An die Frau von Reichmann, Kommendantin zu Magdeburg.
1762.
Der Winter hauchet Frost an diese dünne Wand; Ich aber troz ihm in dem Bette. Hier sitz ich, und hier schreibt die kaltgewordne Hand An Dich, und wenn der Nord durch meine Fenster redte Gewaltiger als sonst, wenn dieser Finger krumm Von Frost geworden wär, so würd ich doch nicht stumm, Ich sänge Dir ein Lied, Dir! der ich alle Tage Des Herzens ersten Gruß in einem Liede sage. Viel Kälte stand ich aus, als Armuth mich gejagt Früh Morgens aus dem Bett, sobald es nur getagt, Wie ängstlich lief ich da nach Holze, Bei mir vorüber ging das stolze Und reiche Bürger-Volk, nicht vornehm, aber doch Sehr aufgebläht durch kluges Wissen Des Geldbesitzens, das sie noch Vielleicht, wie Rauch, verlieren müssen.
An die Frau von Reichmann, Kommendantin zu Magdeburg.
1762.
Der Winter hauchet Froſt an dieſe duͤnne Wand; Ich aber troz ihm in dem Bette. Hier ſitz ich, und hier ſchreibt die kaltgewordne Hand An Dich, und wenn der Nord durch meine Fenſter redte Gewaltiger als ſonſt, wenn dieſer Finger krumm Von Froſt geworden waͤr, ſo wuͤrd ich doch nicht ſtumm, Ich ſaͤnge Dir ein Lied, Dir! der ich alle Tage Des Herzens erſten Gruß in einem Liede ſage. Viel Kaͤlte ſtand ich aus, als Armuth mich gejagt Fruͤh Morgens aus dem Bett, ſobald es nur getagt, Wie aͤngſtlich lief ich da nach Holze, Bei mir voruͤber ging das ſtolze Und reiche Buͤrger-Volk, nicht vornehm, aber doch Sehr aufgeblaͤht durch kluges Wiſſen Des Geldbeſitzens, das ſie noch Vielleicht, wie Rauch, verlieren muͤſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0408"n="248"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#g">An<lb/><hirendition="#b">die Frau von Reichmann,</hi></hi><lb/>
Kommendantin zu Magdeburg.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><dateline><hirendition="#c">1762.</hi></dateline><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">D</hi>er Winter hauchet Froſt an dieſe duͤnne Wand;</l><lb/><l>Ich aber troz ihm in dem Bette.</l><lb/><l>Hier ſitz ich, und hier ſchreibt die kaltgewordne Hand</l><lb/><l>An Dich, und wenn der Nord durch meine Fenſter</l><lb/><l>redte</l><lb/><l>Gewaltiger als ſonſt, wenn dieſer Finger krumm</l><lb/><l>Von Froſt geworden waͤr, ſo wuͤrd ich doch nicht ſtumm,</l><lb/><l>Ich ſaͤnge Dir ein Lied, Dir! der ich alle Tage</l><lb/><l>Des Herzens erſten Gruß in einem Liede ſage.</l><lb/><l>Viel Kaͤlte ſtand ich aus, als Armuth mich gejagt</l><lb/><l>Fruͤh Morgens aus dem Bett, ſobald es nur getagt,</l><lb/><l>Wie aͤngſtlich lief ich da nach Holze,</l><lb/><l>Bei mir voruͤber ging das ſtolze</l><lb/><l>Und reiche Buͤrger-Volk, nicht vornehm, aber doch</l><lb/><l>Sehr aufgeblaͤht durch kluges Wiſſen</l><lb/><l>Des Geldbeſitzens, das ſie noch</l><lb/><l>Vielleicht, wie Rauch, verlieren muͤſſen.</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[248/0408]
An
die Frau von Reichmann,
Kommendantin zu Magdeburg.
1762.
Der Winter hauchet Froſt an dieſe duͤnne Wand;
Ich aber troz ihm in dem Bette.
Hier ſitz ich, und hier ſchreibt die kaltgewordne Hand
An Dich, und wenn der Nord durch meine Fenſter
redte
Gewaltiger als ſonſt, wenn dieſer Finger krumm
Von Froſt geworden waͤr, ſo wuͤrd ich doch nicht ſtumm,
Ich ſaͤnge Dir ein Lied, Dir! der ich alle Tage
Des Herzens erſten Gruß in einem Liede ſage.
Viel Kaͤlte ſtand ich aus, als Armuth mich gejagt
Fruͤh Morgens aus dem Bett, ſobald es nur getagt,
Wie aͤngſtlich lief ich da nach Holze,
Bei mir voruͤber ging das ſtolze
Und reiche Buͤrger-Volk, nicht vornehm, aber doch
Sehr aufgeblaͤht durch kluges Wiſſen
Des Geldbeſitzens, das ſie noch
Vielleicht, wie Rauch, verlieren muͤſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/408>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.