§. 68. Von dem Princip der Teleologie als innerem Princip der Naturwissenschaft.
Die Principien einer Wissenschaft sind derselben ent- weder innerlich und werden einheimisch genant (princi- pia domestica), oder sie sind auf Begriffe, die nur ausser ihr ihren Platz finden können, gegründet und sind auswärtige Principien (peregrina). Wissenschaften welche die letzteren enthalten legen ihren Lehren Lehn- sätze (Lemmata) zum Grunde, d. i. sie borgen irgend einen Begrif und mit ihm einen Grund der Anordnung von einer anderen Wissenschaft.
Eine jede Wissenschaft ist für sich ein System und es ist nicht gnug in ihr nach Principien zu bauen und also technisch zu verfahren, sondern man muß mit ihr, als einem für sich bestehenden Gebäude, auch architecto- nisch zu Werke gehen und sie nicht, wie einen Anbau und als einen Theil eines andern Gebäudes sondern als ein Ganzes für sich behandeln, ob man gleich nachher einen Uebergang aus diesem in jenes oder wechselseitig errichten kann.
Wenn man also für die Naturwissenschaft und in ihren Context den Begrif von Gott hereinbringt, um sich die Zweckmäßigkeit in der Natur erklärlich zu machen und hernach diese Zweckmäßigkeit wiederum braucht, um zu beweisen, daß ein Gott sey: so ist in keiner von bey-
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
§. 68. Von dem Princip der Teleologie als innerem Princip der Naturwiſſenſchaft.
Die Principien einer Wiſſenſchaft ſind derſelben ent- weder innerlich und werden einheimiſch genant (princi- pia domeſtica), oder ſie ſind auf Begriffe, die nur auſſer ihr ihren Platz finden koͤnnen, gegruͤndet und ſind auswaͤrtige Principien (peregrina). Wiſſenſchaften welche die letzteren enthalten legen ihren Lehren Lehn- ſaͤtze (Lemmata) zum Grunde, d. i. ſie borgen irgend einen Begrif und mit ihm einen Grund der Anordnung von einer anderen Wiſſenſchaft.
Eine jede Wiſſenſchaft iſt fuͤr ſich ein Syſtem und es iſt nicht gnug in ihr nach Principien zu bauen und alſo techniſch zu verfahren, ſondern man muß mit ihr, als einem fuͤr ſich beſtehenden Gebaͤude, auch architecto- niſch zu Werke gehen und ſie nicht, wie einen Anbau und als einen Theil eines andern Gebaͤudes ſondern als ein Ganzes fuͤr ſich behandeln, ob man gleich nachher einen Uebergang aus dieſem in jenes oder wechſelſeitig errichten kann.
Wenn man alſo fuͤr die Naturwiſſenſchaft und in ihren Context den Begrif von Gott hereinbringt, um ſich die Zweckmaͤßigkeit in der Natur erklaͤrlich zu machen und hernach dieſe Zweckmaͤßigkeit wiederum braucht, um zu beweiſen, daß ein Gott ſey: ſo iſt in keiner von bey-
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
§. 68.
Von dem Princip der Teleologie als innerem
Princip der Naturwiſſenſchaft.
Die Principien einer Wiſſenſchaft ſind derſelben ent-
weder innerlich und werden einheimiſch genant (princi-
pia domeſtica), oder ſie ſind auf Begriffe, die nur auſſer
ihr ihren Platz finden koͤnnen, gegruͤndet und ſind
auswaͤrtige Principien (peregrina). Wiſſenſchaften
welche die letzteren enthalten legen ihren Lehren Lehn-
ſaͤtze (Lemmata) zum Grunde, d. i. ſie borgen irgend
einen Begrif und mit ihm einen Grund der Anordnung
von einer anderen Wiſſenſchaft.
Eine jede Wiſſenſchaft iſt fuͤr ſich ein Syſtem und
es iſt nicht gnug in ihr nach Principien zu bauen und
alſo techniſch zu verfahren, ſondern man muß mit ihr,
als einem fuͤr ſich beſtehenden Gebaͤude, auch architecto-
niſch zu Werke gehen und ſie nicht, wie einen Anbau
und als einen Theil eines andern Gebaͤudes ſondern als
ein Ganzes fuͤr ſich behandeln, ob man gleich nachher
einen Uebergang aus dieſem in jenes oder wechſelſeitig
errichten kann.
Wenn man alſo fuͤr die Naturwiſſenſchaft und in
ihren Context den Begrif von Gott hereinbringt, um
ſich die Zweckmaͤßigkeit in der Natur erklaͤrlich zu machen
und hernach dieſe Zweckmaͤßigkeit wiederum braucht, um
zu beweiſen, daß ein Gott ſey: ſo iſt in keiner von bey-
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/365>, abgerufen am 29.11.2024.
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