O Menschenfreund! Du hast sein Klagen Mit unverschloßner Brust gehört, Und ihn zu retten beygetragen. Jezt drängt ein nachbarlicher Feind Sein frommes Herz zu neuer Klage; Reiß ihn heraus, Du Tugendfreund! Er wendet seine Lebenstage Zu mancher Schnizwerkarbeit an, Wenn er im Winter nicht die Erde Mit scharfem Pflug durchwühlen kann. Hilf, Gönner! daß er glücklich werde! Sein Feind, sein Widersacher nimmt Ihm einen Theil von seinem Erbe. Er ist auf seine Stadt ergrimmt, Laß zu, daß er in Deiner sterbe, Und glaube, daß der Hirte frei, Nicht unterthänig, nicht gebunden An irgend einem Herren sey. Empfinde, was Du oft empfunden, Wenn Du denjenigen erquickt, Der bittend Dir durchs Herz geblickt.
O Menſchenfreund! Du haſt ſein Klagen Mit unverſchloßner Bruſt gehoͤrt, Und ihn zu retten beygetragen. Jezt draͤngt ein nachbarlicher Feind Sein frommes Herz zu neuer Klage; Reiß ihn heraus, Du Tugendfreund! Er wendet ſeine Lebenstage Zu mancher Schnizwerkarbeit an, Wenn er im Winter nicht die Erde Mit ſcharfem Pflug durchwuͤhlen kann. Hilf, Goͤnner! daß er gluͤcklich werde! Sein Feind, ſein Widerſacher nimmt Ihm einen Theil von ſeinem Erbe. Er iſt auf ſeine Stadt ergrimmt, Laß zu, daß er in Deiner ſterbe, Und glaube, daß der Hirte frei, Nicht unterthaͤnig, nicht gebunden An irgend einem Herren ſey. Empfinde, was Du oft empfunden, Wenn Du denjenigen erquickt, Der bittend Dir durchs Herz geblickt.
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O Menſchenfreund! Du haſt ſein Klagen
Mit unverſchloßner Bruſt gehoͤrt,
Und ihn zu retten beygetragen.
Jezt draͤngt ein nachbarlicher Feind
Sein frommes Herz zu neuer Klage;
Reiß ihn heraus, Du Tugendfreund!
Er wendet ſeine Lebenstage
Zu mancher Schnizwerkarbeit an,
Wenn er im Winter nicht die Erde
Mit ſcharfem Pflug durchwuͤhlen kann.
Hilf, Goͤnner! daß er gluͤcklich werde!
Sein Feind, ſein Widerſacher nimmt
Ihm einen Theil von ſeinem Erbe.
Er iſt auf ſeine Stadt ergrimmt,
Laß zu, daß er in Deiner ſterbe,
Und glaube, daß der Hirte frei,
Nicht unterthaͤnig, nicht gebunden
An irgend einem Herren ſey.
Empfinde, was Du oft empfunden,
Wenn Du denjenigen erquickt,
Der bittend Dir durchs Herz geblickt.
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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