Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Oden. Sie wird ihr sagen, wie du dich vergessen, Oft Stunden lang bey ihr am Sterbebett gesessen, Und ihren Schmerz beklagt, Und wie du sie, wenn sie voll Schmerzen stöhnte Nach ihrer Wünsche Ziel, nach welchem sie sich sehnte, So zärtlich hast gefragt. Freund, klage nicht, nein singe Lobgesänge; Denn auf ihr lag zu schwer mit ungeheurer Menge Von Qualen schon der Tod! Er saß in eingefallnen blassen Wangen, Und war der Frost des Fiebers nun vergangen So glüht' er in dem Roth. Nicht unerwartet kam er sie zu holen; Nein, lange schon ward dir, wann er gedroht, befohlen: Bereite dich! sey stark! So sey auch nun ein Mann in deiner Klage, Dein Kind ruht jetzt, und ihrer Krankheit Plage, Bleibt diesseits vor dem Sarg. Oden. Sie wird ihr ſagen, wie du dich vergeſſen, Oft Stunden lang bey ihr am Sterbebett geſeſſen, Und ihren Schmerz beklagt, Und wie du ſie, wenn ſie voll Schmerzen ſtoͤhnte Nach ihrer Wuͤnſche Ziel, nach welchem ſie ſich ſehnte, So zaͤrtlich haſt gefragt. Freund, klage nicht, nein ſinge Lobgeſaͤnge; Denn auf ihr lag zu ſchwer mit ungeheurer Menge Von Qualen ſchon der Tod! Er ſaß in eingefallnen blaſſen Wangen, Und war der Froſt des Fiebers nun vergangen So gluͤht’ er in dem Roth. Nicht unerwartet kam er ſie zu holen; Nein, lange ſchon ward dir, wann er gedroht, befohlen: Bereite dich! ſey ſtark! So ſey auch nun ein Mann in deiner Klage, Dein Kind ruht jetzt, und ihrer Krankheit Plage, Bleibt dieſſeits vor dem Sarg. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0186" n="142"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Oden.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem" n="7"> <l>Sie wird ihr ſagen, wie du dich vergeſſen,<lb/> Oft Stunden lang bey ihr am Sterbebett geſeſſen,<lb/> Und ihren Schmerz beklagt,<lb/> Und wie du ſie, wenn ſie voll Schmerzen ſtoͤhnte<lb/> Nach ihrer Wuͤnſche Ziel, nach welchem ſie ſich ſehnte,<lb/> So zaͤrtlich haſt gefragt.</l> </lg><lb/> <lg type="poem" n="1"> <l>Freund, klage nicht, nein ſinge Lobgeſaͤnge;<lb/> Denn auf ihr lag zu ſchwer mit ungeheurer Menge<lb/> Von Qualen ſchon der Tod!<lb/> Er ſaß in eingefallnen blaſſen Wangen,<lb/> Und war der Froſt des Fiebers nun vergangen<lb/> So gluͤht’ er in dem Roth.</l> </lg><lb/> <lg type="poem" n="2"> <l>Nicht unerwartet kam er ſie zu holen;<lb/> Nein, lange ſchon ward dir, wann er gedroht, befohlen:<lb/> Bereite dich! ſey ſtark!<lb/> So ſey auch nun ein Mann in deiner Klage,<lb/> Dein Kind ruht jetzt, und ihrer Krankheit Plage,<lb/> Bleibt dieſſeits vor dem Sarg.</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0186]
Oden.
Sie wird ihr ſagen, wie du dich vergeſſen,
Oft Stunden lang bey ihr am Sterbebett geſeſſen,
Und ihren Schmerz beklagt,
Und wie du ſie, wenn ſie voll Schmerzen ſtoͤhnte
Nach ihrer Wuͤnſche Ziel, nach welchem ſie ſich ſehnte,
So zaͤrtlich haſt gefragt.
Freund, klage nicht, nein ſinge Lobgeſaͤnge;
Denn auf ihr lag zu ſchwer mit ungeheurer Menge
Von Qualen ſchon der Tod!
Er ſaß in eingefallnen blaſſen Wangen,
Und war der Froſt des Fiebers nun vergangen
So gluͤht’ er in dem Roth.
Nicht unerwartet kam er ſie zu holen;
Nein, lange ſchon ward dir, wann er gedroht, befohlen:
Bereite dich! ſey ſtark!
So ſey auch nun ein Mann in deiner Klage,
Dein Kind ruht jetzt, und ihrer Krankheit Plage,
Bleibt dieſſeits vor dem Sarg.
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