tion. Das Bewustseyn seiner selbst, nach den Bestim- mungen unseres Zustandes, bey der innern Wahrnehmung ist blos empirisch, iederzeit wandelbar, es kan kein stehen- des oder bleibendes Selbst in diesem Flusse innrer Erschei- nungen geben, und wird gewöhnlich der innre Sinn ge- nant, oder die empirische Apperception. Das was nothwendig als numerisch identisch vorgestellt werden soll, kan nicht als ein solches durch empirische Data gedacht wer- den. Es muß eine Bedingung seyn, die vor aller Er- fahrung vorhergeht, und diese selbst möglich macht, wel- che eine solche transscendentale Voraussetzung geltend ma- chen soll.
Nun können keine Erkentnisse in uns statt finden, keine Verknüpfung und Einheit derselben unter einander, ohne dieienige Einheit des Bewustseyns, welche vor allen Datis der Anschauungen vorhergeht, und, worauf in Be- ziehung, alle Vorstellung von Gegenständen allein möglich ist. Dieses reine ursprüngliche, unwandelbare Bewust- seyn will ich nun die transscendentale Apperception nen- nen. Daß sie diesen Namen verdiene, erhellet schon dar- aus: daß selbst die reineste obiective Einheit, nemlich die der Begriffe a priori (Raum und Zeit) nur durch Bezie- hung der Anschauungen auf sie möglich seyn. Die nu- merische Einheit dieser Apperception liegt also a priori allen Begriffen eben so wol zum Grunde, als die Man- nigfaltigkeit des Raumes und der Zeit den Anschauungen der Sinnlichkeit.
Eben
II. Abſch. Gruͤnde zur Moͤglichkeit der Erfahr.
tion. Das Bewuſtſeyn ſeiner ſelbſt, nach den Beſtim- mungen unſeres Zuſtandes, bey der innern Wahrnehmung iſt blos empiriſch, iederzeit wandelbar, es kan kein ſtehen- des oder bleibendes Selbſt in dieſem Fluſſe innrer Erſchei- nungen geben, und wird gewoͤhnlich der innre Sinn ge- nant, oder die empiriſche Apperception. Das was nothwendig als numeriſch identiſch vorgeſtellt werden ſoll, kan nicht als ein ſolches durch empiriſche Data gedacht wer- den. Es muß eine Bedingung ſeyn, die vor aller Er- fahrung vorhergeht, und dieſe ſelbſt moͤglich macht, wel- che eine ſolche transſcendentale Vorausſetzung geltend ma- chen ſoll.
Nun koͤnnen keine Erkentniſſe in uns ſtatt finden, keine Verknuͤpfung und Einheit derſelben unter einander, ohne dieienige Einheit des Bewuſtſeyns, welche vor allen Datis der Anſchauungen vorhergeht, und, worauf in Be- ziehung, alle Vorſtellung von Gegenſtaͤnden allein moͤglich iſt. Dieſes reine urſpruͤngliche, unwandelbare Bewuſt- ſeyn will ich nun die transſcendentale Apperception nen- nen. Daß ſie dieſen Namen verdiene, erhellet ſchon dar- aus: daß ſelbſt die reineſte obiective Einheit, nemlich die der Begriffe a priori (Raum und Zeit) nur durch Bezie- hung der Anſchauungen auf ſie moͤglich ſeyn. Die nu- meriſche Einheit dieſer Apperception liegt alſo a priori allen Begriffen eben ſo wol zum Grunde, als die Man- nigfaltigkeit des Raumes und der Zeit den Anſchauungen der Sinnlichkeit.
Eben
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II. Abſch. Gruͤnde zur Moͤglichkeit der Erfahr.
tion. Das Bewuſtſeyn ſeiner ſelbſt, nach den Beſtim-
mungen unſeres Zuſtandes, bey der innern Wahrnehmung
iſt blos empiriſch, iederzeit wandelbar, es kan kein ſtehen-
des oder bleibendes Selbſt in dieſem Fluſſe innrer Erſchei-
nungen geben, und wird gewoͤhnlich der innre Sinn ge-
nant, oder die empiriſche Apperception. Das was
nothwendig als numeriſch identiſch vorgeſtellt werden ſoll,
kan nicht als ein ſolches durch empiriſche Data gedacht wer-
den. Es muß eine Bedingung ſeyn, die vor aller Er-
fahrung vorhergeht, und dieſe ſelbſt moͤglich macht, wel-
che eine ſolche transſcendentale Vorausſetzung geltend ma-
chen ſoll.
Nun koͤnnen keine Erkentniſſe in uns ſtatt finden,
keine Verknuͤpfung und Einheit derſelben unter einander,
ohne dieienige Einheit des Bewuſtſeyns, welche vor allen
Datis der Anſchauungen vorhergeht, und, worauf in Be-
ziehung, alle Vorſtellung von Gegenſtaͤnden allein moͤglich
iſt. Dieſes reine urſpruͤngliche, unwandelbare Bewuſt-
ſeyn will ich nun die transſcendentale Apperception nen-
nen. Daß ſie dieſen Namen verdiene, erhellet ſchon dar-
aus: daß ſelbſt die reineſte obiective Einheit, nemlich die
der Begriffe a priori (Raum und Zeit) nur durch Bezie-
hung der Anſchauungen auf ſie moͤglich ſeyn. Die nu-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/137>, abgerufen am 22.11.2024.
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