Gestorbenen Rose ihren Geruch wieder geben kann? O sie war schön, wie die Innge Friedrika von Preußen; Sie war eine Knospe. Milon brachte sie Mir frisch abgebrochen vom Rosenstocke, welchen Er selber gepflanzet, gepflegt und durch Gottesfürchtige Frömmigkeit vor schädliche Taue Bewahret hat. Ich küßte die Knospe, Die Milon mir gab, noch unaufgefächelt vom Lüsternen Zephir, noch festverschlossen, wie Ein glühendes Herz, welches in sich das Geheimniß Der Liebe verbirgt. Ich erhielt ihr welkendes Leben acht Tage lang in einem kleinen Gefäße Mit Wasser, wie deine labende Tränke, Deine Cordialgewässer den sterbenden Kranken aufhalten, so erhielt ich die Rose; Denn ich gab ihr frisches Wasser, wenn die Morgenröthe mich weckte, und wenn der Sonnen. Wagen hinter dem schattichten Hain im Silbernen Schooß der Najade zu sinken Schien. -- Am neunten Tage legt ich traurig Meine geliebte Verblichne in eine Grabkiste Von Silber und Perlmutter. Ach! Ihre Farbe gleichet Der Farbe des Angesichts eines gestorbenen Mädchens,
Das
Geſtorbenen Roſe ihren Geruch wieder geben kann? O ſie war ſchoͤn, wie die Innge Friedrika von Preußen; Sie war eine Knoſpe. Milon brachte ſie Mir friſch abgebrochen vom Roſenſtocke, welchen Er ſelber gepflanzet, gepflegt und durch Gottesfuͤrchtige Froͤmmigkeit vor ſchaͤdliche Taue Bewahret hat. Ich kuͤßte die Knoſpe, Die Milon mir gab, noch unaufgefaͤchelt vom Luͤſternen Zephir, noch feſtverſchloſſen, wie Ein gluͤhendes Herz, welches in ſich das Geheimniß Der Liebe verbirgt. Ich erhielt ihr welkendes Leben acht Tage lang in einem kleinen Gefaͤße Mit Waſſer, wie deine labende Traͤnke, Deine Cordialgewaͤſſer den ſterbenden Kranken aufhalten, ſo erhielt ich die Roſe; Denn ich gab ihr friſches Waſſer, wenn die Morgenroͤthe mich weckte, und wenn der Sonnen. Wagen hinter dem ſchattichten Hain im Silbernen Schooß der Najade zu ſinken Schien. — Am neunten Tage legt ich traurig Meine geliebte Verblichne in eine Grabkiſte Von Silber und Perlmutter. Ach! Ihre Farbe gleichet Der Farbe des Angeſichts eines geſtorbenen Maͤdchens,
Das
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Geſtorbenen Roſe ihren Geruch wieder geben kann?
O ſie war ſchoͤn, wie die
Innge Friedrika von Preußen;
Sie war eine Knoſpe. Milon brachte ſie
Mir friſch abgebrochen vom Roſenſtocke, welchen
Er ſelber gepflanzet, gepflegt und durch
Gottesfuͤrchtige Froͤmmigkeit vor ſchaͤdliche Taue
Bewahret hat. Ich kuͤßte die Knoſpe,
Die Milon mir gab, noch unaufgefaͤchelt vom
Luͤſternen Zephir, noch feſtverſchloſſen, wie
Ein gluͤhendes Herz, welches in ſich das Geheimniß
Der Liebe verbirgt. Ich erhielt ihr welkendes
Leben acht Tage lang in einem kleinen Gefaͤße
Mit Waſſer, wie deine labende Traͤnke,
Deine Cordialgewaͤſſer den ſterbenden
Kranken aufhalten, ſo erhielt ich die Roſe;
Denn ich gab ihr friſches Waſſer, wenn die
Morgenroͤthe mich weckte, und wenn der Sonnen.
Wagen hinter dem ſchattichten Hain im
Silbernen Schooß der Najade zu ſinken
Schien. — Am neunten Tage legt ich traurig
Meine geliebte Verblichne in eine Grabkiſte
Von Silber und Perlmutter. Ach! Ihre Farbe
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/464>, abgerufen am 28.07.2024.
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