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Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907.

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samen, sachlichen, unparteiischen Verwaltung der ihnen anvertrauten Zweige
genötigt.

Jährliche Steuerbewilligung.

Das Recht der jährlichen Steuerbewilligung ist eine der wichtigsten Bürg-
schaften eines geordneten Gemeinwesens. Die Mitglieder einer Gemeinschaft,
welche die Steuerlasten zu tragen, die Mittel für die öffentlichen Ausgaben auf-
zubringen haben, sind um ihre Zustimmung zu befragen, sie haben zu entscheiden,
in welcher Höhe die zur Befriedigung der öffentlichen Bedürfnisse nötigen Gelder
zu bewilligen sind. Der Verzicht auf die jährliche Steuerbewilligung bedeutet die
Auslieferung der politischen Freiheit an die Regierung. Die große Masse, auf
deren Schultern die Steuerlast am schwersten wuchtet, darf nicht bloß eine
leidende, sie muß eine tätige Rolle spielen. Wie viel ist zu geben und aus was
für Quellen ist die Einnahme zu schöpfen, welche den Bedarf des gemeinen
Wesens deckt? Das sind Fragen, welche das Volk zu beantworten hat. Entschlägt
sich das Volk seines Rechtes, so macht es die Regierung in Wirklichkeit selbstherr-
lich. Jn dem Augenblick, in welchem der Regierung über ein Steuerjahr hinaus
Vollmachten zugebilligt werden, wird das Parlament zum Schatten, das Volk
zum Schatten dieses Schattens. Jn der englischen Verfassungsgeschichte ist der
hartnäckige, unter unsäglichen Opfern an Gut und Blut geführte Kampf um die
Steuerbewilligung einer der hervorstechendsten bedeutsamsten Abschnitte. Ohne
dies Recht wird aus dem Säckel der Nation aufs Geradewohl gewirtschaftet, mit
vollen Händen wird hier gegeben, dort genommen, der Lebensnerv des Staates
wird getroffen, und die beste Handhabe, das Regiment des gemeinen Wesens in
den Schranken der Verfassung und der Gesetze zu halten, ist rettungslos preisge-
geben. Zum Regieren so gut wie zum Kriegführen gehört Geld, Geld und noch-
mals Geld. Wie es regiert sein will, darüber verfüge das Volk: aber seine Ver-
fügungsfreiheit ist ihm geraubt, öffnet es anderen ohne Kontrolle seine Taschen.
Den Daumen auf den Beutel, das ist die Losung, Prüfung jeder Forderung,
Uebernahme der Lasten nur auf ein Steuerjahr, keine neuen Steuern ohne drin-
genden Bedarf, Steuerbewilligung und gute, d. h. volkstümliche Regierung Zug
um Zug. Die jährliche Steuerbewilligung ist ein wirtschaftliches Machtmittel,
das unangreifbar ist und unfehlbar wirkt, wenn hinter ihm das arbeitende Volk
steht, zielbewußt und auf die Antastung seines Rechtstitels als Trumpf setzend
die schlagfertige Abwehr.

So bietet sich von selbst der Uebergang zu der Frage der Wehrhaftigkeit.

III.
Erziehung zur allgemeinen Wehrhaftigkeit.

Eine Jugenderziehung, welche einseitig die geistige oder die leibliche Kraft
zu entwickeln und auszubilden sucht, anstatt in schönem Einklang die Zucht des
Verstandes und die Leibesübungen zu verbinden, ist von vornherein verfehlt.
Wie wir die reichste Entfaltung der Fähigkeiten auf dem Gebiete des Geistes
fordern, so verlangen wir auch eine von Kindesbeinen an planvoll geleitete
Schulung der körperlichen Stärke und Geschicklichkeit. Die sichere Grundlage für
solche heilsame Aufzucht der Bürger ist die gesicherte wirtschaftliche Lage, welche
jedem den Spielraum gibt, sich ungehemmt zu entwickeln, und ein gesundes,
leistungsfähiges, lebensfrisches Geschlecht, frei von des Daseins gemeiner Not,
nicht mehr durch die mannigfachen Arten der Ausbeutung verkümmert und ver-
krüppelt, aufwachsen und gedeihen läßt. Der Bann, welcher heute auf dem
werktätigen Volke lastet, seine Gesundheit zerrüttet, ihm Siechtum und ein
frühes Ende bringt, die Sprößlinge der Arbeiter schon im zarten Alter in die
Stickluft der Werkstatt hineintreibt und die Blüte knickt, ehe sie aufgeknospet ist,
welche die Arbeiter verelenden und verderben läßt, sodaß von Jahr zu Jahr

samen, sachlichen, unparteiischen Verwaltung der ihnen anvertrauten Zweige
genötigt.

Jährliche Steuerbewilligung.

Das Recht der jährlichen Steuerbewilligung ist eine der wichtigsten Bürg-
schaften eines geordneten Gemeinwesens. Die Mitglieder einer Gemeinschaft,
welche die Steuerlasten zu tragen, die Mittel für die öffentlichen Ausgaben auf-
zubringen haben, sind um ihre Zustimmung zu befragen, sie haben zu entscheiden,
in welcher Höhe die zur Befriedigung der öffentlichen Bedürfnisse nötigen Gelder
zu bewilligen sind. Der Verzicht auf die jährliche Steuerbewilligung bedeutet die
Auslieferung der politischen Freiheit an die Regierung. Die große Masse, auf
deren Schultern die Steuerlast am schwersten wuchtet, darf nicht bloß eine
leidende, sie muß eine tätige Rolle spielen. Wie viel ist zu geben und aus was
für Quellen ist die Einnahme zu schöpfen, welche den Bedarf des gemeinen
Wesens deckt? Das sind Fragen, welche das Volk zu beantworten hat. Entschlägt
sich das Volk seines Rechtes, so macht es die Regierung in Wirklichkeit selbstherr-
lich. Jn dem Augenblick, in welchem der Regierung über ein Steuerjahr hinaus
Vollmachten zugebilligt werden, wird das Parlament zum Schatten, das Volk
zum Schatten dieses Schattens. Jn der englischen Verfassungsgeschichte ist der
hartnäckige, unter unsäglichen Opfern an Gut und Blut geführte Kampf um die
Steuerbewilligung einer der hervorstechendsten bedeutsamsten Abschnitte. Ohne
dies Recht wird aus dem Säckel der Nation aufs Geradewohl gewirtschaftet, mit
vollen Händen wird hier gegeben, dort genommen, der Lebensnerv des Staates
wird getroffen, und die beste Handhabe, das Regiment des gemeinen Wesens in
den Schranken der Verfassung und der Gesetze zu halten, ist rettungslos preisge-
geben. Zum Regieren so gut wie zum Kriegführen gehört Geld, Geld und noch-
mals Geld. Wie es regiert sein will, darüber verfüge das Volk: aber seine Ver-
fügungsfreiheit ist ihm geraubt, öffnet es anderen ohne Kontrolle seine Taschen.
Den Daumen auf den Beutel, das ist die Losung, Prüfung jeder Forderung,
Uebernahme der Lasten nur auf ein Steuerjahr, keine neuen Steuern ohne drin-
genden Bedarf, Steuerbewilligung und gute, d. h. volkstümliche Regierung Zug
um Zug. Die jährliche Steuerbewilligung ist ein wirtschaftliches Machtmittel,
das unangreifbar ist und unfehlbar wirkt, wenn hinter ihm das arbeitende Volk
steht, zielbewußt und auf die Antastung seines Rechtstitels als Trumpf setzend
die schlagfertige Abwehr.

So bietet sich von selbst der Uebergang zu der Frage der Wehrhaftigkeit.

III.
Erziehung zur allgemeinen Wehrhaftigkeit.

Eine Jugenderziehung, welche einseitig die geistige oder die leibliche Kraft
zu entwickeln und auszubilden sucht, anstatt in schönem Einklang die Zucht des
Verstandes und die Leibesübungen zu verbinden, ist von vornherein verfehlt.
Wie wir die reichste Entfaltung der Fähigkeiten auf dem Gebiete des Geistes
fordern, so verlangen wir auch eine von Kindesbeinen an planvoll geleitete
Schulung der körperlichen Stärke und Geschicklichkeit. Die sichere Grundlage für
solche heilsame Aufzucht der Bürger ist die gesicherte wirtschaftliche Lage, welche
jedem den Spielraum gibt, sich ungehemmt zu entwickeln, und ein gesundes,
leistungsfähiges, lebensfrisches Geschlecht, frei von des Daseins gemeiner Not,
nicht mehr durch die mannigfachen Arten der Ausbeutung verkümmert und ver-
krüppelt, aufwachsen und gedeihen läßt. Der Bann, welcher heute auf dem
werktätigen Volke lastet, seine Gesundheit zerrüttet, ihm Siechtum und ein
frühes Ende bringt, die Sprößlinge der Arbeiter schon im zarten Alter in die
Stickluft der Werkstatt hineintreibt und die Blüte knickt, ehe sie aufgeknospet ist,
welche die Arbeiter verelenden und verderben läßt, sodaß von Jahr zu Jahr

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[37/0039] samen, sachlichen, unparteiischen Verwaltung der ihnen anvertrauten Zweige genötigt. Jährliche Steuerbewilligung. Das Recht der jährlichen Steuerbewilligung ist eine der wichtigsten Bürg- schaften eines geordneten Gemeinwesens. Die Mitglieder einer Gemeinschaft, welche die Steuerlasten zu tragen, die Mittel für die öffentlichen Ausgaben auf- zubringen haben, sind um ihre Zustimmung zu befragen, sie haben zu entscheiden, in welcher Höhe die zur Befriedigung der öffentlichen Bedürfnisse nötigen Gelder zu bewilligen sind. Der Verzicht auf die jährliche Steuerbewilligung bedeutet die Auslieferung der politischen Freiheit an die Regierung. Die große Masse, auf deren Schultern die Steuerlast am schwersten wuchtet, darf nicht bloß eine leidende, sie muß eine tätige Rolle spielen. Wie viel ist zu geben und aus was für Quellen ist die Einnahme zu schöpfen, welche den Bedarf des gemeinen Wesens deckt? Das sind Fragen, welche das Volk zu beantworten hat. Entschlägt sich das Volk seines Rechtes, so macht es die Regierung in Wirklichkeit selbstherr- lich. Jn dem Augenblick, in welchem der Regierung über ein Steuerjahr hinaus Vollmachten zugebilligt werden, wird das Parlament zum Schatten, das Volk zum Schatten dieses Schattens. Jn der englischen Verfassungsgeschichte ist der hartnäckige, unter unsäglichen Opfern an Gut und Blut geführte Kampf um die Steuerbewilligung einer der hervorstechendsten bedeutsamsten Abschnitte. Ohne dies Recht wird aus dem Säckel der Nation aufs Geradewohl gewirtschaftet, mit vollen Händen wird hier gegeben, dort genommen, der Lebensnerv des Staates wird getroffen, und die beste Handhabe, das Regiment des gemeinen Wesens in den Schranken der Verfassung und der Gesetze zu halten, ist rettungslos preisge- geben. Zum Regieren so gut wie zum Kriegführen gehört Geld, Geld und noch- mals Geld. Wie es regiert sein will, darüber verfüge das Volk: aber seine Ver- fügungsfreiheit ist ihm geraubt, öffnet es anderen ohne Kontrolle seine Taschen. Den Daumen auf den Beutel, das ist die Losung, Prüfung jeder Forderung, Uebernahme der Lasten nur auf ein Steuerjahr, keine neuen Steuern ohne drin- genden Bedarf, Steuerbewilligung und gute, d. h. volkstümliche Regierung Zug um Zug. Die jährliche Steuerbewilligung ist ein wirtschaftliches Machtmittel, das unangreifbar ist und unfehlbar wirkt, wenn hinter ihm das arbeitende Volk steht, zielbewußt und auf die Antastung seines Rechtstitels als Trumpf setzend die schlagfertige Abwehr. So bietet sich von selbst der Uebergang zu der Frage der Wehrhaftigkeit. III. Erziehung zur allgemeinen Wehrhaftigkeit. Eine Jugenderziehung, welche einseitig die geistige oder die leibliche Kraft zu entwickeln und auszubilden sucht, anstatt in schönem Einklang die Zucht des Verstandes und die Leibesübungen zu verbinden, ist von vornherein verfehlt. Wie wir die reichste Entfaltung der Fähigkeiten auf dem Gebiete des Geistes fordern, so verlangen wir auch eine von Kindesbeinen an planvoll geleitete Schulung der körperlichen Stärke und Geschicklichkeit. Die sichere Grundlage für solche heilsame Aufzucht der Bürger ist die gesicherte wirtschaftliche Lage, welche jedem den Spielraum gibt, sich ungehemmt zu entwickeln, und ein gesundes, leistungsfähiges, lebensfrisches Geschlecht, frei von des Daseins gemeiner Not, nicht mehr durch die mannigfachen Arten der Ausbeutung verkümmert und ver- krüppelt, aufwachsen und gedeihen läßt. Der Bann, welcher heute auf dem werktätigen Volke lastet, seine Gesundheit zerrüttet, ihm Siechtum und ein frühes Ende bringt, die Sprößlinge der Arbeiter schon im zarten Alter in die Stickluft der Werkstatt hineintreibt und die Blüte knickt, ehe sie aufgeknospet ist, welche die Arbeiter verelenden und verderben läßt, sodaß von Jahr zu Jahr  

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-08T17:50:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-08T17:50:02Z)

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Zitationshilfe: Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kautsky_grundsaetze_1907/39>, abgerufen am 03.12.2024.