Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
Daß man aber sagt: sie existiren vor aller meiner Erfah- rung, bedeutet nur: daß sie in dem Theile der Erfahrung. zu welchem ich, von der Wahrnehmung anhebend, al- [l]ererst fortschreiten muß, anzutreffen sind. Die Ursache der empirischen Bedingungen dieses Fortschritts, mithin auf welche Glieder, oder auch, wie weit ich auf derglei- chen im Regressus treffen könne, ist transscendental und mir daher nothwendig unbekant. Aber um diese ist es auch nicht zu thun, sondern nur um die Regel des Fort- schritts der Erfahrung, in der mir die Gegenstände, nem- lich Erscheinungen gegeben werden. Es ist auch im Aus- gange ganz einerley, ob ich sage: ich könne im empiri- schen Fortgange im Raume auf Sterne treffen, die hun- dertmal weiter entfernt sind, als die äussersten, die ich sehe: oder ob ich sage, es sind vielleicht deren im Weltraume anzutreffen, wenn sie gleich niemals ein Mensch wahrge- nommen hat, oder wahrnehmen wird; denn, wenn sie gleich als Dinge an sich selbst, ohne Beziehung auf mög- liche Erfahrung, überhaupt gegeben wären: so sind sie doch vor mich nichts, mithin keine Gegenstände, als so fern sie in der Reihe des empirischen Regressus enthalten seyn. Nur in anderweitiger Beziehung, wenn eben diese Erscheinungen zur cosmologischen Idee von einem absolu- ten Ganzen gebraucht werden sollen und, wenn es also um eine Frage zu thun ist, die über die Gränzen mögli- cher Erfahrung hinausgeht, ist die Unterscheidung der Art, wie man die Wirklichkeit gedachter Gegenstände der Sinne
nimt,
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
Daß man aber ſagt: ſie exiſtiren vor aller meiner Erfah- rung, bedeutet nur: daß ſie in dem Theile der Erfahrung. zu welchem ich, von der Wahrnehmung anhebend, al- [l]ererſt fortſchreiten muß, anzutreffen ſind. Die Urſache der empiriſchen Bedingungen dieſes Fortſchritts, mithin auf welche Glieder, oder auch, wie weit ich auf derglei- chen im Regreſſus treffen koͤnne, iſt transſcendental und mir daher nothwendig unbekant. Aber um dieſe iſt es auch nicht zu thun, ſondern nur um die Regel des Fort- ſchritts der Erfahrung, in der mir die Gegenſtaͤnde, nem- lich Erſcheinungen gegeben werden. Es iſt auch im Aus- gange ganz einerley, ob ich ſage: ich koͤnne im empiri- ſchen Fortgange im Raume auf Sterne treffen, die hun- dertmal weiter entfernt ſind, als die aͤuſſerſten, die ich ſehe: oder ob ich ſage, es ſind vielleicht deren im Weltraume anzutreffen, wenn ſie gleich niemals ein Menſch wahrge- nommen hat, oder wahrnehmen wird; denn, wenn ſie gleich als Dinge an ſich ſelbſt, ohne Beziehung auf moͤg- liche Erfahrung, uͤberhaupt gegeben waͤren: ſo ſind ſie doch vor mich nichts, mithin keine Gegenſtaͤnde, als ſo fern ſie in der Reihe des empiriſchen Regreſſus enthalten ſeyn. Nur in anderweitiger Beziehung, wenn eben dieſe Erſcheinungen zur cosmologiſchen Idee von einem abſolu- ten Ganzen gebraucht werden ſollen und, wenn es alſo um eine Frage zu thun iſt, die uͤber die Graͤnzen moͤgli- cher Erfahrung hinausgeht, iſt die Unterſcheidung der Art, wie man die Wirklichkeit gedachter Gegenſtaͤnde der Sinne
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
Daß man aber ſagt: ſie exiſtiren vor aller meiner Erfah-
rung, bedeutet nur: daß ſie in dem Theile der Erfahrung.
zu welchem ich, von der Wahrnehmung anhebend, al-
lererſt fortſchreiten muß, anzutreffen ſind. Die Urſache
der empiriſchen Bedingungen dieſes Fortſchritts, mithin
auf welche Glieder, oder auch, wie weit ich auf derglei-
chen im Regreſſus treffen koͤnne, iſt transſcendental und
mir daher nothwendig unbekant. Aber um dieſe iſt es
auch nicht zu thun, ſondern nur um die Regel des Fort-
ſchritts der Erfahrung, in der mir die Gegenſtaͤnde, nem-
lich Erſcheinungen gegeben werden. Es iſt auch im Aus-
gange ganz einerley, ob ich ſage: ich koͤnne im empiri-
ſchen Fortgange im Raume auf Sterne treffen, die hun-
dertmal weiter entfernt ſind, als die aͤuſſerſten, die ich ſehe:
oder ob ich ſage, es ſind vielleicht deren im Weltraume
anzutreffen, wenn ſie gleich niemals ein Menſch wahrge-
nommen hat, oder wahrnehmen wird; denn, wenn ſie
gleich als Dinge an ſich ſelbſt, ohne Beziehung auf moͤg-
liche Erfahrung, uͤberhaupt gegeben waͤren: ſo ſind ſie
doch vor mich nichts, mithin keine Gegenſtaͤnde, als ſo
fern ſie in der Reihe des empiriſchen Regreſſus enthalten
ſeyn. Nur in anderweitiger Beziehung, wenn eben dieſe
Erſcheinungen zur cosmologiſchen Idee von einem abſolu-
ten Ganzen gebraucht werden ſollen und, wenn es alſo
um eine Frage zu thun iſt, die uͤber die Graͤnzen moͤgli-
cher Erfahrung hinausgeht, iſt die Unterſcheidung der Art,
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/526>, abgerufen am 22.11.2024.
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