ihn mehrerer solcher Lust und Unterhaltung empfänglich macht, nicht in der Materie der Empfindung (dem Reitze oder der Rührung), wo es blos auf Genuß ange- legt ist, welcher nichts in der Jdee zurückläßt, den Geist stumpf, den Gegenstand aneckelnd und das Gemüth, durch das Bewustseyn seiner im Urtheile der Vernunft zweckwidrigen Stimmung, mit sich selbst unzufrieden und launisch macht.
Wenn die schöne Künste nicht, nahe oder fern, mit moralischen Jdeen in Verbindung gebracht werden, die allein ein selbstständiges Wohlgefallen bey sich führen, so ist das letztere ihr endliches Schicksal. Sie dienen als- denn nur zur Zerstreuung, deren man immer desto mehr bedürftig wird, als man sich ihrer bedient, um die Unzu- friedenheit des Gemüths mit sich selbst dadurch zu ver- treiben, daß man sich immer noch unnützlicher und mit sich selbst unzufriedener macht: Ueberhaupt sind die Schön- heiten der Natur zu der ersteren Absicht am zuträglich- sten, wenn man frühe dazu gewohnt wird, sie zu beob- achten, zu beurtheilen und zu bewundern.
§. 53. Vergleichung des ästhetischen Werths der schönen Künste untereinander.
Unter allen behauptet die Dichtkunst (die fast gänzlich dem Genie ihren Ursprung verdankt und am wenigsten durch Vorschrift, oder durch Beyspiele geleitet
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ihn mehrerer ſolcher Luſt und Unterhaltung empfaͤnglich macht, nicht in der Materie der Empfindung (dem Reitze oder der Ruͤhrung), wo es blos auf Genuß ange- legt iſt, welcher nichts in der Jdee zuruͤcklaͤßt, den Geiſt ſtumpf, den Gegenſtand aneckelnd und das Gemuͤth, durch das Bewuſtſeyn ſeiner im Urtheile der Vernunft zweckwidrigen Stimmung, mit ſich ſelbſt unzufrieden und launiſch macht.
Wenn die ſchoͤne Kuͤnſte nicht, nahe oder fern, mit moraliſchen Jdeen in Verbindung gebracht werden, die allein ein ſelbſtſtaͤndiges Wohlgefallen bey ſich fuͤhren, ſo iſt das letztere ihr endliches Schickſal. Sie dienen als- denn nur zur Zerſtreuung, deren man immer deſto mehr beduͤrftig wird, als man ſich ihrer bedient, um die Unzu- friedenheit des Gemuͤths mit ſich ſelbſt dadurch zu ver- treiben, daß man ſich immer noch unnuͤtzlicher und mit ſich ſelbſt unzufriedener macht: Ueberhaupt ſind die Schoͤn- heiten der Natur zu der erſteren Abſicht am zutraͤglich- ſten, wenn man fruͤhe dazu gewohnt wird, ſie zu beob- achten, zu beurtheilen und zu bewundern.
§. 53. Vergleichung des aͤſthetiſchen Werths der ſchoͤnen Kuͤnſte untereinander.
Unter allen behauptet die Dichtkunſt (die faſt gaͤnzlich dem Genie ihren Urſprung verdankt und am wenigſten durch Vorſchrift, oder durch Beyſpiele geleitet
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ihn mehrerer ſolcher Luſt und Unterhaltung empfaͤnglich
macht, nicht in der Materie der Empfindung (dem
Reitze oder der Ruͤhrung), wo es blos auf Genuß ange-
legt iſt, welcher nichts in der Jdee zuruͤcklaͤßt, den Geiſt
ſtumpf, den Gegenſtand aneckelnd und das Gemuͤth,
durch das Bewuſtſeyn ſeiner im Urtheile der Vernunft
zweckwidrigen Stimmung, mit ſich ſelbſt unzufrieden und
launiſch macht.
Wenn die ſchoͤne Kuͤnſte nicht, nahe oder fern, mit
moraliſchen Jdeen in Verbindung gebracht werden, die
allein ein ſelbſtſtaͤndiges Wohlgefallen bey ſich fuͤhren, ſo
iſt das letztere ihr endliches Schickſal. Sie dienen als-
denn nur zur Zerſtreuung, deren man immer deſto mehr
beduͤrftig wird, als man ſich ihrer bedient, um die Unzu-
friedenheit des Gemuͤths mit ſich ſelbſt dadurch zu ver-
treiben, daß man ſich immer noch unnuͤtzlicher und mit
ſich ſelbſt unzufriedener macht: Ueberhaupt ſind die Schoͤn-
heiten der Natur zu der erſteren Abſicht am zutraͤglich-
ſten, wenn man fruͤhe dazu gewohnt wird, ſie zu beob-
achten, zu beurtheilen und zu bewundern.
§. 53.
Vergleichung des aͤſthetiſchen Werths der
ſchoͤnen Kuͤnſte untereinander.
Unter allen behauptet die Dichtkunſt (die faſt
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/276>, abgerufen am 29.11.2024.
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