Nur dich                sehen! erwiderte er; wollen wir nicht wieder gute<lb/></p>
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[0055] Großvater das Ding als Wachtmeister getragen, welches es jetzt aus Noth in die Bohnen gepflanzt hatte; dort kletterten sie wieder lustig eine verwitterte Leiter empor, die am Hause lehnte seit undenklichen Zeiten, und hingen von da in die klaren Fensterchen hinunter wie Vrenchens Kräuselhaare in seine Augen. Dieser mehr malerische als wirthliche Hof lag etwas beiseit und hatte keine näheren Nachbarhäuser, auch ließ sich in diesem Augenblicke nirgends eine lebendige Seele wahrnehmen; Sali lehnte daher in aller Sicherheit an einem alten Scheunchen, etwa dreißig Schritte entfernt, und schaute unverwandt nach dem stillen wüsten Hause hinüber. Eine geraume Zeit lehnte und schaute er so, als Vrenchen unter die Hausthür kam und lange vor sich hinblickte, wie mit allen ihren Gedanken an einem Gegenstande hängend. Sali rührte sich nicht und wandte kein Auge von ihr. Als sie endlich zufällig in dieser Richtung hinsah, fiel er ihr in die Augen. Sie sahen sich eine Weile an, herüber und hinüber, als ob sie eine Lufterscheinung betrachteten, bis sich Sali endlich aufrichtete und langsam über die Straße und über den Hof ging auf Vrenchen los. Als er dem Mädchen nahe war, streckte es seine Hände gegen ihn aus und sagte: Sali! Er ergriff die Hände und sah ihr immerfort ins Gesicht. Thränen stürzten aus ihren Augen, während sie unter seinen Blicken vollends dunkelroth wurde, und sie sagte: Was willst du hier? — Nur dich sehen! erwiderte er; wollen wir nicht wieder gute

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/55>, abgerufen am 23.11.2024.