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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
welche Eigenschaften zusammen verbunden die der
Menschheit angemessene Geselligkeit ausmachen, wo-
durch sie sich von der thierischen Eingeschränktheit un-
terscheidet. Das Zeitalter sowohl, als die Völker, in
welchen der rege Trieb zur gesetzlichen Geselligkeit,
wodurch ein Volk ein dauerndes gemeines Wesen aus-
macht, mit den großen Schwierigkeiten rang, welche
die schwere Aufgabe, Freyheit (und also auch Gleich-
heit) mit einem Zwange (mehr der Achtung und Unter-
werfung aus Pflicht als Furcht) zu vereinigen, umgeben,
ein solches Zeitalter und ein solches Volk mußte die
Kunst der wechselseitigen Mittheilung der Jdeen des aus-
gebildetesten Theils mit dem roheren, die Abstimmung
der Erweiterung und Verfeinerung der ersteren zur na-
türlichen Einfalt und Originalität der letzteren und auf
diese Art dasjenige Mittel zwischen der höheren Cultur
und der genugsamen Natur zuerst erfinden, welches den
richtigen, nach keinen allgemeinen Regeln anzugebenden
Maasstab auch für den Geschmack, als allgemeinen
Menschensinn, ausmacht.

Schwerlich wird ein späteres Zeitalter jene Muster
entbehrlich machen; weil es der Natur immer weniger
nahe seyn wird und sich zuletzt, ohne bleibende Beyspiele
von ihr zu haben, kaum einen Begrif von der glücklichen
Vereinigung des gesetzlichen Zwanges der höchsten Cul-
tur mit der Kraft und Richtigkeit der ihren eigenen

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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
welche Eigenſchaften zuſammen verbunden die der
Menſchheit angemeſſene Geſelligkeit ausmachen, wo-
durch ſie ſich von der thieriſchen Eingeſchraͤnktheit un-
terſcheidet. Das Zeitalter ſowohl, als die Voͤlker, in
welchen der rege Trieb zur geſetzlichen Geſelligkeit,
wodurch ein Volk ein dauerndes gemeines Weſen aus-
macht, mit den großen Schwierigkeiten rang, welche
die ſchwere Aufgabe, Freyheit (und alſo auch Gleich-
heit) mit einem Zwange (mehr der Achtung und Unter-
werfung aus Pflicht als Furcht) zu vereinigen, umgeben,
ein ſolches Zeitalter und ein ſolches Volk mußte die
Kunſt der wechſelſeitigen Mittheilung der Jdeen des aus-
gebildeteſten Theils mit dem roheren, die Abſtimmung
der Erweiterung und Verfeinerung der erſteren zur na-
tuͤrlichen Einfalt und Originalitaͤt der letzteren und auf
dieſe Art dasjenige Mittel zwiſchen der hoͤheren Cultur
und der genugſamen Natur zuerſt erfinden, welches den
richtigen, nach keinen allgemeinen Regeln anzugebenden
Maasſtab auch fuͤr den Geſchmack, als allgemeinen
Menſchenſinn, ausmacht.

Schwerlich wird ein ſpaͤteres Zeitalter jene Muſter
entbehrlich machen; weil es der Natur immer weniger
nahe ſeyn wird und ſich zuletzt, ohne bleibende Beyſpiele
von ihr zu haben, kaum einen Begrif von der gluͤcklichen
Vereinigung des geſetzlichen Zwanges der hoͤchſten Cul-
tur mit der Kraft und Richtigkeit der ihren eigenen

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[259/0323] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. welche Eigenſchaften zuſammen verbunden die der Menſchheit angemeſſene Geſelligkeit ausmachen, wo- durch ſie ſich von der thieriſchen Eingeſchraͤnktheit un- terſcheidet. Das Zeitalter ſowohl, als die Voͤlker, in welchen der rege Trieb zur geſetzlichen Geſelligkeit, wodurch ein Volk ein dauerndes gemeines Weſen aus- macht, mit den großen Schwierigkeiten rang, welche die ſchwere Aufgabe, Freyheit (und alſo auch Gleich- heit) mit einem Zwange (mehr der Achtung und Unter- werfung aus Pflicht als Furcht) zu vereinigen, umgeben, ein ſolches Zeitalter und ein ſolches Volk mußte die Kunſt der wechſelſeitigen Mittheilung der Jdeen des aus- gebildeteſten Theils mit dem roheren, die Abſtimmung der Erweiterung und Verfeinerung der erſteren zur na- tuͤrlichen Einfalt und Originalitaͤt der letzteren und auf dieſe Art dasjenige Mittel zwiſchen der hoͤheren Cultur und der genugſamen Natur zuerſt erfinden, welches den richtigen, nach keinen allgemeinen Regeln anzugebenden Maasſtab auch fuͤr den Geſchmack, als allgemeinen Menſchenſinn, ausmacht. Schwerlich wird ein ſpaͤteres Zeitalter jene Muſter entbehrlich machen; weil es der Natur immer weniger nahe ſeyn wird und ſich zuletzt, ohne bleibende Beyſpiele von ihr zu haben, kaum einen Begrif von der gluͤcklichen Vereinigung des geſetzlichen Zwanges der hoͤchſten Cul- tur mit der Kraft und Richtigkeit der ihren eigenen R 2

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/323>, abgerufen am 25.11.2024.