Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
Möglichkeit der Caussalität durch Freiheit, in Vereinigung mit dem allgemeinen Gesetze der Naturnothwendigkeit.
Ich nenne dasienige an einem Gegenstande der Sin- ne, was selbst nicht Erscheinung ist, intelligibel. Wenn demnach dasienige, was in der Sinnenwelt als Erschei- nung angesehen werden muß, an sich selbst auch ein Ver- mögen hat, welches kein Gegenstand der sinnlichen An- schauung ist, wodurch es aber doch die Ursache von Er- scheinungen seyn kan: so kan man die Caussalität dieses Wesens auf zwey Seiten betrachten, als intelligibel nach ihrer Handlung, als eines Dinges an sich selbst, und als sensibel, nach den Wirkungen derselben, als einer Er- scheinung in der Sinnenwelt. Wir würden uns demnach von dem Vermögen eines solchen Subiects einen empiri- schen, imgleichen auch einen intellectuellen Begriff seiner Caussalität machen, welche bey einer und derselben Wir- kung zusammen statt finden. Eine solche doppelte Seite, das Vermögen eines Gegenstandes der Sinne sich zu den- ken, widerspricht keinem von den Begriffen, die wir uns von Erscheinungen und von einer möglichen Erfahrung zu machen haben. Denn, da diesen, weil sie an sich keine Dinge sind, ein transscendentaler Gegenstand zum Grunde liegen muß, der sie als blosse Vorstellungen bestimt, so hindert nichts, daß wir diesem transscendentalen Gegen-
stande,
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
Moͤglichkeit der Cauſſalitaͤt durch Freiheit, in Vereinigung mit dem allgemeinen Geſetze der Naturnothwendigkeit.
Ich nenne dasienige an einem Gegenſtande der Sin- ne, was ſelbſt nicht Erſcheinung iſt, intelligibel. Wenn demnach dasienige, was in der Sinnenwelt als Erſchei- nung angeſehen werden muß, an ſich ſelbſt auch ein Ver- moͤgen hat, welches kein Gegenſtand der ſinnlichen An- ſchauung iſt, wodurch es aber doch die Urſache von Er- ſcheinungen ſeyn kan: ſo kan man die Cauſſalitaͤt dieſes Weſens auf zwey Seiten betrachten, als intelligibel nach ihrer Handlung, als eines Dinges an ſich ſelbſt, und als ſenſibel, nach den Wirkungen derſelben, als einer Er- ſcheinung in der Sinnenwelt. Wir wuͤrden uns demnach von dem Vermoͤgen eines ſolchen Subiects einen empiri- ſchen, imgleichen auch einen intellectuellen Begriff ſeiner Cauſſalitaͤt machen, welche bey einer und derſelben Wir- kung zuſammen ſtatt finden. Eine ſolche doppelte Seite, das Vermoͤgen eines Gegenſtandes der Sinne ſich zu den- ken, widerſpricht keinem von den Begriffen, die wir uns von Erſcheinungen und von einer moͤglichen Erfahrung zu machen haben. Denn, da dieſen, weil ſie an ſich keine Dinge ſind, ein transſcendentaler Gegenſtand zum Grunde liegen muß, der ſie als bloſſe Vorſtellungen beſtimt, ſo hindert nichts, daß wir dieſem transſcendentalen Gegen-
ſtande,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><pbfacs="#f0568"n="538"/><fwplace="top"type="header">Elementarl. <hirendition="#aq">II.</hi> Th. <hirendition="#aq">II.</hi> Abth. <hirendition="#aq">II.</hi> Buch. <hirendition="#aq">II.</hi> Hauptſt.</fw><lb/><divn="9"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Moͤglichkeit der Cauſſalitaͤt<lb/>
durch Freiheit</hi>,<lb/>
in Vereinigung mit dem allgemeinen Geſetze der</hi><lb/><hirendition="#g">Naturnothwendigkeit</hi>.</head><lb/><p>Ich nenne dasienige an einem Gegenſtande der Sin-<lb/>
ne, was ſelbſt nicht Erſcheinung iſt, intelligibel. Wenn<lb/>
demnach dasienige, was in der Sinnenwelt als Erſchei-<lb/>
nung angeſehen werden muß, an ſich ſelbſt auch ein Ver-<lb/>
moͤgen hat, welches kein Gegenſtand der ſinnlichen An-<lb/>ſchauung iſt, wodurch es aber doch die Urſache von Er-<lb/>ſcheinungen ſeyn kan: ſo kan man die <hirendition="#fr">Cauſſalitaͤt</hi> dieſes<lb/>
Weſens auf zwey Seiten betrachten, als intelligibel nach<lb/>
ihrer <hirendition="#fr">Handlung,</hi> als eines Dinges an ſich ſelbſt, und als<lb/><hirendition="#fr">ſenſibel</hi>, nach den <hirendition="#fr">Wirkungen</hi> derſelben, als einer Er-<lb/>ſcheinung in der Sinnenwelt. Wir wuͤrden uns demnach<lb/>
von dem Vermoͤgen eines ſolchen Subiects einen empiri-<lb/>ſchen, imgleichen auch einen intellectuellen Begriff ſeiner<lb/>
Cauſſalitaͤt machen, welche bey einer und derſelben Wir-<lb/>
kung zuſammen ſtatt finden. Eine ſolche doppelte Seite,<lb/>
das Vermoͤgen eines Gegenſtandes der Sinne ſich zu den-<lb/>
ken, widerſpricht keinem von den Begriffen, die wir uns<lb/>
von Erſcheinungen und von einer moͤglichen Erfahrung zu<lb/>
machen haben. Denn, da dieſen, weil ſie an ſich keine<lb/>
Dinge ſind, ein transſcendentaler Gegenſtand zum Grunde<lb/>
liegen muß, der ſie als bloſſe Vorſtellungen beſtimt, ſo<lb/>
hindert nichts, daß wir dieſem transſcendentalen Gegen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſtande,</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[538/0568]
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
Moͤglichkeit der Cauſſalitaͤt
durch Freiheit,
in Vereinigung mit dem allgemeinen Geſetze der
Naturnothwendigkeit.
Ich nenne dasienige an einem Gegenſtande der Sin-
ne, was ſelbſt nicht Erſcheinung iſt, intelligibel. Wenn
demnach dasienige, was in der Sinnenwelt als Erſchei-
nung angeſehen werden muß, an ſich ſelbſt auch ein Ver-
moͤgen hat, welches kein Gegenſtand der ſinnlichen An-
ſchauung iſt, wodurch es aber doch die Urſache von Er-
ſcheinungen ſeyn kan: ſo kan man die Cauſſalitaͤt dieſes
Weſens auf zwey Seiten betrachten, als intelligibel nach
ihrer Handlung, als eines Dinges an ſich ſelbſt, und als
ſenſibel, nach den Wirkungen derſelben, als einer Er-
ſcheinung in der Sinnenwelt. Wir wuͤrden uns demnach
von dem Vermoͤgen eines ſolchen Subiects einen empiri-
ſchen, imgleichen auch einen intellectuellen Begriff ſeiner
Cauſſalitaͤt machen, welche bey einer und derſelben Wir-
kung zuſammen ſtatt finden. Eine ſolche doppelte Seite,
das Vermoͤgen eines Gegenſtandes der Sinne ſich zu den-
ken, widerſpricht keinem von den Begriffen, die wir uns
von Erſcheinungen und von einer moͤglichen Erfahrung zu
machen haben. Denn, da dieſen, weil ſie an ſich keine
Dinge ſind, ein transſcendentaler Gegenſtand zum Grunde
liegen muß, der ſie als bloſſe Vorſtellungen beſtimt, ſo
hindert nichts, daß wir dieſem transſcendentalen Gegen-
ſtande,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/568>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.