Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Zu einer Bruderwiege neu.
Als ich den Bruder groß getragen,
Trieb ich drei Rinder auf die Flur,
Und pries in meinen Hirtentagen
Vergnügt die Schönheit der Natur,
Ward früh ins Ehejoch gespannet,
Trugs zweimal nach einander schwer,
Und hätte mich wol nicht ermannet,
Wenn's nicht den Musen eigen wär,
Im Unglück und in bittern Stunden
Dem beizustehn, der ihre Huld
Vor der Geburt schon hat empfunden.
Sie gaben mir Muth und Geduld,
Und lehreten mich Lieder dichten,
Mit kleinen Kindern auf dem Schooß.
Bei Weib- und Magd- und Mutterpflichten,
Bei manchem Kummer, schwer und groß,
Sang ich den König und die Schlachten,
Die Ihm und seiner Heldenschaar
Unsterblichgrüne Kränze brachten,
Und hatte noch manch saures Jahr,
Eh frei von andrer Pflichten Drang
Mir Tage wurden zu Gesang! *)


*) Dies ist eine Skizze von der Dichterin Lebenslauf, und
deshalb hier eingerückt.
Zu einer Bruderwiege neu.
Als ich den Bruder groß getragen,
Trieb ich drei Rinder auf die Flur,
Und pries in meinen Hirtentagen
Vergnuͤgt die Schoͤnheit der Natur,
Ward fruͤh ins Ehejoch geſpannet,
Trugs zweimal nach einander ſchwer,
Und haͤtte mich wol nicht ermannet,
Wenn’s nicht den Muſen eigen waͤr,
Im Ungluͤck und in bittern Stunden
Dem beizuſtehn, der ihre Huld
Vor der Geburt ſchon hat empfunden.
Sie gaben mir Muth und Geduld,
Und lehreten mich Lieder dichten,
Mit kleinen Kindern auf dem Schooß.
Bei Weib- und Magd- und Mutterpflichten,
Bei manchem Kummer, ſchwer und groß,
Sang ich den Koͤnig und die Schlachten,
Die Ihm und ſeiner Heldenſchaar
Unſterblichgruͤne Kraͤnze brachten,
Und hatte noch manch ſaures Jahr,
Eh frei von andrer Pflichten Drang
Mir Tage wurden zu Geſang! *)


*) Dies iſt eine Skizze von der Dichterin Lebenslauf, und
deshalb hier eingeruͤckt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0358" n="198"/>
              <l>Zu einer Bruderwiege neu.</l><lb/>
              <l>Als ich den Bruder groß getragen,</l><lb/>
              <l>Trieb ich drei Rinder auf die Flur,</l><lb/>
              <l>Und pries in meinen Hirtentagen</l><lb/>
              <l>Vergnu&#x0364;gt die Scho&#x0364;nheit der Natur,</l><lb/>
              <l>Ward fru&#x0364;h ins Ehejoch ge&#x017F;pannet,</l><lb/>
              <l>Trugs zweimal nach einander &#x017F;chwer,</l><lb/>
              <l>Und ha&#x0364;tte mich wol nicht ermannet,</l><lb/>
              <l>Wenn&#x2019;s nicht den Mu&#x017F;en eigen wa&#x0364;r,</l><lb/>
              <l>Im Unglu&#x0364;ck und in bittern Stunden</l><lb/>
              <l>Dem beizu&#x017F;tehn, der ihre Huld</l><lb/>
              <l>Vor der Geburt &#x017F;chon hat empfunden.</l><lb/>
              <l>Sie gaben mir Muth und Geduld,</l><lb/>
              <l>Und lehreten mich Lieder dichten,</l><lb/>
              <l>Mit kleinen Kindern auf dem Schooß.</l><lb/>
              <l>Bei Weib- und Magd- und Mutterpflichten,</l><lb/>
              <l>Bei manchem Kummer, &#x017F;chwer und groß,</l><lb/>
              <l>Sang ich den Ko&#x0364;nig und die Schlachten,</l><lb/>
              <l>Die Ihm und &#x017F;einer Helden&#x017F;chaar</l><lb/>
              <l>Un&#x017F;terblichgru&#x0364;ne Kra&#x0364;nze brachten,</l><lb/>
              <l>Und hatte noch manch &#x017F;aures Jahr,</l><lb/>
              <l>Eh frei von andrer Pflichten Drang</l><lb/>
              <l>Mir Tage wurden zu Ge&#x017F;ang! <note place="foot" n="*)">Dies i&#x017F;t eine Skizze von der Dichterin Lebenslauf, und<lb/>
deshalb hier eingeru&#x0364;ckt.</note></l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0358] Zu einer Bruderwiege neu. Als ich den Bruder groß getragen, Trieb ich drei Rinder auf die Flur, Und pries in meinen Hirtentagen Vergnuͤgt die Schoͤnheit der Natur, Ward fruͤh ins Ehejoch geſpannet, Trugs zweimal nach einander ſchwer, Und haͤtte mich wol nicht ermannet, Wenn’s nicht den Muſen eigen waͤr, Im Ungluͤck und in bittern Stunden Dem beizuſtehn, der ihre Huld Vor der Geburt ſchon hat empfunden. Sie gaben mir Muth und Geduld, Und lehreten mich Lieder dichten, Mit kleinen Kindern auf dem Schooß. Bei Weib- und Magd- und Mutterpflichten, Bei manchem Kummer, ſchwer und groß, Sang ich den Koͤnig und die Schlachten, Die Ihm und ſeiner Heldenſchaar Unſterblichgruͤne Kraͤnze brachten, Und hatte noch manch ſaures Jahr, Eh frei von andrer Pflichten Drang Mir Tage wurden zu Geſang! *) *) Dies iſt eine Skizze von der Dichterin Lebenslauf, und deshalb hier eingeruͤckt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/358
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/358>, abgerufen am 18.12.2024.