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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Baumes. Brüllend stürzten sie über die Felder
Auf Pfeilschnellen Roß. Ihr Ansehn war das furchtbare
Bild eines Thraciers oder Parthers, vor welchen in
alten Zeiten
Gezittert haben die Schäfer unter den Mandelbäumen
Und Weinstökken der immergrünenden Hügel
Und blumvollen Thälern Italiens. Phillis tröstete
Mit überredender Stimme ihre zaghafte Mutter;
Zärtlich drückte sie das bebende Herz an ihren kindlichen
Busen, in welchem mehr männlicher Muth klopfte,
Und mehr Zuversicht redete von den beschützenden
Göttern.

Aber jetzt ward Phillis geschreckt aus mütterlichen
Armen
Durch Tumult und Geschrei, gleich dem Geheule eines
Wirbelwindes, der verwickelt gewesen in irgend ei-
nem alten
Gemäuer, und nun mit tösender Gewalt hervorbrauset
Und in Grauen verhüllt die Seele des nächtlichen
Wandrers.
Phillis eilte dem Wirbel entgegen;
Ihr aufgelösetes Haar flog in melancholischer Ordnung
Um den elegantesten Nacken. Mit keichender
Brust drängte sie sich in einen wehklagenden
Zirkel des erschrockenen Volks. Alle rungen über
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Baumes. Bruͤllend ſtuͤrzten ſie uͤber die Felder
Auf Pfeilſchnellen Roß. Ihr Anſehn war das furchtbare
Bild eines Thraciers oder Parthers, vor welchen in
alten Zeiten
Gezittert haben die Schaͤfer unter den Mandelbaͤumen
Und Weinſtoͤkken der immergruͤnenden Huͤgel
Und blumvollen Thaͤlern Italiens. Phillis troͤſtete
Mit uͤberredender Stimme ihre zaghafte Mutter;
Zaͤrtlich druͤckte ſie das bebende Herz an ihren kindlichen
Buſen, in welchem mehr maͤnnlicher Muth klopfte,
Und mehr Zuverſicht redete von den beſchuͤtzenden
Goͤttern.

Aber jetzt ward Phillis geſchreckt aus muͤtterlichen
Armen
Durch Tumult und Geſchrei, gleich dem Geheule eines
Wirbelwindes, der verwickelt geweſen in irgend ei-
nem alten
Gemaͤuer, und nun mit toͤſender Gewalt hervorbrauſet
Und in Grauen verhuͤllt die Seele des naͤchtlichen
Wandrers.
Phillis eilte dem Wirbel entgegen;
Ihr aufgeloͤſetes Haar flog in melancholiſcher Ordnung
Um den eleganteſten Nacken. Mit keichender
Bruſt draͤngte ſie ſich in einen wehklagenden
Zirkel des erſchrockenen Volks. Alle rungen uͤber
S 5
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[281/0441] Baumes. Bruͤllend ſtuͤrzten ſie uͤber die Felder Auf Pfeilſchnellen Roß. Ihr Anſehn war das furchtbare Bild eines Thraciers oder Parthers, vor welchen in alten Zeiten Gezittert haben die Schaͤfer unter den Mandelbaͤumen Und Weinſtoͤkken der immergruͤnenden Huͤgel Und blumvollen Thaͤlern Italiens. Phillis troͤſtete Mit uͤberredender Stimme ihre zaghafte Mutter; Zaͤrtlich druͤckte ſie das bebende Herz an ihren kindlichen Buſen, in welchem mehr maͤnnlicher Muth klopfte, Und mehr Zuverſicht redete von den beſchuͤtzenden Goͤttern. Aber jetzt ward Phillis geſchreckt aus muͤtterlichen Armen Durch Tumult und Geſchrei, gleich dem Geheule eines Wirbelwindes, der verwickelt geweſen in irgend ei- nem alten Gemaͤuer, und nun mit toͤſender Gewalt hervorbrauſet Und in Grauen verhuͤllt die Seele des naͤchtlichen Wandrers. Phillis eilte dem Wirbel entgegen; Ihr aufgeloͤſetes Haar flog in melancholiſcher Ordnung Um den eleganteſten Nacken. Mit keichender Bruſt draͤngte ſie ſich in einen wehklagenden Zirkel des erſchrockenen Volks. Alle rungen uͤber S 5

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/441>, abgerufen am 22.11.2024.