Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Absch. Vom empir. Gebrauche des regul. etc.
diges Daseyn der unbegränzten Zufälligkeit der ersteren,
und darum auch, dem nirgend geendigten Regressus in
der Reihe empirischer Bedingungen gar nicht entgegen ist.

Schlußanmerkung
zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft.

So lange wir mit unseren Vernunftbegriffen blos die
Totalität der Bedingungen in der Sinnenwelt und, was
in Ansehung ihrer der Vernunft zu Diensten geschehen kan,
zum Gegenstande haben: so sind unsere Ideen zwar trans-
scendental, aber doch cosmologisch. So bald wir aber
das Unbedingte (um das es doch eigentlich zu thun ist) in
demienigen setzen, was ganz ausserhalb der Sinnenwelt,
mithin ausser aller möglichen Erfahrung ist, so werden die
Ideen transscendent; sie dienen nicht blos zur Vollendung
des empirischen Vernunftgebrauchs (der immer eine nie
auszuführende, aber dennoch zu befolgende Idee bleibt),
sondern sie trennen sich davon gänzlich und machen sich
selbst Gegenstände, deren Stoff nicht aus Erfahrung ge-
nommen, deren obiective Realität auch nicht auf der Voll-
endung der empirischen Reihe, sondern auf reinen Be-
griffen a priori beruht. Dergleichen transscendente
Ideen haben einen blos intelligibelen Gegenstand, welchen
als ein transscendentales Obiect, von dem man übrigens
nichts weis, zuzulassen, es allerdings erlaubt ist, wozu
aber, um es, als ein, durch seine unterscheidende und in-
nere Prädicate bestimbares Ding zu denken, wir weder

Grün-
N n 3

IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc.
diges Daſeyn der unbegraͤnzten Zufaͤlligkeit der erſteren,
und darum auch, dem nirgend geendigten Regreſſus in
der Reihe empiriſcher Bedingungen gar nicht entgegen iſt.

Schlußanmerkung
zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft.

So lange wir mit unſeren Vernunftbegriffen blos die
Totalitaͤt der Bedingungen in der Sinnenwelt und, was
in Anſehung ihrer der Vernunft zu Dienſten geſchehen kan,
zum Gegenſtande haben: ſo ſind unſere Ideen zwar trans-
ſcendental, aber doch cosmologiſch. So bald wir aber
das Unbedingte (um das es doch eigentlich zu thun iſt) in
demienigen ſetzen, was ganz auſſerhalb der Sinnenwelt,
mithin auſſer aller moͤglichen Erfahrung iſt, ſo werden die
Ideen transſcendent; ſie dienen nicht blos zur Vollendung
des empiriſchen Vernunftgebrauchs (der immer eine nie
auszufuͤhrende, aber dennoch zu befolgende Idee bleibt),
ſondern ſie trennen ſich davon gaͤnzlich und machen ſich
ſelbſt Gegenſtaͤnde, deren Stoff nicht aus Erfahrung ge-
nommen, deren obiective Realitaͤt auch nicht auf der Voll-
endung der empiriſchen Reihe, ſondern auf reinen Be-
griffen a priori beruht. Dergleichen transſcendente
Ideen haben einen blos intelligibelen Gegenſtand, welchen
als ein transſcendentales Obiect, von dem man uͤbrigens
nichts weis, zuzulaſſen, es allerdings erlaubt iſt, wozu
aber, um es, als ein, durch ſeine unterſcheidende und in-
nere Praͤdicate beſtimbares Ding zu denken, wir weder

Gruͤn-
N n 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0595" n="565"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Ab&#x017F;ch. Vom empir. Gebrauche des regul. &#xA75B;c.</fw><lb/>
diges Da&#x017F;eyn der unbegra&#x0364;nzten Zufa&#x0364;lligkeit der er&#x017F;teren,<lb/>
und darum auch, dem nirgend geendigten Regre&#x017F;&#x017F;us in<lb/>
der Reihe empiri&#x017F;cher Bedingungen gar nicht entgegen i&#x017F;t.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head> <hi rendition="#b">Schlußanmerkung<lb/>
zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft.</hi> </head><lb/>
                        <p>So lange wir mit un&#x017F;eren Vernunftbegriffen blos die<lb/>
Totalita&#x0364;t der Bedingungen in der Sinnenwelt und, was<lb/>
in An&#x017F;ehung ihrer der Vernunft zu Dien&#x017F;ten ge&#x017F;chehen kan,<lb/>
zum Gegen&#x017F;tande haben: &#x017F;o &#x017F;ind un&#x017F;ere Ideen zwar trans-<lb/>
&#x017F;cendental, aber doch cosmologi&#x017F;ch. So bald wir aber<lb/>
das Unbedingte (um das es doch eigentlich zu thun i&#x017F;t) in<lb/>
demienigen &#x017F;etzen, was ganz au&#x017F;&#x017F;erhalb der Sinnenwelt,<lb/>
mithin au&#x017F;&#x017F;er aller mo&#x0364;glichen Erfahrung i&#x017F;t, &#x017F;o werden die<lb/>
Ideen trans&#x017F;cendent; &#x017F;ie dienen nicht blos zur Vollendung<lb/>
des empiri&#x017F;chen Vernunftgebrauchs (der immer eine nie<lb/>
auszufu&#x0364;hrende, aber dennoch zu befolgende Idee bleibt),<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ie trennen &#x017F;ich davon ga&#x0364;nzlich und machen &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, deren Stoff nicht aus Erfahrung ge-<lb/>
nommen, deren obiective Realita&#x0364;t auch nicht auf der Voll-<lb/>
endung der empiri&#x017F;chen Reihe, &#x017F;ondern auf reinen Be-<lb/>
griffen <hi rendition="#aq">a priori</hi> beruht. Dergleichen trans&#x017F;cendente<lb/>
Ideen haben einen blos intelligibelen Gegen&#x017F;tand, welchen<lb/>
als ein trans&#x017F;cendentales Obiect, von dem man u&#x0364;brigens<lb/>
nichts weis, zuzula&#x017F;&#x017F;en, es allerdings erlaubt i&#x017F;t, wozu<lb/>
aber, um es, als ein, durch &#x017F;eine unter&#x017F;cheidende und in-<lb/>
nere Pra&#x0364;dicate be&#x017F;timbares Ding zu denken, wir weder<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N n 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Gru&#x0364;n-</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[565/0595] IX. Abſch. Vom empir. Gebrauche des regul. ꝛc. diges Daſeyn der unbegraͤnzten Zufaͤlligkeit der erſteren, und darum auch, dem nirgend geendigten Regreſſus in der Reihe empiriſcher Bedingungen gar nicht entgegen iſt. Schlußanmerkung zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft. So lange wir mit unſeren Vernunftbegriffen blos die Totalitaͤt der Bedingungen in der Sinnenwelt und, was in Anſehung ihrer der Vernunft zu Dienſten geſchehen kan, zum Gegenſtande haben: ſo ſind unſere Ideen zwar trans- ſcendental, aber doch cosmologiſch. So bald wir aber das Unbedingte (um das es doch eigentlich zu thun iſt) in demienigen ſetzen, was ganz auſſerhalb der Sinnenwelt, mithin auſſer aller moͤglichen Erfahrung iſt, ſo werden die Ideen transſcendent; ſie dienen nicht blos zur Vollendung des empiriſchen Vernunftgebrauchs (der immer eine nie auszufuͤhrende, aber dennoch zu befolgende Idee bleibt), ſondern ſie trennen ſich davon gaͤnzlich und machen ſich ſelbſt Gegenſtaͤnde, deren Stoff nicht aus Erfahrung ge- nommen, deren obiective Realitaͤt auch nicht auf der Voll- endung der empiriſchen Reihe, ſondern auf reinen Be- griffen a priori beruht. Dergleichen transſcendente Ideen haben einen blos intelligibelen Gegenſtand, welchen als ein transſcendentales Obiect, von dem man uͤbrigens nichts weis, zuzulaſſen, es allerdings erlaubt iſt, wozu aber, um es, als ein, durch ſeine unterſcheidende und in- nere Praͤdicate beſtimbares Ding zu denken, wir weder Gruͤn- N n 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/595
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/595>, abgerufen am 23.11.2024.