Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft. demonstrativ, die zweyte vermittelst einer Analogie, (zuwelcher man sich auch empirischer Anschauungen bedient) in welcher die Urtheilskraft ein doppeltes Geschäfte ver- richtet, erstlich den Begrif auf den Gegenstand einer sinnlichen Anschauung und dann zweytens die bloße Re- gel der Reflexion über jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Sym- bol ist, anzuwenden. So wird ein monarchischer Staat durch einen beseelten Körper, wenn er nach inneren Volksgesetzen, durch eine bloße Maschine aber, (wie etwa eine Handmühle) wenn er durch einen einzelnen absoluten Willen beherrscht wird, in beyden Fällen aber nur symbolisch vorgestellt. Denn, zwischen einem despotischen Staate und einer Handmühle ist zwar keine Aehnlichkeit, wohl aber zwischen der Regel über beyde und ihre Caussalität zu reflectiren. Dies Geschäfte ist bis jetzt noch wenig auseinandergesetzt worden, so sehr es auch eine tiefere Untersuchung verdient; allein hier ist nicht der Ort sich dabey aufzuhalten. Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirecten Darstellungen, nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigent- liche Schema für den Begrif, sondern blos ein Symbol für die Reflexion enthält. So sind die Wörter Grund (Stütze, Basis), Abhängen (von oben gehalten wer- den), woraus fließen (statt folgen), Substanz (wie Locke sich ausdrückt: der Träger der Accidenzen) und unzähliche andere nicht schematische, sondern symbolische I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. demonſtrativ, die zweyte vermittelſt einer Analogie, (zuwelcher man ſich auch empiriſcher Anſchauungen bedient) in welcher die Urtheilskraft ein doppeltes Geſchaͤfte ver- richtet, erſtlich den Begrif auf den Gegenſtand einer ſinnlichen Anſchauung und dann zweytens die bloße Re- gel der Reflexion uͤber jene Anſchauung auf einen ganz andern Gegenſtand, von dem der erſtere nur das Sym- bol iſt, anzuwenden. So wird ein monarchiſcher Staat durch einen beſeelten Koͤrper, wenn er nach inneren Volksgeſetzen, durch eine bloße Maſchine aber, (wie etwa eine Handmuͤhle) wenn er durch einen einzelnen abſoluten Willen beherrſcht wird, in beyden Faͤllen aber nur ſymboliſch vorgeſtellt. Denn, zwiſchen einem despotiſchen Staate und einer Handmuͤhle iſt zwar keine Aehnlichkeit, wohl aber zwiſchen der Regel uͤber beyde und ihre Cauſſalitaͤt zu reflectiren. Dies Geſchaͤfte iſt bis jetzt noch wenig auseinandergeſetzt worden, ſo ſehr es auch eine tiefere Unterſuchung verdient; allein hier iſt nicht der Ort ſich dabey aufzuhalten. Unſere Sprache iſt voll von dergleichen indirecten Darſtellungen, nach einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigent- liche Schema fuͤr den Begrif, ſondern blos ein Symbol fuͤr die Reflexion enthaͤlt. So ſind die Woͤrter Grund (Stuͤtze, Baſis), Abhaͤngen (von oben gehalten wer- den), woraus fließen (ſtatt folgen), Subſtanz (wie Locke ſich ausdruͤckt: der Traͤger der Accidenzen) und unzaͤhliche andere nicht ſchematiſche, ſondern ſymboliſche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0317" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. 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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
demonſtrativ, die zweyte vermittelſt einer Analogie, (zu
welcher man ſich auch empiriſcher Anſchauungen bedient)
in welcher die Urtheilskraft ein doppeltes Geſchaͤfte ver-
richtet, erſtlich den Begrif auf den Gegenſtand einer
ſinnlichen Anſchauung und dann zweytens die bloße Re-
gel der Reflexion uͤber jene Anſchauung auf einen ganz
andern Gegenſtand, von dem der erſtere nur das Sym-
bol iſt, anzuwenden. So wird ein monarchiſcher Staat
durch einen beſeelten Koͤrper, wenn er nach inneren
Volksgeſetzen, durch eine bloße Maſchine aber, (wie
etwa eine Handmuͤhle) wenn er durch einen einzelnen
abſoluten Willen beherrſcht wird, in beyden Faͤllen aber
nur ſymboliſch vorgeſtellt. Denn, zwiſchen einem
despotiſchen Staate und einer Handmuͤhle iſt zwar keine
Aehnlichkeit, wohl aber zwiſchen der Regel uͤber beyde
und ihre Cauſſalitaͤt zu reflectiren. Dies Geſchaͤfte iſt
bis jetzt noch wenig auseinandergeſetzt worden, ſo ſehr
es auch eine tiefere Unterſuchung verdient; allein hier iſt
nicht der Ort ſich dabey aufzuhalten. Unſere Sprache
iſt voll von dergleichen indirecten Darſtellungen, nach
einer Analogie, wodurch der Ausdruck nicht das eigent-
liche Schema fuͤr den Begrif, ſondern blos ein Symbol
fuͤr die Reflexion enthaͤlt. So ſind die Woͤrter Grund
(Stuͤtze, Baſis), Abhaͤngen (von oben gehalten wer-
den), woraus fließen (ſtatt folgen), Subſtanz (wie
Locke ſich ausdruͤckt: der Traͤger der Accidenzen) und
unzaͤhliche andere nicht ſchematiſche, ſondern ſymboliſche
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