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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Methodenlehre I. Hauptst. II. Absch.
entziehen will. Es würde unbillig scheinen, den lezteren,
der seine paradoxe Behauptung mit der Religionsabsicht
zu vereinigen weiß, zu verschreien und einem woldenken-
den Manne wehe zu thun, weil er sich nicht zurechte fin-
den kan, so bald er sich aus dem Felde der Naturlehre
verlohren hatte. Aber diese Gunst muß dem nicht minder
gutgesinnten und seinem sittlichen Character nach untadel-
haften Hume eben so wol zu Statten kommen, der seine
abgezogene Speculation darum nicht verlassen kan, weil
er mit Recht davor hält, daß ihr Gegenstand ganz ausser-
halb den Gränzen der Naturwissenschaft im Felde reiner
Ideen liege.

Was ist nun hiebey zu thun, vornemlich in Anse-
hung der Gefahr, die daraus dem gemeinen Besten zu
drohen scheinet? Nichts ist natürlicher, nichts billiger,
als die Entschliessung, die ihr deshalb zu nehmen habt. Laßt
diese Leute nur machen; wenn sie Talent, wenn sie tiefe
und neue Nachforschung, mit einem Worte, wenn sie nur
Vernunft zeigen, so gewint iederzeit die Vernunft. Wenn
ihr andere Mittel ergreift, als die einer zwangslosen Ver-
nunft, wenn ihr über Hochverrath schreiet, das gemeine
Wesen, das sich auf so subtile Bearbeitungen gar nicht
versteht, gleichsam als zum Feuerlöschen zusammen ruft,
so macht ihr euch lächerlich. Denn es ist die Rede gar
nicht davon, was dem gemeinen Besten hierunter vortheil-
haft, oder nachtheilig sey, sondern nur, wie weit die Ver-
nunft es wol in ihrer von allem Interesse abstrahirenden

Specu-

Methodenlehre I. Hauptſt. II. Abſch.
entziehen will. Es wuͤrde unbillig ſcheinen, den lezteren,
der ſeine paradoxe Behauptung mit der Religionsabſicht
zu vereinigen weiß, zu verſchreien und einem woldenken-
den Manne wehe zu thun, weil er ſich nicht zurechte fin-
den kan, ſo bald er ſich aus dem Felde der Naturlehre
verlohren hatte. Aber dieſe Gunſt muß dem nicht minder
gutgeſinnten und ſeinem ſittlichen Character nach untadel-
haften Hume eben ſo wol zu Statten kommen, der ſeine
abgezogene Speculation darum nicht verlaſſen kan, weil
er mit Recht davor haͤlt, daß ihr Gegenſtand ganz auſſer-
halb den Graͤnzen der Naturwiſſenſchaft im Felde reiner
Ideen liege.

Was iſt nun hiebey zu thun, vornemlich in Anſe-
hung der Gefahr, die daraus dem gemeinen Beſten zu
drohen ſcheinet? Nichts iſt natuͤrlicher, nichts billiger,
als die Entſchlieſſung, die ihr deshalb zu nehmen habt. Laßt
dieſe Leute nur machen; wenn ſie Talent, wenn ſie tiefe
und neue Nachforſchung, mit einem Worte, wenn ſie nur
Vernunft zeigen, ſo gewint iederzeit die Vernunft. Wenn
ihr andere Mittel ergreift, als die einer zwangsloſen Ver-
nunft, wenn ihr uͤber Hochverrath ſchreiet, das gemeine
Weſen, das ſich auf ſo ſubtile Bearbeitungen gar nicht
verſteht, gleichſam als zum Feuerloͤſchen zuſammen ruft,
ſo macht ihr euch laͤcherlich. Denn es iſt die Rede gar
nicht davon, was dem gemeinen Beſten hierunter vortheil-
haft, oder nachtheilig ſey, ſondern nur, wie weit die Ver-
nunft es wol in ihrer von allem Intereſſe abſtrahirenden

Specu-
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[746/0776] Methodenlehre I. Hauptſt. II. Abſch. entziehen will. Es wuͤrde unbillig ſcheinen, den lezteren, der ſeine paradoxe Behauptung mit der Religionsabſicht zu vereinigen weiß, zu verſchreien und einem woldenken- den Manne wehe zu thun, weil er ſich nicht zurechte fin- den kan, ſo bald er ſich aus dem Felde der Naturlehre verlohren hatte. Aber dieſe Gunſt muß dem nicht minder gutgeſinnten und ſeinem ſittlichen Character nach untadel- haften Hume eben ſo wol zu Statten kommen, der ſeine abgezogene Speculation darum nicht verlaſſen kan, weil er mit Recht davor haͤlt, daß ihr Gegenſtand ganz auſſer- halb den Graͤnzen der Naturwiſſenſchaft im Felde reiner Ideen liege. Was iſt nun hiebey zu thun, vornemlich in Anſe- hung der Gefahr, die daraus dem gemeinen Beſten zu drohen ſcheinet? Nichts iſt natuͤrlicher, nichts billiger, als die Entſchlieſſung, die ihr deshalb zu nehmen habt. Laßt dieſe Leute nur machen; wenn ſie Talent, wenn ſie tiefe und neue Nachforſchung, mit einem Worte, wenn ſie nur Vernunft zeigen, ſo gewint iederzeit die Vernunft. Wenn ihr andere Mittel ergreift, als die einer zwangsloſen Ver- nunft, wenn ihr uͤber Hochverrath ſchreiet, das gemeine Weſen, das ſich auf ſo ſubtile Bearbeitungen gar nicht verſteht, gleichſam als zum Feuerloͤſchen zuſammen ruft, ſo macht ihr euch laͤcherlich. Denn es iſt die Rede gar nicht davon, was dem gemeinen Beſten hierunter vortheil- haft, oder nachtheilig ſey, ſondern nur, wie weit die Ver- nunft es wol in ihrer von allem Intereſſe abſtrahirenden Specu-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/776>, abgerufen am 23.11.2024.