stand, ohne darüber den Philosophen zu Rathe zu ziehen, ausrichten können!
Ich will hier nicht das Verdienst rühmen, das Phi- losophie durch die mühsame Bestrebung ihrer Critik um die menschliche Vernunft habe, gesezt, es solte auch beim Aus- gange blos negativ befunden werden; denn davon wird in dem folgenden Abschnitte noch etwas vorkommen. Aber verlangt ihr denn: daß ein Erkentniß, welches alle Men- schen angeht, den gemeinen Verstand übersteigen und euch nur von Philosophen entdekt werden solle? Eben das, was ihr tadelt, ist die beste Bestätigung von der Richtigkeit der bisherigen Behauptungen, da es das, was man anfangs nicht vorher sehen konte, entdekt, nemlich, daß die Natur, in dem, was Menschen ohne Unterschied angelegen ist, keiner partheyischen Austheilung ihrer Gaben zu beschuldigen sey und die höchste Philosophie in Ansehung der wesentlichen Zwecke der menschlichen Natur, es nicht weiter bringen könne, als die Leitung, welche sie auch dem gemeinsten Verstande hat angedeien lassen.
Der
Vom Meinen, Wiſſen und Glauben.
ſtand, ohne daruͤber den Philoſophen zu Rathe zu ziehen, ausrichten koͤnnen!
Ich will hier nicht das Verdienſt ruͤhmen, das Phi- loſophie durch die muͤhſame Beſtrebung ihrer Critik um die menſchliche Vernunft habe, geſezt, es ſolte auch beim Aus- gange blos negativ befunden werden; denn davon wird in dem folgenden Abſchnitte noch etwas vorkommen. Aber verlangt ihr denn: daß ein Erkentniß, welches alle Men- ſchen angeht, den gemeinen Verſtand uͤberſteigen und euch nur von Philoſophen entdekt werden ſolle? Eben das, was ihr tadelt, iſt die beſte Beſtaͤtigung von der Richtigkeit der bisherigen Behauptungen, da es das, was man anfangs nicht vorher ſehen konte, entdekt, nemlich, daß die Natur, in dem, was Menſchen ohne Unterſchied angelegen iſt, keiner partheyiſchen Austheilung ihrer Gaben zu beſchuldigen ſey und die hoͤchſte Philoſophie in Anſehung der weſentlichen Zwecke der menſchlichen Natur, es nicht weiter bringen koͤnne, als die Leitung, welche ſie auch dem gemeinſten Verſtande hat angedeien laſſen.
Der
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Vom Meinen, Wiſſen und Glauben.
ſtand, ohne daruͤber den Philoſophen zu Rathe zu ziehen,
ausrichten koͤnnen!
Ich will hier nicht das Verdienſt ruͤhmen, das Phi-
loſophie durch die muͤhſame Beſtrebung ihrer Critik um die
menſchliche Vernunft habe, geſezt, es ſolte auch beim Aus-
gange blos negativ befunden werden; denn davon wird in
dem folgenden Abſchnitte noch etwas vorkommen. Aber
verlangt ihr denn: daß ein Erkentniß, welches alle Men-
ſchen angeht, den gemeinen Verſtand uͤberſteigen und euch
nur von Philoſophen entdekt werden ſolle? Eben das, was
ihr tadelt, iſt die beſte Beſtaͤtigung von der Richtigkeit der
bisherigen Behauptungen, da es das, was man anfangs
nicht vorher ſehen konte, entdekt, nemlich, daß die Natur,
in dem, was Menſchen ohne Unterſchied angelegen iſt, keiner
partheyiſchen Austheilung ihrer Gaben zu beſchuldigen ſey
und die hoͤchſte Philoſophie in Anſehung der weſentlichen
Zwecke der menſchlichen Natur, es nicht weiter bringen
koͤnne, als die Leitung, welche ſie auch dem gemeinſten
Verſtande hat angedeien laſſen.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 831. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/861>, abgerufen am 24.11.2024.
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