Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
Anmerkung zur vierten Antinomie
I. zur Thesis.

Um das Daseyn eines nothwendigen Wesens zu bewei-
sen, liegt mir hier ob, kein anderes als cosmologisches Ar-
gument zu brauchen, welches nemlich von dem Bedingten
in der Erscheinung zum Unbedingten im Begriffe aufsteigt,
indem man dieses als die nothwendige Bedingung der ab-
soluten Totalität der Reihe ansieht. Den Beweis, aus
der blossen Idee eines obersten aller Wesen überhaupt, zu ver-
suchen, gehört zu einem andern Princip der Vernunft, und
ein solcher wird daher besonders vorkommen müssen.

Der reine cosmologische Beweis kan nun das Da-
seyn eines nothwendigen Wesens nicht anders darthun, als
daß er es zugleich unausgemacht lasse, ob dasselbe die
Welt selbst, oder ein von ihr unterschiedenes Ding sey.
Denn, um das leztere auszumitteln, dazu werden Grund-
sätze erfordert, die nicht mehr cosmologisch sind, und nicht
in der Reihe der Erscheinungen fortgehen, sondern Begriffe
von zufälligen Wesen überhaupt, (so fern sie blos als Ge-
genstände des Verstandes erwogen werden) und ein Prin-
cip, solche mit einem nothwendigen Wesen, durch blosse
Begriffe, zu verknüpfen, welches alles vor eine transscen-
dente Philosophie gehört, vor welche hier noch nicht der
Platz ist.

Wenn man aber einmal den Beweis cosmologisch an-
fängt, indem man die Reihe von Erscheinungen, und den
Regressus in derselben nach empirischen Gesetzen der Caus-
salität, zum Grunde legt: so kan man nachher davo[n]
nicht abspringen und auf etwas übergehen, was gar nicht
in die Reihe als ein Glied gehört. Denn in eben dersel-

ben
Anmerkung zur vierten Antinomie
I. zur Theſis.

Um das Daſeyn eines nothwendigen Weſens zu bewei-
ſen, liegt mir hier ob, kein anderes als cosmologiſches Ar-
gument zu brauchen, welches nemlich von dem Bedingten
in der Erſcheinung zum Unbedingten im Begriffe aufſteigt,
indem man dieſes als die nothwendige Bedingung der ab-
ſoluten Totalitaͤt der Reihe anſieht. Den Beweis, aus
der bloſſen Idee eines oberſten aller Weſen uͤberhaupt, zu ver-
ſuchen, gehoͤrt zu einem andern Princip der Vernunft, und
ein ſolcher wird daher beſonders vorkommen muͤſſen.

Der reine cosmologiſche Beweis kan nun das Da-
ſeyn eines nothwendigen Weſens nicht anders darthun, als
daß er es zugleich unausgemacht laſſe, ob daſſelbe die
Welt ſelbſt, oder ein von ihr unterſchiedenes Ding ſey.
Denn, um das leztere auszumitteln, dazu werden Grund-
ſaͤtze erfordert, die nicht mehr cosmologiſch ſind, und nicht
in der Reihe der Erſcheinungen fortgehen, ſondern Begriffe
von zufaͤlligen Weſen uͤberhaupt, (ſo fern ſie blos als Ge-
genſtaͤnde des Verſtandes erwogen werden) und ein Prin-
cip, ſolche mit einem nothwendigen Weſen, durch bloſſe
Begriffe, zu verknuͤpfen, welches alles vor eine transſcen-
dente Philoſophie gehoͤrt, vor welche hier noch nicht der
Platz iſt.

Wenn man aber einmal den Beweis cosmologiſch an-
faͤngt, indem man die Reihe von Erſcheinungen, und den
Regreſſus in derſelben nach empiriſchen Geſetzen der Cauſ-
ſalitaͤt, zum Grunde legt: ſo kan man nachher davo[n]
nicht abſpringen und auf etwas uͤbergehen, was gar nicht
in die Reihe als ein Glied gehoͤrt. Denn in eben derſel-

ben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0486" n="[456]"/>
                    <div next="#f0488" xml:id="f0486" prev="#f0484" n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <head> <hi rendition="#b">Anmerkung zur vierten Antinomie<lb/><hi rendition="#aq">I.</hi> zur The&#x017F;is.</hi> </head><lb/>
                          <p>Um das Da&#x017F;eyn eines nothwendigen We&#x017F;ens zu bewei-<lb/>
&#x017F;en, liegt mir hier ob, kein anderes als cosmologi&#x017F;ches Ar-<lb/>
gument zu brauchen, welches nemlich von dem Bedingten<lb/>
in der Er&#x017F;cheinung zum Unbedingten im Begriffe auf&#x017F;teigt,<lb/>
indem man die&#x017F;es als die nothwendige Bedingung der ab-<lb/>
&#x017F;oluten Totalita&#x0364;t der Reihe an&#x017F;ieht. Den Beweis, aus<lb/>
der blo&#x017F;&#x017F;en Idee eines ober&#x017F;ten aller We&#x017F;en u&#x0364;berhaupt, zu ver-<lb/>
&#x017F;uchen, geho&#x0364;rt zu einem andern Princip der Vernunft, und<lb/>
ein &#x017F;olcher wird daher be&#x017F;onders vorkommen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
                          <p>Der reine cosmologi&#x017F;che Beweis kan nun das Da-<lb/>
&#x017F;eyn eines nothwendigen We&#x017F;ens nicht anders darthun, als<lb/>
daß er es zugleich unausgemacht la&#x017F;&#x017F;e, ob da&#x017F;&#x017F;elbe die<lb/>
Welt &#x017F;elb&#x017F;t, oder ein von ihr unter&#x017F;chiedenes Ding &#x017F;ey.<lb/>
Denn, um das leztere auszumitteln, dazu werden Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze erfordert, die nicht mehr cosmologi&#x017F;ch &#x017F;ind, und nicht<lb/>
in der Reihe der Er&#x017F;cheinungen fortgehen, &#x017F;ondern Begriffe<lb/>
von zufa&#x0364;lligen We&#x017F;en u&#x0364;berhaupt, (&#x017F;o fern &#x017F;ie blos als Ge-<lb/>
gen&#x017F;ta&#x0364;nde des Ver&#x017F;tandes erwogen werden) und ein Prin-<lb/>
cip, &#x017F;olche mit einem nothwendigen We&#x017F;en, durch blo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Begriffe, zu verknu&#x0364;pfen, welches alles vor eine trans&#x017F;cen-<lb/>
dente Philo&#x017F;ophie geho&#x0364;rt, vor welche hier noch nicht der<lb/>
Platz i&#x017F;t.</p><lb/>
                          <p xml:id="f0486p">Wenn man aber einmal den Beweis cosmologi&#x017F;ch an-<lb/>
fa&#x0364;ngt, indem man die Reihe von Er&#x017F;cheinungen, und den<lb/>
Regre&#x017F;&#x017F;us in der&#x017F;elben nach empiri&#x017F;chen Ge&#x017F;etzen der Cau&#x017F;-<lb/>
&#x017F;alita&#x0364;t, zum Grunde legt: &#x017F;o kan man nachher davo<supplied>n</supplied><lb/>
nicht ab&#x017F;pringen und auf etwas u&#x0364;bergehen, was gar nicht<lb/>
in die Reihe als ein Glied geho&#x0364;rt. Denn in eben der&#x017F;el-</p>
                        </div>
                      </div>
                    </div><lb/>
                    <fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[456]/0486] Anmerkung zur vierten Antinomie I. zur Theſis. Um das Daſeyn eines nothwendigen Weſens zu bewei- ſen, liegt mir hier ob, kein anderes als cosmologiſches Ar- gument zu brauchen, welches nemlich von dem Bedingten in der Erſcheinung zum Unbedingten im Begriffe aufſteigt, indem man dieſes als die nothwendige Bedingung der ab- ſoluten Totalitaͤt der Reihe anſieht. Den Beweis, aus der bloſſen Idee eines oberſten aller Weſen uͤberhaupt, zu ver- ſuchen, gehoͤrt zu einem andern Princip der Vernunft, und ein ſolcher wird daher beſonders vorkommen muͤſſen. Der reine cosmologiſche Beweis kan nun das Da- ſeyn eines nothwendigen Weſens nicht anders darthun, als daß er es zugleich unausgemacht laſſe, ob daſſelbe die Welt ſelbſt, oder ein von ihr unterſchiedenes Ding ſey. Denn, um das leztere auszumitteln, dazu werden Grund- ſaͤtze erfordert, die nicht mehr cosmologiſch ſind, und nicht in der Reihe der Erſcheinungen fortgehen, ſondern Begriffe von zufaͤlligen Weſen uͤberhaupt, (ſo fern ſie blos als Ge- genſtaͤnde des Verſtandes erwogen werden) und ein Prin- cip, ſolche mit einem nothwendigen Weſen, durch bloſſe Begriffe, zu verknuͤpfen, welches alles vor eine transſcen- dente Philoſophie gehoͤrt, vor welche hier noch nicht der Platz iſt. Wenn man aber einmal den Beweis cosmologiſch an- faͤngt, indem man die Reihe von Erſcheinungen, und den Regreſſus in derſelben nach empiriſchen Geſetzen der Cauſ- ſalitaͤt, zum Grunde legt: ſo kan man nachher davon nicht abſpringen und auf etwas uͤbergehen, was gar nicht in die Reihe als ein Glied gehoͤrt. Denn in eben derſel- ben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/486
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. [456]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/486>, abgerufen am 03.12.2024.