sich sogleich von aller sittlichen Verbindlichkeit frey glaubte, müßte es doch mit der innern moralischen Gesinnung in ihm nur schlecht bestellt seyn.
Wir können also einen rechtschaffenen Mann an- nehmen, der sich festiglich überredet hält: es sey kein Gott und (weil es in Ansehung des Objects der Mo- ralität auf einerley Folge hinausläuft) auch kein künf- tiges Leben; wie wird er seine eigene innere Zweckbe- stimmung durchs moralische Gesetz, welches er thätig verehrt, beurtheilen? Er verlangt von Befolgung des- selben für sich keinen Vortheil, weder in dieser noch in einer andern Welt; uneigennützig will er vielmehr nur das Gute stiften, wozu jenes heilige Gesetz allen seinen Kräften die Richtung giebt. Aber sein Bestre- ben ist begrenzt und von der Natur kann er zwar hin und wieder einen zufälligen Beytritt, niemals aber eine gesetzmäßige und nach beständigen Regeln (so wie innerlich seine Maximen sind und seyn müssen) eintreffende Zusam- menstimmung der Natur zu dem Zwecke erwarten, wel- chen zu bewirken er sich doch verbunden und angetrie- ben fühlt. Betrug, Gewaltthätigkeit und Neid wer- den immer um ihn im Schwange geheu, ob er gleich selbst redlich, friedfertig und wohlwollend ist und die Rechtschaffenen, die er ausser sich noch antrift, wer- den, nnangesehen aller ihrer Würdigkeit glücklich zu seyn, dennoch durch die Natur, die darauf nicht ach-
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
ſich ſogleich von aller ſittlichen Verbindlichkeit frey glaubte, muͤßte es doch mit der innern moraliſchen Geſinnung in ihm nur ſchlecht beſtellt ſeyn.
Wir koͤnnen alſo einen rechtſchaffenen Mann an- nehmen, der ſich feſtiglich uͤberredet haͤlt: es ſey kein Gott und (weil es in Anſehung des Objects der Mo- ralitaͤt auf einerley Folge hinauslaͤuft) auch kein kuͤnf- tiges Leben; wie wird er ſeine eigene innere Zweckbe- ſtimmung durchs moraliſche Geſetz, welches er thaͤtig verehrt, beurtheilen? Er verlangt von Befolgung deſ- ſelben fuͤr ſich keinen Vortheil, weder in dieſer noch in einer andern Welt; uneigennuͤtzig will er vielmehr nur das Gute ſtiften, wozu jenes heilige Geſetz allen ſeinen Kraͤften die Richtung giebt. Aber ſein Beſtre- ben iſt begrenzt und von der Natur kann er zwar hin und wieder einen zufaͤlligen Beytritt, niemals aber eine geſetzmaͤßige und nach beſtaͤndigen Regeln (ſo wie innerlich ſeine Maximen ſind und ſeyn muͤſſen) eintreffende Zuſam- menſtimmung der Natur zu dem Zwecke erwarten, wel- chen zu bewirken er ſich doch verbunden und angetrie- ben fuͤhlt. Betrug, Gewaltthaͤtigkeit und Neid wer- den immer um ihn im Schwange geheu, ob er gleich ſelbſt redlich, friedfertig und wohlwollend iſt und die Rechtſchaffenen, die er auſſer ſich noch antrift, wer- den, nnangeſehen aller ihrer Wuͤrdigkeit gluͤcklich zu ſeyn, dennoch durch die Natur, die darauf nicht ach-
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
ſich ſogleich von aller ſittlichen Verbindlichkeit frey
glaubte, muͤßte es doch mit der innern moraliſchen
Geſinnung in ihm nur ſchlecht beſtellt ſeyn.
Wir koͤnnen alſo einen rechtſchaffenen Mann an-
nehmen, der ſich feſtiglich uͤberredet haͤlt: es ſey kein
Gott und (weil es in Anſehung des Objects der Mo-
ralitaͤt auf einerley Folge hinauslaͤuft) auch kein kuͤnf-
tiges Leben; wie wird er ſeine eigene innere Zweckbe-
ſtimmung durchs moraliſche Geſetz, welches er thaͤtig
verehrt, beurtheilen? Er verlangt von Befolgung deſ-
ſelben fuͤr ſich keinen Vortheil, weder in dieſer noch
in einer andern Welt; uneigennuͤtzig will er vielmehr
nur das Gute ſtiften, wozu jenes heilige Geſetz allen
ſeinen Kraͤften die Richtung giebt. Aber ſein Beſtre-
ben iſt begrenzt und von der Natur kann er zwar hin
und wieder einen zufaͤlligen Beytritt, niemals aber eine
geſetzmaͤßige und nach beſtaͤndigen Regeln (ſo wie innerlich
ſeine Maximen ſind und ſeyn muͤſſen) eintreffende Zuſam-
menſtimmung der Natur zu dem Zwecke erwarten, wel-
chen zu bewirken er ſich doch verbunden und angetrie-
ben fuͤhlt. Betrug, Gewaltthaͤtigkeit und Neid wer-
den immer um ihn im Schwange geheu, ob er gleich
ſelbſt redlich, friedfertig und wohlwollend iſt und die
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den, nnangeſehen aller ihrer Wuͤrdigkeit gluͤcklich zu
ſeyn, dennoch durch die Natur, die darauf nicht ach-
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/486>, abgerufen am 22.12.2024.
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