seyn kann, erwägt, (folglich der Körperlehre, der See- lenlehre und allgemeinen Weltwissenschaft) oder in der Gotteslehre (von dem Urgrunde der Welt als Jnbegrif aller Gegenstände der Erfahrung) angewiesen werden.
Nun frägt sich: welche Stelle gebührt der Teleolo- gie? gehört sie zur (eigentlich sogenannten) Naturwissen- schaft oder zur Theologie? Eins von beyden muß seyn; denn zum Uebergange aus einer in die andere kann gar keine Wissenschaft gehören, weil dieser nur die Articula- tion oder Organisatiou des Systems und keinen Platz in demselben bedeutet.
Daß sie in die Theologie als ein Theil derselben nicht gehöre, ob gleich in derselben von ihr der wichtigste Gebrauch gemacht werden kann, ist für sich selbst klar. Denn sie hat Naturerzeugungen und die Ursache dersel- ben zu ihrem Gegenstande und, ob sie gleich auf die letztere, als einen ausser und über die Natur belegenen Grund, (göttlichen Urheber), hinausweiset, so thut sie dieses doch nicht für die bestimmende, sondern nur um die Beurtheilung der Dinge in der Welt durch eine solche Jdee dem menschlichen Verstande angemessen, als regulatives Princip zu leiten, blos für die reflectirende Urtheilskraft in der Naturbetrachtung.
Eben so wenig scheint sie aber auch in die Natur- wissenschaft zu gehören, welche bestimmende und nicht blos reflectirende Principien bedarf, um von Naturwir- kungen objective Gründe anzugeben. Jn der That ist
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
ſeyn kann, erwaͤgt, (folglich der Koͤrperlehre, der See- lenlehre und allgemeinen Weltwiſſenſchaft) oder in der Gotteslehre (von dem Urgrunde der Welt als Jnbegrif aller Gegenſtaͤnde der Erfahrung) angewieſen werden.
Nun fraͤgt ſich: welche Stelle gebuͤhrt der Teleolo- gie? gehoͤrt ſie zur (eigentlich ſogenannten) Naturwiſſen- ſchaft oder zur Theologie? Eins von beyden muß ſeyn; denn zum Uebergange aus einer in die andere kann gar keine Wiſſenſchaft gehoͤren, weil dieſer nur die Articula- tion oder Organiſatiou des Syſtems und keinen Platz in demſelben bedeutet.
Daß ſie in die Theologie als ein Theil derſelben nicht gehoͤre, ob gleich in derſelben von ihr der wichtigſte Gebrauch gemacht werden kann, iſt fuͤr ſich ſelbſt klar. Denn ſie hat Naturerzeugungen und die Urſache derſel- ben zu ihrem Gegenſtande und, ob ſie gleich auf die letztere, als einen auſſer und uͤber die Natur belegenen Grund, (goͤttlichen Urheber), hinausweiſet, ſo thut ſie dieſes doch nicht fuͤr die beſtimmende, ſondern nur um die Beurtheilung der Dinge in der Welt durch eine ſolche Jdee dem menſchlichen Verſtande angemeſſen, als regulatives Princip zu leiten, blos fuͤr die reflectirende Urtheilskraft in der Naturbetrachtung.
Eben ſo wenig ſcheint ſie aber auch in die Natur- wiſſenſchaft zu gehoͤren, welche beſtimmende und nicht blos reflectirende Principien bedarf, um von Naturwir- kungen objective Gruͤnde anzugeben. Jn der That iſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0424"n="360"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/>ſeyn kann, erwaͤgt, (folglich der Koͤrperlehre, der See-<lb/>
lenlehre und allgemeinen Weltwiſſenſchaft) oder in der<lb/>
Gotteslehre (von dem Urgrunde der Welt als Jnbegrif<lb/>
aller Gegenſtaͤnde der Erfahrung) angewieſen werden.</p><lb/><p>Nun fraͤgt ſich: welche Stelle gebuͤhrt der Teleolo-<lb/>
gie? gehoͤrt ſie zur (eigentlich ſogenannten) Naturwiſſen-<lb/>ſchaft oder zur Theologie? Eins von beyden muß ſeyn;<lb/>
denn zum Uebergange aus einer in die andere kann gar<lb/>
keine Wiſſenſchaft gehoͤren, weil dieſer nur die Articula-<lb/>
tion oder Organiſatiou des Syſtems und keinen Platz in<lb/>
demſelben bedeutet.</p><lb/><p>Daß ſie in die Theologie als ein Theil derſelben<lb/>
nicht gehoͤre, ob gleich in derſelben von ihr der wichtigſte<lb/>
Gebrauch gemacht werden kann, iſt fuͤr ſich ſelbſt klar.<lb/>
Denn ſie hat Naturerzeugungen und die Urſache derſel-<lb/>
ben zu ihrem Gegenſtande und, ob ſie gleich auf die<lb/>
letztere, als einen auſſer und uͤber die Natur belegenen<lb/>
Grund, (goͤttlichen Urheber), hinausweiſet, ſo thut ſie<lb/>
dieſes doch nicht fuͤr die beſtimmende, ſondern nur um<lb/>
die Beurtheilung der Dinge in der Welt durch eine<lb/>ſolche Jdee dem menſchlichen Verſtande angemeſſen, als<lb/>
regulatives Princip zu leiten, blos fuͤr die reflectirende<lb/>
Urtheilskraft in der Naturbetrachtung.</p><lb/><p>Eben ſo wenig ſcheint ſie aber auch in die Natur-<lb/>
wiſſenſchaft zu gehoͤren, welche beſtimmende und nicht<lb/>
blos reflectirende Principien bedarf, um von Naturwir-<lb/>
kungen objective Gruͤnde anzugeben. Jn der That iſt<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[360/0424]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
ſeyn kann, erwaͤgt, (folglich der Koͤrperlehre, der See-
lenlehre und allgemeinen Weltwiſſenſchaft) oder in der
Gotteslehre (von dem Urgrunde der Welt als Jnbegrif
aller Gegenſtaͤnde der Erfahrung) angewieſen werden.
Nun fraͤgt ſich: welche Stelle gebuͤhrt der Teleolo-
gie? gehoͤrt ſie zur (eigentlich ſogenannten) Naturwiſſen-
ſchaft oder zur Theologie? Eins von beyden muß ſeyn;
denn zum Uebergange aus einer in die andere kann gar
keine Wiſſenſchaft gehoͤren, weil dieſer nur die Articula-
tion oder Organiſatiou des Syſtems und keinen Platz in
demſelben bedeutet.
Daß ſie in die Theologie als ein Theil derſelben
nicht gehoͤre, ob gleich in derſelben von ihr der wichtigſte
Gebrauch gemacht werden kann, iſt fuͤr ſich ſelbſt klar.
Denn ſie hat Naturerzeugungen und die Urſache derſel-
ben zu ihrem Gegenſtande und, ob ſie gleich auf die
letztere, als einen auſſer und uͤber die Natur belegenen
Grund, (goͤttlichen Urheber), hinausweiſet, ſo thut ſie
dieſes doch nicht fuͤr die beſtimmende, ſondern nur um
die Beurtheilung der Dinge in der Welt durch eine
ſolche Jdee dem menſchlichen Verſtande angemeſſen, als
regulatives Princip zu leiten, blos fuͤr die reflectirende
Urtheilskraft in der Naturbetrachtung.
Eben ſo wenig ſcheint ſie aber auch in die Natur-
wiſſenſchaft zu gehoͤren, welche beſtimmende und nicht
blos reflectirende Principien bedarf, um von Naturwir-
kungen objective Gruͤnde anzugeben. Jn der That iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/424>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.