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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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Einleitung.
mithin zugleich Anzeige auf ein übersinnliches Substrat
derselben; aber läßt dieses gänzlich unbestimmt.
Die Urtheilskraft verschaft durch ihr Princip a priori der Be-
urtheilung der Natur, nach möglichen besonderen Gesetzen
derselben, ihrem übersinnlichen Substrat (in uns sowohl
als außer uns) Bestimmbarkeit durchs intelle-
ctuelle Vermögen
. Die Vernunft aber giebt eben
demselben durch ihr practisches Gesetz a priori die
Bestimmung; und so macht die Urtheilskraft den Ue-
bergang vom Gebiete des Naturbegrifs zu dem des Frey-
heitsbegrifs möglich.

Jn Ansehung der Seelenvermögen überhaupt, so
fern sie als obere, d. i. als solche, die eine Avtonomie
enthalten, betrachtet werden, ist für das Erkenntnis-
vermögen
(das theoretische der Natur) der Verstand,
dasjenige, welches die constitutive Principien a
priori
enthält; für das Gefühl der Lust und Unlust
ist es die Urtheilskraft, unabhängig von Begriffen und
Empfindungen, die sich auf Bestimmung des Begeh-
rungsvermögens beziehen und dadurch unmittelbar pra-
ctisch seyn könnten; für das Begehrungsvermögen
die Vernunft, welche ohne Vermittelung irgend einer
Lust, woher sie auch komme, practisch ist und demselben,
als oberes Vermögen, den Endzweck bestimmt, der zu-
gleich das reine intellectuelle Wohlgefallen am Objecte
mit sich führt. -- Der Begrif der Urtheilskraft von ei-

Einleitung.
mithin zugleich Anzeige auf ein uͤberſinnliches Subſtrat
derſelben; aber laͤßt dieſes gaͤnzlich unbeſtimmt.
Die Urtheilskraft verſchaft durch ihr Princip a priori der Be-
urtheilung der Natur, nach moͤglichen beſonderen Geſetzen
derſelben, ihrem uͤberſinnlichen Subſtrat (in uns ſowohl
als außer uns) Beſtimmbarkeit durchs intelle-
ctuelle Vermoͤgen
. Die Vernunft aber giebt eben
demſelben durch ihr practiſches Geſetz a priori die
Beſtimmung; und ſo macht die Urtheilskraft den Ue-
bergang vom Gebiete des Naturbegrifs zu dem des Frey-
heitsbegrifs moͤglich.

Jn Anſehung der Seelenvermoͤgen uͤberhaupt, ſo
fern ſie als obere, d. i. als ſolche, die eine Avtonomie
enthalten, betrachtet werden, iſt fuͤr das Erkenntnis-
vermoͤgen
(das theoretiſche der Natur) der Verſtand,
dasjenige, welches die conſtitutive Principien a
priori
enthaͤlt; fuͤr das Gefuͤhl der Luſt und Unluſt
iſt es die Urtheilskraft, unabhaͤngig von Begriffen und
Empfindungen, die ſich auf Beſtimmung des Begeh-
rungsvermoͤgens beziehen und dadurch unmittelbar pra-
ctiſch ſeyn koͤnnten; fuͤr das Begehrungsvermoͤgen
die Vernunft, welche ohne Vermittelung irgend einer
Luſt, woher ſie auch komme, practiſch iſt und demſelben,
als oberes Vermoͤgen, den Endzweck beſtimmt, der zu-
gleich das reine intellectuelle Wohlgefallen am Objecte
mit ſich fuͤhrt. — Der Begrif der Urtheilskraft von ei-

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[LIIII[LIV]/0060] Einleitung. mithin zugleich Anzeige auf ein uͤberſinnliches Subſtrat derſelben; aber laͤßt dieſes gaͤnzlich unbeſtimmt. Die Urtheilskraft verſchaft durch ihr Princip a priori der Be- urtheilung der Natur, nach moͤglichen beſonderen Geſetzen derſelben, ihrem uͤberſinnlichen Subſtrat (in uns ſowohl als außer uns) Beſtimmbarkeit durchs intelle- ctuelle Vermoͤgen. Die Vernunft aber giebt eben demſelben durch ihr practiſches Geſetz a priori die Beſtimmung; und ſo macht die Urtheilskraft den Ue- bergang vom Gebiete des Naturbegrifs zu dem des Frey- heitsbegrifs moͤglich. Jn Anſehung der Seelenvermoͤgen uͤberhaupt, ſo fern ſie als obere, d. i. als ſolche, die eine Avtonomie enthalten, betrachtet werden, iſt fuͤr das Erkenntnis- vermoͤgen (das theoretiſche der Natur) der Verſtand, dasjenige, welches die conſtitutive Principien a priori enthaͤlt; fuͤr das Gefuͤhl der Luſt und Unluſt iſt es die Urtheilskraft, unabhaͤngig von Begriffen und Empfindungen, die ſich auf Beſtimmung des Begeh- rungsvermoͤgens beziehen und dadurch unmittelbar pra- ctiſch ſeyn koͤnnten; fuͤr das Begehrungsvermoͤgen die Vernunft, welche ohne Vermittelung irgend einer Luſt, woher ſie auch komme, practiſch iſt und demſelben, als oberes Vermoͤgen, den Endzweck beſtimmt, der zu- gleich das reine intellectuelle Wohlgefallen am Objecte mit ſich fuͤhrt. — Der Begrif der Urtheilskraft von ei-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. LIIII[LIV]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/60>, abgerufen am 08.05.2024.