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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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lassen, und alsdann sie in der Hauswirthschaft anzu-
lernen. Damit man aber verhinderte, daß sie nicht,
ihrer Gewohnheit nach, lesen, in den Gärten und auf
den Wiesen herumträumen, oder gar sich bey dem
Bücherschaft ihres litterarischen Schäfers vergessen
könnte; so wurde sie von Hause ganz entfernt, und
einige Meilen weit davon in die Kost einer Müllers-
Frau gethan, welche die Geschicklichkeit im Ausnähen
vorzüglich besaß. Das Gedächtniß der Dürbach glich
dem Wachs; was sie lernen sollte, das drückte sich
den Augenblick unauslöschlich in ihre Begriffe. So
ganz sie Phantasie und Gedanke war, so war sie kaum
ein Vierteljahr in der Lehre, als sie schon ihrer Lehr-
meisterin alle Künste ihrer feinen Nadel auf das sau-
berste nachmachen konnte. Sie war auf anderthalb
Jahre in diese Lehre bedungen, und die Müllersfrau,
welche ihrer Schülerin nichts mehr lernen konnte, miß-
brauchte in der übrigen Zeit die folgsame Gemüths-
art der Dürbach, nebst der entfernten Lage von ihren
Eltern, und ließ ihr mehrentheils Magddienste ver-
richten. Dabei blieb es nicht allein, sondern sie mußte
auch oft das Amt einer Vorpost bestehen: denn die
Müllerin, welche jung und hübsch war; hatte Bekannt-
schaft mit einem Husaren-Rittmeister, welcher hier auf
Grasung stand. Er kam mehrentheils wenn der Müller
auf der Mühle war, und bey jedem solchen Besuche wur-

laſſen, und alsdann ſie in der Hauswirthſchaft anzu-
lernen. Damit man aber verhinderte, daß ſie nicht,
ihrer Gewohnheit nach, leſen, in den Gaͤrten und auf
den Wieſen herumtraͤumen, oder gar ſich bey dem
Buͤcherſchaft ihres litterariſchen Schaͤfers vergeſſen
koͤnnte; ſo wurde ſie von Hauſe ganz entfernt, und
einige Meilen weit davon in die Koſt einer Muͤllers-
Frau gethan, welche die Geſchicklichkeit im Ausnaͤhen
vorzuͤglich beſaß. Das Gedaͤchtniß der Duͤrbach glich
dem Wachs; was ſie lernen ſollte, das druͤckte ſich
den Augenblick unausloͤſchlich in ihre Begriffe. So
ganz ſie Phantaſie und Gedanke war, ſo war ſie kaum
ein Vierteljahr in der Lehre, als ſie ſchon ihrer Lehr-
meiſterin alle Kuͤnſte ihrer feinen Nadel auf das ſau-
berſte nachmachen konnte. Sie war auf anderthalb
Jahre in dieſe Lehre bedungen, und die Muͤllersfrau,
welche ihrer Schuͤlerin nichts mehr lernen konnte, miß-
brauchte in der uͤbrigen Zeit die folgſame Gemuͤths-
art der Duͤrbach, nebſt der entfernten Lage von ihren
Eltern, und ließ ihr mehrentheils Magddienſte ver-
richten. Dabei blieb es nicht allein, ſondern ſie mußte
auch oft das Amt einer Vorpoſt beſtehen: denn die
Muͤllerin, welche jung und huͤbſch war; hatte Bekannt-
ſchaft mit einem Huſaren-Rittmeiſter, welcher hier auf
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[30/0062] laſſen, und alsdann ſie in der Hauswirthſchaft anzu- lernen. Damit man aber verhinderte, daß ſie nicht, ihrer Gewohnheit nach, leſen, in den Gaͤrten und auf den Wieſen herumtraͤumen, oder gar ſich bey dem Buͤcherſchaft ihres litterariſchen Schaͤfers vergeſſen koͤnnte; ſo wurde ſie von Hauſe ganz entfernt, und einige Meilen weit davon in die Koſt einer Muͤllers- Frau gethan, welche die Geſchicklichkeit im Ausnaͤhen vorzuͤglich beſaß. Das Gedaͤchtniß der Duͤrbach glich dem Wachs; was ſie lernen ſollte, das druͤckte ſich den Augenblick unausloͤſchlich in ihre Begriffe. So ganz ſie Phantaſie und Gedanke war, ſo war ſie kaum ein Vierteljahr in der Lehre, als ſie ſchon ihrer Lehr- meiſterin alle Kuͤnſte ihrer feinen Nadel auf das ſau- berſte nachmachen konnte. Sie war auf anderthalb Jahre in dieſe Lehre bedungen, und die Muͤllersfrau, welche ihrer Schuͤlerin nichts mehr lernen konnte, miß- brauchte in der uͤbrigen Zeit die folgſame Gemuͤths- art der Duͤrbach, nebſt der entfernten Lage von ihren Eltern, und ließ ihr mehrentheils Magddienſte ver- richten. Dabei blieb es nicht allein, ſondern ſie mußte auch oft das Amt einer Vorpoſt beſtehen: denn die Muͤllerin, welche jung und huͤbſch war; hatte Bekannt- ſchaft mit einem Huſaren-Rittmeiſter, welcher hier auf Graſung ſtand. Er kam mehrentheils wenn der Muͤller auf der Muͤhle war, und bey jedem ſolchen Beſuche wur-

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/62>, abgerufen am 21.11.2024.