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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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III. Absch. Vom Verh. d. Verst. zu Gegenst. etc.

Die Einheit der Apperception in Beziehung auf
die Synthesis der Einbildungskraft ist der Verstand,
und eben dieselbe Einheit, beziehungsweise auf die trans-
scendentale Synthesis der Einbildungskraft, der reine
Verstand. Also sind im Verstande reine Erkentnisse a
priori,
welche die nothwendige Einheit der reinen
Synthesis der Einbildungskraft, in Ansehung aller mög-
lichen Erscheinungen, enthalten. Dieses sind aber die
Categorien, d. i. reine Verstandesbegriffe, folglich ent-
hält die empirische Erkentnißkraft des Menschen nothwen-
dig einen Verstand, der sich auf alle Gegenstände der Sinne,
obgleich nur vermittelst der Anschauung, und der Synthe-
sis derselben durch Einbildungskraft bezieht, unter wel-
chen also alle Erscheinungen, als Data zu einer möglichen
Erfahrung stehen. Da nun diese Beziehung der Er-
scheinungen auf mögliche Erfahrung ebenfals nothwendig
ist, (weil wir ohne diese gar keine Erkentniß durch sie be-
kommen würden, und sie uns mithin gar nichts angingen)
so folgt, daß der reine Verstand, vermittelst der Catego-
rien, ein formales und synthetisches Principium aller Er-
fahrungen sey, und die Erscheinungen eine nothwendige
Beziehung auf den Verstand haben.

Jezt wollen wir den nothwendigen Zusammenhang
des Verstandes mit den Erscheinungen vermittelst der Cate-
gorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf,
nemlich dem Empirischen anfangen. Das erste, was uns

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III. Abſch. Vom Verh. d. Verſt. zu Gegenſt. ꝛc.

Die Einheit der Apperception in Beziehung auf
die Syntheſis der Einbildungskraft iſt der Verſtand,
und eben dieſelbe Einheit, beziehungsweiſe auf die trans-
ſcendentale Syntheſis der Einbildungskraft, der reine
Verſtand. Alſo ſind im Verſtande reine Erkentniſſe a
priori,
welche die nothwendige Einheit der reinen
Syntheſis der Einbildungskraft, in Anſehung aller moͤg-
lichen Erſcheinungen, enthalten. Dieſes ſind aber die
Categorien, d. i. reine Verſtandesbegriffe, folglich ent-
haͤlt die empiriſche Erkentnißkraft des Menſchen nothwen-
dig einen Verſtand, der ſich auf alle Gegenſtaͤnde der Sinne,
obgleich nur vermittelſt der Anſchauung, und der Synthe-
ſis derſelben durch Einbildungskraft bezieht, unter wel-
chen alſo alle Erſcheinungen, als Data zu einer moͤglichen
Erfahrung ſtehen. Da nun dieſe Beziehung der Er-
ſcheinungen auf moͤgliche Erfahrung ebenfals nothwendig
iſt, (weil wir ohne dieſe gar keine Erkentniß durch ſie be-
kommen wuͤrden, und ſie uns mithin gar nichts angingen)
ſo folgt, daß der reine Verſtand, vermittelſt der Catego-
rien, ein formales und ſynthetiſches Principium aller Er-
fahrungen ſey, und die Erſcheinungen eine nothwendige
Beziehung auf den Verſtand haben.

Jezt wollen wir den nothwendigen Zuſammenhang
des Verſtandes mit den Erſcheinungen vermittelſt der Cate-
gorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf,
nemlich dem Empiriſchen anfangen. Das erſte, was uns

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[119/0149] III. Abſch. Vom Verh. d. Verſt. zu Gegenſt. ꝛc. Die Einheit der Apperception in Beziehung auf die Syntheſis der Einbildungskraft iſt der Verſtand, und eben dieſelbe Einheit, beziehungsweiſe auf die trans- ſcendentale Syntheſis der Einbildungskraft, der reine Verſtand. Alſo ſind im Verſtande reine Erkentniſſe a priori, welche die nothwendige Einheit der reinen Syntheſis der Einbildungskraft, in Anſehung aller moͤg- lichen Erſcheinungen, enthalten. Dieſes ſind aber die Categorien, d. i. reine Verſtandesbegriffe, folglich ent- haͤlt die empiriſche Erkentnißkraft des Menſchen nothwen- dig einen Verſtand, der ſich auf alle Gegenſtaͤnde der Sinne, obgleich nur vermittelſt der Anſchauung, und der Synthe- ſis derſelben durch Einbildungskraft bezieht, unter wel- chen alſo alle Erſcheinungen, als Data zu einer moͤglichen Erfahrung ſtehen. Da nun dieſe Beziehung der Er- ſcheinungen auf moͤgliche Erfahrung ebenfals nothwendig iſt, (weil wir ohne dieſe gar keine Erkentniß durch ſie be- kommen wuͤrden, und ſie uns mithin gar nichts angingen) ſo folgt, daß der reine Verſtand, vermittelſt der Catego- rien, ein formales und ſynthetiſches Principium aller Er- fahrungen ſey, und die Erſcheinungen eine nothwendige Beziehung auf den Verſtand haben. Jezt wollen wir den nothwendigen Zuſammenhang des Verſtandes mit den Erſcheinungen vermittelſt der Cate- gorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf, nemlich dem Empiriſchen anfangen. Das erſte, was uns gege- H 4

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/149>, abgerufen am 27.04.2024.