unterscheide. Wenn ich ein Ding einfach in der Erschei- nung nenne, so verstehe ich darunter, daß die Anschau- ung desselben zwar ein Theil der Erscheinung sey, selbst aber nicht getheilt werden könne u. s. w. Ist aber etwas nur vor einfach im Begriffe und nicht in der Erscheinung erkant, so habe ich dadurch wirklich gar keine Erkentniß von dem Gegenstande, sondern nur von meinem Begriffe, den ich mir von Etwas überhaupt mache, das keiner ei- gentlichen Anschauung fähig ist. Ich sage nur, daß ich etwas ganz einfach denke, weil ich wirklich nichts weiter, als blos, daß es Etwas sey, zu sagen weiß.
Nun ist die blosse Apperception (Ich) Substanz im Begriffe, einfach im Begriffe etc. und so haben alle iene psychologische Lehrsätze ihre unstreitige Richtigkeit. Gleich- wol wird dadurch doch dasienige keinesweges von der Seele erkant, was man eigentlich wissen will, denn alle diese Prä- dicate gelten gar nicht von der Anschauung, und können daher auch keine Folgen haben, die auf Gegenstände der Erfahrung angewandt würden, mithin sind sie völlig leer. Denn iener Begriff der Substanz lehret mich nicht: daß die Seele vor sich selbst fortdaure, nicht, daß sie von den äus- seren Anschauungen ein Theil sey, der selbst nicht mehr getheilt werden könne, und der also durch keine Verände- rungen der Natur entstehen, oder vergehen könne; lau- ter Eigenschaften, die mir die Seele im Zusammenhange der Erfahrung kenbar machen, und, in Ansehung ihres Ursprungs und künftigen Zustandes, Eröfnung geben kön-
ten
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
unterſcheide. Wenn ich ein Ding einfach in der Erſchei- nung nenne, ſo verſtehe ich darunter, daß die Anſchau- ung deſſelben zwar ein Theil der Erſcheinung ſey, ſelbſt aber nicht getheilt werden koͤnne u. ſ. w. Iſt aber etwas nur vor einfach im Begriffe und nicht in der Erſcheinung erkant, ſo habe ich dadurch wirklich gar keine Erkentniß von dem Gegenſtande, ſondern nur von meinem Begriffe, den ich mir von Etwas uͤberhaupt mache, das keiner ei- gentlichen Anſchauung faͤhig iſt. Ich ſage nur, daß ich etwas ganz einfach denke, weil ich wirklich nichts weiter, als blos, daß es Etwas ſey, zu ſagen weiß.
Nun iſt die bloſſe Apperception (Ich) Subſtanz im Begriffe, einfach im Begriffe ꝛc. und ſo haben alle iene pſychologiſche Lehrſaͤtze ihre unſtreitige Richtigkeit. Gleich- wol wird dadurch doch dasienige keinesweges von der Seele erkant, was man eigentlich wiſſen will, denn alle dieſe Praͤ- dicate gelten gar nicht von der Anſchauung, und koͤnnen daher auch keine Folgen haben, die auf Gegenſtaͤnde der Erfahrung angewandt wuͤrden, mithin ſind ſie voͤllig leer. Denn iener Begriff der Subſtanz lehret mich nicht: daß die Seele vor ſich ſelbſt fortdaure, nicht, daß ſie von den aͤuſ- ſeren Anſchauungen ein Theil ſey, der ſelbſt nicht mehr getheilt werden koͤnne, und der alſo durch keine Veraͤnde- rungen der Natur entſtehen, oder vergehen koͤnne; lau- ter Eigenſchaften, die mir die Seele im Zuſammenhange der Erfahrung kenbar machen, und, in Anſehung ihres Urſprungs und kuͤnftigen Zuſtandes, Eroͤfnung geben koͤn-
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
unterſcheide. Wenn ich ein Ding einfach in der Erſchei-
nung nenne, ſo verſtehe ich darunter, daß die Anſchau-
ung deſſelben zwar ein Theil der Erſcheinung ſey, ſelbſt
aber nicht getheilt werden koͤnne u. ſ. w. Iſt aber etwas
nur vor einfach im Begriffe und nicht in der Erſcheinung
erkant, ſo habe ich dadurch wirklich gar keine Erkentniß
von dem Gegenſtande, ſondern nur von meinem Begriffe,
den ich mir von Etwas uͤberhaupt mache, das keiner ei-
gentlichen Anſchauung faͤhig iſt. Ich ſage nur, daß ich
etwas ganz einfach denke, weil ich wirklich nichts weiter,
als blos, daß es Etwas ſey, zu ſagen weiß.
Nun iſt die bloſſe Apperception (Ich) Subſtanz im
Begriffe, einfach im Begriffe ꝛc. und ſo haben alle iene
pſychologiſche Lehrſaͤtze ihre unſtreitige Richtigkeit. Gleich-
wol wird dadurch doch dasienige keinesweges von der Seele
erkant, was man eigentlich wiſſen will, denn alle dieſe Praͤ-
dicate gelten gar nicht von der Anſchauung, und koͤnnen
daher auch keine Folgen haben, die auf Gegenſtaͤnde der
Erfahrung angewandt wuͤrden, mithin ſind ſie voͤllig leer.
Denn iener Begriff der Subſtanz lehret mich nicht: daß die
Seele vor ſich ſelbſt fortdaure, nicht, daß ſie von den aͤuſ-
ſeren Anſchauungen ein Theil ſey, der ſelbſt nicht mehr
getheilt werden koͤnne, und der alſo durch keine Veraͤnde-
rungen der Natur entſtehen, oder vergehen koͤnne; lau-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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