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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
Ball, noch eine Zeit durch hin und herschlagen, indem wir
blos gemeynt sind ihn zu greifen und fest zu halten. Es ist
hier nicht die Abfertigung eines Lügners oder Dummkopfs,
welche das Vergnügen erweckt; denn auch für sich würde die
letztere mit angenommenen Ernst erzählte Geschichte in eine
Gesellschaft ein helles Lachen versetzen und jenes wäre ge-
wöhnlichermaßen auch der Mühe nicht werth.

Merkwürdig ist daß in allen solchen Fällen der Spas
immer etwas in sich enthalten muß, welches auf einen
Augenblick täuschen kann; daher, wenn der Schein in
Nichts verschwindet, das Gemüth wieder zurücksieht um
es mit ihm noch einmal zu versuchen und so durch schnell
hinter einander folgende Anspannung und Abspannung hin
und zurückgeschnellt und in Schwankung gesetzt wird, die,
weil der Absprung von dem, was gleichsam die Saite
anzog, plötzlich (nicht durch ein allmähliges Nachlassen)
geschah, eine Gemüthsbewegung und mit ihr harmoni-
rende inwendige körperliche verursachen muß, die unwill-
kührlich fortdauert und Ermüdung, dabey aber auch Auf-
heiterung, die Wirkungen einer zur Gesundheit gereichen-
den Motion, hervorbringt.

Denn, wenn man annimmt, daß mit allen unsern
Gedanken zugleich irgend eine Bewegung in den Organen
des Körpers harmonisch verbunden sey, so wird man so
ziemlich begreifen, wie jener plötzlichen Versetzung des
Gemüths bald in einen bald in den andern Standpunct,
um seinen Gegenstand zu betrachten, eine wechselseitige
Anspannung und Loslassung der elastischen Theile unserer
Eingeweide, die sich dem Zwergfell mittheilt, correspondi-
ren könne, welche (gleich derjenigen welche, kitzliche Leute
fühlen) die Luft mit schnell einander folgenden Absätzen
ausstößt und so eine der Gesundheit zuträgliche Bewe-

gung

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Ball, noch eine Zeit durch hin und herſchlagen, indem wir
blos gemeynt ſind ihn zu greifen und feſt zu halten. Es iſt
hier nicht die Abfertigung eines Luͤgners oder Dummkopfs,
welche das Vergnuͤgen erweckt; denn auch fuͤr ſich wuͤrde die
letztere mit angenommenen Ernſt erzaͤhlte Geſchichte in eine
Geſellſchaft ein helles Lachen verſetzen und jenes waͤre ge-
woͤhnlichermaßen auch der Muͤhe nicht werth.

Merkwuͤrdig iſt daß in allen ſolchen Faͤllen der Spas
immer etwas in ſich enthalten muß, welches auf einen
Augenblick taͤuſchen kann; daher, wenn der Schein in
Nichts verſchwindet, das Gemuͤth wieder zuruͤckſieht um
es mit ihm noch einmal zu verſuchen und ſo durch ſchnell
hinter einander folgende Anſpannung und Abſpannung hin
und zuruͤckgeſchnellt und in Schwankung geſetzt wird, die,
weil der Abſprung von dem, was gleichſam die Saite
anzog, ploͤtzlich (nicht durch ein allmaͤhliges Nachlaſſen)
geſchah, eine Gemuͤthsbewegung und mit ihr harmoni-
rende inwendige koͤrperliche verurſachen muß, die unwill-
kuͤhrlich fortdauert und Ermuͤdung, dabey aber auch Auf-
heiterung, die Wirkungen einer zur Geſundheit gereichen-
den Motion, hervorbringt.

Denn, wenn man annimmt, daß mit allen unſern
Gedanken zugleich irgend eine Bewegung in den Organen
des Koͤrpers harmoniſch verbunden ſey, ſo wird man ſo
ziemlich begreifen, wie jener ploͤtzlichen Verſetzung des
Gemuͤths bald in einen bald in den andern Standpunct,
um ſeinen Gegenſtand zu betrachten, eine wechſelſeitige
Anſpannung und Loslaſſung der elaſtiſchen Theile unſerer
Eingeweide, die ſich dem Zwergfell mittheilt, correſpondi-
ren koͤnne, welche (gleich derjenigen welche, kitzliche Leute
fuͤhlen) die Luft mit ſchnell einander folgenden Abſaͤtzen
ausſtoͤßt und ſo eine der Geſundheit zutraͤgliche Bewe-

gung
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[224/0288] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. Ball, noch eine Zeit durch hin und herſchlagen, indem wir blos gemeynt ſind ihn zu greifen und feſt zu halten. Es iſt hier nicht die Abfertigung eines Luͤgners oder Dummkopfs, welche das Vergnuͤgen erweckt; denn auch fuͤr ſich wuͤrde die letztere mit angenommenen Ernſt erzaͤhlte Geſchichte in eine Geſellſchaft ein helles Lachen verſetzen und jenes waͤre ge- woͤhnlichermaßen auch der Muͤhe nicht werth. Merkwuͤrdig iſt daß in allen ſolchen Faͤllen der Spas immer etwas in ſich enthalten muß, welches auf einen Augenblick taͤuſchen kann; daher, wenn der Schein in Nichts verſchwindet, das Gemuͤth wieder zuruͤckſieht um es mit ihm noch einmal zu verſuchen und ſo durch ſchnell hinter einander folgende Anſpannung und Abſpannung hin und zuruͤckgeſchnellt und in Schwankung geſetzt wird, die, weil der Abſprung von dem, was gleichſam die Saite anzog, ploͤtzlich (nicht durch ein allmaͤhliges Nachlaſſen) geſchah, eine Gemuͤthsbewegung und mit ihr harmoni- rende inwendige koͤrperliche verurſachen muß, die unwill- kuͤhrlich fortdauert und Ermuͤdung, dabey aber auch Auf- heiterung, die Wirkungen einer zur Geſundheit gereichen- den Motion, hervorbringt. Denn, wenn man annimmt, daß mit allen unſern Gedanken zugleich irgend eine Bewegung in den Organen des Koͤrpers harmoniſch verbunden ſey, ſo wird man ſo ziemlich begreifen, wie jener ploͤtzlichen Verſetzung des Gemuͤths bald in einen bald in den andern Standpunct, um ſeinen Gegenſtand zu betrachten, eine wechſelſeitige Anſpannung und Loslaſſung der elaſtiſchen Theile unſerer Eingeweide, die ſich dem Zwergfell mittheilt, correſpondi- ren koͤnne, welche (gleich derjenigen welche, kitzliche Leute fuͤhlen) die Luft mit ſchnell einander folgenden Abſaͤtzen ausſtoͤßt und ſo eine der Geſundheit zutraͤgliche Bewe- gung

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/288>, abgerufen am 27.11.2024.