Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

"Habt nur hier die Wellen angegaffet,
"Die der Brücke Halbtheil schon
"Angegriffen und hinweggeraffet --
"Fürchtet nicht dies Wasserd[r]ohn,
"Ich bin Mensch, wie ihr zur Welt gekommen,
"Wagt doch, was ich wagen kann,
"Seht, da wo die Häuser weggeschwommen,
"Kommts auf Menschenrettung an --

Also sprach der Fürstensohn und brannte
Von Begierde, da zu seyn,
Wo sich zu dem Sturmgebieter wandte
Nothgedrängter Menschen Schreyn.
Bald hinüber war die Fahrt gelungen,
Als ein Windstoß sie ergriff,
Ach, von einer Welle Wuth gedrungen,
Scheiterte das kleine Schiff
An der Wurzel einer alten Weide
Und die wilde Fluth verschlang
Frankfurts Stolz und Ruhm und Augenfreude[!]
Mit dem Wassertode rang
Leopold nur wenige Minuten
Seine Seele stieg empor
Schöner als durch vieler Wunden Bluten
In der Heldenseelen Chor --

„Habt nur hier die Wellen angegaffet,
„Die der Bruͤcke Halbtheil ſchon
„Angegriffen und hinweggeraffet —
„Fuͤrchtet nicht dies Waſſerd[r]ohn,
„Ich bin Menſch, wie ihr zur Welt gekommen,
„Wagt doch, was ich wagen kann,
„Seht, da wo die Haͤuſer weggeſchwommen,
„Kommts auf Menſchenrettung an —

Alſo ſprach der Fuͤrſtenſohn und brannte
Von Begierde, da zu ſeyn,
Wo ſich zu dem Sturmgebieter wandte
Nothgedraͤngter Menſchen Schreyn.
Bald hinuͤber war die Fahrt gelungen,
Als ein Windſtoß ſie ergriff,
Ach, von einer Welle Wuth gedrungen,
Scheiterte das kleine Schiff
An der Wurzel einer alten Weide
Und die wilde Fluth verſchlang
Frankfurts Stolz und Ruhm und Augenfreude[!]
Mit dem Waſſertode rang
Leopold nur wenige Minuten
Seine Seele ſtieg empor
Schoͤner als durch vieler Wunden Bluten
In der Heldenſeelen Chor —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="2">
                <pb facs="#f0379" n="219"/>
                <l>&#x201E;Habt nur hier die Wellen angegaffet,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Die der Bru&#x0364;cke Halbtheil &#x017F;chon</l><lb/>
                <l>&#x201E;Angegriffen und hinweggeraffet &#x2014;</l><lb/>
                <l>&#x201E;Fu&#x0364;rchtet nicht dies Wa&#x017F;&#x017F;erd<supplied>r</supplied>ohn,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Ich bin Men&#x017F;ch, wie ihr zur Welt gekommen,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Wagt doch, was ich wagen kann,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Seht, da wo die Ha&#x0364;u&#x017F;er wegge&#x017F;chwommen,</l><lb/>
                <l>&#x201E;Kommts auf Men&#x017F;chenrettung an &#x2014;</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Al&#x017F;o &#x017F;prach der Fu&#x0364;r&#x017F;ten&#x017F;ohn und brannte</l><lb/>
                <l>Von Begierde, da zu &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>Wo &#x017F;ich zu dem Sturmgebieter wandte</l><lb/>
                <l>Nothgedra&#x0364;ngter Men&#x017F;chen Schreyn.</l><lb/>
                <l>Bald hinu&#x0364;ber war die Fahrt gelungen,</l><lb/>
                <l>Als ein Wind&#x017F;toß &#x017F;ie ergriff,</l><lb/>
                <l>Ach, von einer Welle Wuth gedrungen,</l><lb/>
                <l>Scheiterte das kleine Schiff</l><lb/>
                <l>An der Wurzel einer alten Weide</l><lb/>
                <l>Und die wilde Fluth ver&#x017F;chlang</l><lb/>
                <l>Frankfurts Stolz und Ruhm und Augenfreude<supplied>!</supplied></l><lb/>
                <l>Mit dem Wa&#x017F;&#x017F;ertode rang</l><lb/>
                <l>Leopold nur wenige Minuten</l><lb/>
                <l>Seine Seele &#x017F;tieg empor</l><lb/>
                <l>Scho&#x0364;ner als durch vieler Wunden Bluten</l><lb/>
                <l>In der Helden&#x017F;eelen Chor &#x2014;</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0379] „Habt nur hier die Wellen angegaffet, „Die der Bruͤcke Halbtheil ſchon „Angegriffen und hinweggeraffet — „Fuͤrchtet nicht dies Waſſerdrohn, „Ich bin Menſch, wie ihr zur Welt gekommen, „Wagt doch, was ich wagen kann, „Seht, da wo die Haͤuſer weggeſchwommen, „Kommts auf Menſchenrettung an — Alſo ſprach der Fuͤrſtenſohn und brannte Von Begierde, da zu ſeyn, Wo ſich zu dem Sturmgebieter wandte Nothgedraͤngter Menſchen Schreyn. Bald hinuͤber war die Fahrt gelungen, Als ein Windſtoß ſie ergriff, Ach, von einer Welle Wuth gedrungen, Scheiterte das kleine Schiff An der Wurzel einer alten Weide Und die wilde Fluth verſchlang Frankfurts Stolz und Ruhm und Augenfreude! Mit dem Waſſertode rang Leopold nur wenige Minuten Seine Seele ſtieg empor Schoͤner als durch vieler Wunden Bluten In der Heldenſeelen Chor —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/379
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/379>, abgerufen am 24.11.2024.