Erfahrung unterlegen muß, sie selbst aber niemals zu einem Erkenntnisse erheben und erweitern kann.
Es giebt also ein unbegränztes, aber auch unzu- gängliches Feld für unser gesammtes Erkenntnisvermö- gen, nämlich das Feld des Uebersinnlichen, worinn wir keinen Boden für uns finden, also auf demselben weder für die Verstandes - noch Vernunftbegriffe ein Gebiet zum theoretischen Erkenntnis haben können; ein Feld, wel- ches wir zwar zum Behuf des theoretischen sowohl als practischen Gebrauchs der Vernunft mit Jdeen besetzen müssen, denen wir in Beziehung auf die Gesetze aus dem Freyheitsbegriffe, keine andere als practische Realität verschaffen können, wodurch demnach unser theoretisches Erkenntnis nicht im Mindesten zu dem Uebersinnlichen er- weitert wird.
Ob nun zwar eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiete des Naturbegrifs, also dem Sinnlichen, und dem Gebiete des Freyheitsbegrifs, als dem Uebersinnli- chen, befestigt ist, so daß von dem ersteren zum anderen (also vermittelst des theoretischen Gebrauchs der Ver- nunft) kein Uebergang möglich ist, gleich als ob es so viel verschiedene Welten wären, davon die erste auf die zweyte keinen Einflus haben kann: so soll doch diese auf jene einen Einfluß haben, nämlich der Freyheitsbegrif den durch seine Gesetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen, und die Natur muß folglich auch so ge- dacht werden können, daß die Gesetzmäßigkeit ihrer Form
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Einleitung.
Erfahrung unterlegen muß, ſie ſelbſt aber niemals zu einem Erkenntniſſe erheben und erweitern kann.
Es giebt alſo ein unbegraͤnztes, aber auch unzu- gaͤngliches Feld fuͤr unſer geſammtes Erkenntnisvermoͤ- gen, naͤmlich das Feld des Ueberſinnlichen, worinn wir keinen Boden fuͤr uns finden, alſo auf demſelben weder fuͤr die Verſtandes - noch Vernunftbegriffe ein Gebiet zum theoretiſchen Erkenntnis haben koͤnnen; ein Feld, wel- ches wir zwar zum Behuf des theoretiſchen ſowohl als practiſchen Gebrauchs der Vernunft mit Jdeen beſetzen muͤſſen, denen wir in Beziehung auf die Geſetze aus dem Freyheitsbegriffe, keine andere als practiſche Realitaͤt verſchaffen koͤnnen, wodurch demnach unſer theoretiſches Erkenntnis nicht im Mindeſten zu dem Ueberſinnlichen er- weitert wird.
Ob nun zwar eine unuͤberſehbare Kluft zwiſchen dem Gebiete des Naturbegrifs, alſo dem Sinnlichen, und dem Gebiete des Freyheitsbegrifs, als dem Ueberſinnli- chen, befeſtigt iſt, ſo daß von dem erſteren zum anderen (alſo vermittelſt des theoretiſchen Gebrauchs der Ver- nunft) kein Uebergang moͤglich iſt, gleich als ob es ſo viel verſchiedene Welten waͤren, davon die erſte auf die zweyte keinen Einflus haben kann: ſo ſoll doch dieſe auf jene einen Einfluß haben, naͤmlich der Freyheitsbegrif den durch ſeine Geſetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen, und die Natur muß folglich auch ſo ge- dacht werden koͤnnen, daß die Geſetzmaͤßigkeit ihrer Form
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[XIX/0025]
Einleitung.
Erfahrung unterlegen muß, ſie ſelbſt aber niemals zu
einem Erkenntniſſe erheben und erweitern kann.
Es giebt alſo ein unbegraͤnztes, aber auch unzu-
gaͤngliches Feld fuͤr unſer geſammtes Erkenntnisvermoͤ-
gen, naͤmlich das Feld des Ueberſinnlichen, worinn wir
keinen Boden fuͤr uns finden, alſo auf demſelben weder
fuͤr die Verſtandes - noch Vernunftbegriffe ein Gebiet zum
theoretiſchen Erkenntnis haben koͤnnen; ein Feld, wel-
ches wir zwar zum Behuf des theoretiſchen ſowohl als
practiſchen Gebrauchs der Vernunft mit Jdeen beſetzen
muͤſſen, denen wir in Beziehung auf die Geſetze aus dem
Freyheitsbegriffe, keine andere als practiſche Realitaͤt
verſchaffen koͤnnen, wodurch demnach unſer theoretiſches
Erkenntnis nicht im Mindeſten zu dem Ueberſinnlichen er-
weitert wird.
Ob nun zwar eine unuͤberſehbare Kluft zwiſchen dem
Gebiete des Naturbegrifs, alſo dem Sinnlichen, und
dem Gebiete des Freyheitsbegrifs, als dem Ueberſinnli-
chen, befeſtigt iſt, ſo daß von dem erſteren zum anderen
(alſo vermittelſt des theoretiſchen Gebrauchs der Ver-
nunft) kein Uebergang moͤglich iſt, gleich als ob es ſo
viel verſchiedene Welten waͤren, davon die erſte auf die
zweyte keinen Einflus haben kann: ſo ſoll doch dieſe auf
jene einen Einfluß haben, naͤmlich der Freyheitsbegrif den
durch ſeine Geſetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt
wirklich machen, und die Natur muß folglich auch ſo ge-
dacht werden koͤnnen, daß die Geſetzmaͤßigkeit ihrer Form
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/25>, abgerufen am 05.12.2024.
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