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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie.
Mißverstand verhüten und die eigentliche Richtung dersel-
ben ausfindig machen können. Also werden die transscen-
dentale Ideen allem Vermuthen nach ihren guten und
folglich immanenten Gebrauch haben, obgleich, wenn
ihre Bedeutung verkant und sie vor Begriffe von wirkli-
chen Dingen genommen werden, sie transscendent in der
Anwendung und eben darum trüglich seyn können. Denn
nicht die Idee an sich selbst, sondern blos ihr Gebrauch
kan, entweder in Ansehung der gesamten möglichen Er-
fahrung, überfliegend (transscendent), oder einheimisch
(immanent) seyn, nachdem man sie entweder gerade zu
auf einen ihr vermeintlich entsprechenden Gegenstand, oder
nur auf den Verstandesgebrauch überhaupt in Ansehung
der Gegenstände, mit welchen er zu thun hat, richtet
und alle Fehler der Subreption sind iederzeit einem Man-
gel der Urtheilskraft, niemals aber dem Verstande oder
der Vernunft zuzuschreiben.

Die Vernunft bezieht sich niemals gerade zu auf ei-
nen Gegenstand, sondern lediglich auf den Verstand und
vermittelst desselben auf ihren eigenen empirischen Gebrauch,
schaft also keine Begriffe (von Obiecten), sondern ordnet
sie nur und giebt ihnen dieienige Einheit, welche sie in
ihrer größtmöglichen Ausbreitung haben können, d. i. in
Beziehung auf die Totalität der Reihen, als auf welche
der Verstand gar nicht sieht, sondern nur auf dieienige
Verknüpfung, dadurch allerwerts Reihen der Bedingungen
nach Begriffen zu Stande kommen. Die Vernunft hat

also
S s 2

VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
Mißverſtand verhuͤten und die eigentliche Richtung derſel-
ben ausfindig machen koͤnnen. Alſo werden die transſcen-
dentale Ideen allem Vermuthen nach ihren guten und
folglich immanenten Gebrauch haben, obgleich, wenn
ihre Bedeutung verkant und ſie vor Begriffe von wirkli-
chen Dingen genommen werden, ſie transſcendent in der
Anwendung und eben darum truͤglich ſeyn koͤnnen. Denn
nicht die Idee an ſich ſelbſt, ſondern blos ihr Gebrauch
kan, entweder in Anſehung der geſamten moͤglichen Er-
fahrung, uͤberfliegend (transſcendent), oder einheimiſch
(immanent) ſeyn, nachdem man ſie entweder gerade zu
auf einen ihr vermeintlich entſprechenden Gegenſtand, oder
nur auf den Verſtandesgebrauch uͤberhaupt in Anſehung
der Gegenſtaͤnde, mit welchen er zu thun hat, richtet
und alle Fehler der Subreption ſind iederzeit einem Man-
gel der Urtheilskraft, niemals aber dem Verſtande oder
der Vernunft zuzuſchreiben.

Die Vernunft bezieht ſich niemals gerade zu auf ei-
nen Gegenſtand, ſondern lediglich auf den Verſtand und
vermittelſt deſſelben auf ihren eigenen empiriſchen Gebrauch,
ſchaft alſo keine Begriffe (von Obiecten), ſondern ordnet
ſie nur und giebt ihnen dieienige Einheit, welche ſie in
ihrer groͤßtmoͤglichen Ausbreitung haben koͤnnen, d. i. in
Beziehung auf die Totalitaͤt der Reihen, als auf welche
der Verſtand gar nicht ſieht, ſondern nur auf dieienige
Verknuͤpfung, dadurch allerwerts Reihen der Bedingungen
nach Begriffen zu Stande kommen. Die Vernunft hat

alſo
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[643/0673] VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie. Mißverſtand verhuͤten und die eigentliche Richtung derſel- ben ausfindig machen koͤnnen. Alſo werden die transſcen- dentale Ideen allem Vermuthen nach ihren guten und folglich immanenten Gebrauch haben, obgleich, wenn ihre Bedeutung verkant und ſie vor Begriffe von wirkli- chen Dingen genommen werden, ſie transſcendent in der Anwendung und eben darum truͤglich ſeyn koͤnnen. Denn nicht die Idee an ſich ſelbſt, ſondern blos ihr Gebrauch kan, entweder in Anſehung der geſamten moͤglichen Er- fahrung, uͤberfliegend (transſcendent), oder einheimiſch (immanent) ſeyn, nachdem man ſie entweder gerade zu auf einen ihr vermeintlich entſprechenden Gegenſtand, oder nur auf den Verſtandesgebrauch uͤberhaupt in Anſehung der Gegenſtaͤnde, mit welchen er zu thun hat, richtet und alle Fehler der Subreption ſind iederzeit einem Man- gel der Urtheilskraft, niemals aber dem Verſtande oder der Vernunft zuzuſchreiben. Die Vernunft bezieht ſich niemals gerade zu auf ei- nen Gegenſtand, ſondern lediglich auf den Verſtand und vermittelſt deſſelben auf ihren eigenen empiriſchen Gebrauch, ſchaft alſo keine Begriffe (von Obiecten), ſondern ordnet ſie nur und giebt ihnen dieienige Einheit, welche ſie in ihrer groͤßtmoͤglichen Ausbreitung haben koͤnnen, d. i. in Beziehung auf die Totalitaͤt der Reihen, als auf welche der Verſtand gar nicht ſieht, ſondern nur auf dieienige Verknuͤpfung, dadurch allerwerts Reihen der Bedingungen nach Begriffen zu Stande kommen. Die Vernunft hat alſo S s 2

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/673>, abgerufen am 23.11.2024.