Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.Welch eine Miene! welche Wangen! O Phöbus! welch ein Angesicht! Sie kann den Hirsch durch Blicke fangen Und brauchet Pfeil und Bogen nicht. Fleuch nicht, Diana! bleib, ich schlachte Zum Opfer dir ein junges Reh, Das ich so zahm wie Lämmer machte, So weiß ist es wie neuer Schnee. Ich will dir einen Eber würgen, Der trotzig durch Moräste brach, Dem ich vergebens auf Gebirgen Und in Gebüschen spähte nach. Ich will ihn finden, o Diane! Drei Liebesgötter helfen mir. Mein Wurfspieß trift trotz seinem Zahne, Zu Füßen soll er bluten dir -- Ha! welch ein Blick! mich zu verachten? Nun will ich dir auf diesem Block Kein weißes Reh zum Opfer schlachten, Nein, einen schwarzen Ziegenbock. Welch eine Miene! welche Wangen! O Phoͤbus! welch ein Angeſicht! Sie kann den Hirſch durch Blicke fangen Und brauchet Pfeil und Bogen nicht. Fleuch nicht, Diana! bleib, ich ſchlachte Zum Opfer dir ein junges Reh, Das ich ſo zahm wie Laͤmmer machte, So weiß iſt es wie neuer Schnee. Ich will dir einen Eber wuͤrgen, Der trotzig durch Moraͤſte brach, Dem ich vergebens auf Gebirgen Und in Gebuͤſchen ſpaͤhte nach. Ich will ihn finden, o Diane! Drei Liebesgoͤtter helfen mir. Mein Wurfſpieß trift trotz ſeinem Zahne, Zu Fuͤßen ſoll er bluten dir — Ha! welch ein Blick! mich zu verachten? Nun will ich dir auf dieſem Block Kein weißes Reh zum Opfer ſchlachten, Nein, einen ſchwarzen Ziegenbock. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0413" n="253"/> <lg n="5"> <l>Welch eine Miene! welche Wangen!</l><lb/> <l>O Phoͤbus! welch ein Angeſicht!</l><lb/> <l>Sie kann den Hirſch durch Blicke fangen</l><lb/> <l>Und brauchet Pfeil und Bogen nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Fleuch nicht, Diana! bleib, ich ſchlachte</l><lb/> <l>Zum Opfer dir ein junges Reh,</l><lb/> <l>Das ich ſo zahm wie Laͤmmer machte,</l><lb/> <l>So weiß iſt es wie neuer Schnee.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Ich will dir einen Eber wuͤrgen,</l><lb/> <l>Der trotzig durch Moraͤſte brach,</l><lb/> <l>Dem ich vergebens auf Gebirgen</l><lb/> <l>Und in Gebuͤſchen ſpaͤhte nach.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ich will ihn finden, o Diane!</l><lb/> <l>Drei Liebesgoͤtter helfen mir.</l><lb/> <l>Mein Wurfſpieß trift trotz ſeinem Zahne,</l><lb/> <l>Zu Fuͤßen ſoll er bluten dir —</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Ha! welch ein Blick! mich zu verachten?</l><lb/> <l>Nun will ich dir auf dieſem Block</l><lb/> <l>Kein weißes Reh zum Opfer ſchlachten,</l><lb/> <l>Nein, einen ſchwarzen Ziegenbock.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [253/0413]
Welch eine Miene! welche Wangen!
O Phoͤbus! welch ein Angeſicht!
Sie kann den Hirſch durch Blicke fangen
Und brauchet Pfeil und Bogen nicht.
Fleuch nicht, Diana! bleib, ich ſchlachte
Zum Opfer dir ein junges Reh,
Das ich ſo zahm wie Laͤmmer machte,
So weiß iſt es wie neuer Schnee.
Ich will dir einen Eber wuͤrgen,
Der trotzig durch Moraͤſte brach,
Dem ich vergebens auf Gebirgen
Und in Gebuͤſchen ſpaͤhte nach.
Ich will ihn finden, o Diane!
Drei Liebesgoͤtter helfen mir.
Mein Wurfſpieß trift trotz ſeinem Zahne,
Zu Fuͤßen ſoll er bluten dir —
Ha! welch ein Blick! mich zu verachten?
Nun will ich dir auf dieſem Block
Kein weißes Reh zum Opfer ſchlachten,
Nein, einen ſchwarzen Ziegenbock.
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