Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II Hauptst.
der Vorstellung verknüpfen: aber unerachtet dieser Unter-
schiede, muß doch immer ein Bewustseyn angetroffen wer-
den, wenn ihm gleich die hervorstechende Klarheit man-
gelt, un ohne dasselbe sind Begriffe, und mit ihnen
Erkentniß von Gegenständen ganz unmöglich.

Und hier ist es denn nothwendig, sich darüber ver-
ständlich zu machen, was man denn unter dem Ausdruck
eines Gegenstandes der Vorstellungen meine. Wir haben
oben gesagt: daß Erscheinungen selbst nichts als sinnliche
Vorstellungen sind, die an sich, in eben derselben Art, nicht
als Gegenstände (ausser der Vorstellungskraft) müssen an-
gesehen werden. Was versteht man denn, wenn man
von einem der Erkenntniß correspondirenden, mithin auch
davon unterschiedenen Gegenstande redet? Es ist leicht
einzusehen, daß dieser Gegenstand nur als etwas überhaupt
= X müsse gedacht werden, weil wir ausser unserer Er-
kentniß doch nichts haben, welches wir dieser Erkentniß als
correspondirend gegen über setzen könten.

Wir finden aber, daß unser Gedanke von der Be-
ziehung aller Erkentniß auf ihren Gegenstand etwas von
Nothwendigkeit bey sich führe, da nemlich dieser als dasie-
nige angesehen wird, was dawider ist, daß unsere Er-
kentnisse nicht aufs Gerathewohl, oder beliebig, sondern
a priori auf gewisse Weise bestimt seyn, weil, indem sie
sich auf einen Gegenstand beziehen sollen, sie auch nothwen-
diger Weise in Beziehung auf diesen unter einander über-

ein-

Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II Hauptſt.
der Vorſtellung verknuͤpfen: aber unerachtet dieſer Unter-
ſchiede, muß doch immer ein Bewuſtſeyn angetroffen wer-
den, wenn ihm gleich die hervorſtechende Klarheit man-
gelt, un ohne daſſelbe ſind Begriffe, und mit ihnen
Erkentniß von Gegenſtaͤnden ganz unmoͤglich.

Und hier iſt es denn nothwendig, ſich daruͤber ver-
ſtaͤndlich zu machen, was man denn unter dem Ausdruck
eines Gegenſtandes der Vorſtellungen meine. Wir haben
oben geſagt: daß Erſcheinungen ſelbſt nichts als ſinnliche
Vorſtellungen ſind, die an ſich, in eben derſelben Art, nicht
als Gegenſtaͤnde (auſſer der Vorſtellungskraft) muͤſſen an-
geſehen werden. Was verſteht man denn, wenn man
von einem der Erkenntniß correſpondirenden, mithin auch
davon unterſchiedenen Gegenſtande redet? Es iſt leicht
einzuſehen, daß dieſer Gegenſtand nur als etwas uͤberhaupt
= X muͤſſe gedacht werden, weil wir auſſer unſerer Er-
kentniß doch nichts haben, welches wir dieſer Erkentniß als
correſpondirend gegen uͤber ſetzen koͤnten.

Wir finden aber, daß unſer Gedanke von der Be-
ziehung aller Erkentniß auf ihren Gegenſtand etwas von
Nothwendigkeit bey ſich fuͤhre, da nemlich dieſer als dasie-
nige angeſehen wird, was dawider iſt, daß unſere Er-
kentniſſe nicht aufs Gerathewohl, oder beliebig, ſondern
a priori auf gewiſſe Weiſe beſtimt ſeyn, weil, indem ſie
ſich auf einen Gegenſtand beziehen ſollen, ſie auch nothwen-
diger Weiſe in Beziehung auf dieſen unter einander uͤber-

ein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0134" n="104"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">I.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">II</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
der Vor&#x017F;tellung verknu&#x0364;pfen: aber unerachtet die&#x017F;er Unter-<lb/>
&#x017F;chiede, muß doch immer ein Bewu&#x017F;t&#x017F;eyn angetroffen wer-<lb/>
den, wenn ihm gleich die hervor&#x017F;techende Klarheit man-<lb/>
gelt, un ohne da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;ind Begriffe, und mit ihnen<lb/>
Erkentniß von Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden ganz unmo&#x0364;glich.</p><lb/>
                    <p>Und hier i&#x017F;t es denn nothwendig, &#x017F;ich daru&#x0364;ber ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlich zu machen, was man denn unter dem Ausdruck<lb/>
eines Gegen&#x017F;tandes der Vor&#x017F;tellungen meine. Wir haben<lb/>
oben ge&#x017F;agt: daß Er&#x017F;cheinungen &#x017F;elb&#x017F;t nichts als &#x017F;innliche<lb/>
Vor&#x017F;tellungen &#x017F;ind, die an &#x017F;ich, in eben der&#x017F;elben Art, nicht<lb/>
als Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde (au&#x017F;&#x017F;er der Vor&#x017F;tellungskraft) mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an-<lb/>
ge&#x017F;ehen werden. Was ver&#x017F;teht man denn, wenn man<lb/>
von einem der Erkenntniß corre&#x017F;pondirenden, mithin auch<lb/>
davon unter&#x017F;chiedenen Gegen&#x017F;tande redet? Es i&#x017F;t leicht<lb/>
einzu&#x017F;ehen, daß die&#x017F;er Gegen&#x017F;tand nur als etwas u&#x0364;berhaupt<lb/>
= <hi rendition="#aq">X</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gedacht werden, weil wir au&#x017F;&#x017F;er un&#x017F;erer Er-<lb/>
kentniß doch nichts haben, welches wir die&#x017F;er Erkentniß als<lb/>
corre&#x017F;pondirend gegen u&#x0364;ber &#x017F;etzen ko&#x0364;nten.</p><lb/>
                    <p>Wir finden aber, daß un&#x017F;er Gedanke von der Be-<lb/>
ziehung aller Erkentniß auf ihren Gegen&#x017F;tand etwas von<lb/>
Nothwendigkeit bey &#x017F;ich fu&#x0364;hre, da nemlich die&#x017F;er als dasie-<lb/>
nige ange&#x017F;ehen wird, was dawider i&#x017F;t, daß un&#x017F;ere Er-<lb/>
kentni&#x017F;&#x017F;e nicht aufs Gerathewohl, oder beliebig, &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#aq">a priori</hi> auf gewi&#x017F;&#x017F;e Wei&#x017F;e be&#x017F;timt &#x017F;eyn, weil, indem &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich auf einen Gegen&#x017F;tand beziehen &#x017F;ollen, &#x017F;ie auch nothwen-<lb/>
diger Wei&#x017F;e in Beziehung auf die&#x017F;en unter einander u&#x0364;ber-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein-</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0134] Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II Hauptſt. der Vorſtellung verknuͤpfen: aber unerachtet dieſer Unter- ſchiede, muß doch immer ein Bewuſtſeyn angetroffen wer- den, wenn ihm gleich die hervorſtechende Klarheit man- gelt, un ohne daſſelbe ſind Begriffe, und mit ihnen Erkentniß von Gegenſtaͤnden ganz unmoͤglich. Und hier iſt es denn nothwendig, ſich daruͤber ver- ſtaͤndlich zu machen, was man denn unter dem Ausdruck eines Gegenſtandes der Vorſtellungen meine. Wir haben oben geſagt: daß Erſcheinungen ſelbſt nichts als ſinnliche Vorſtellungen ſind, die an ſich, in eben derſelben Art, nicht als Gegenſtaͤnde (auſſer der Vorſtellungskraft) muͤſſen an- geſehen werden. Was verſteht man denn, wenn man von einem der Erkenntniß correſpondirenden, mithin auch davon unterſchiedenen Gegenſtande redet? Es iſt leicht einzuſehen, daß dieſer Gegenſtand nur als etwas uͤberhaupt = X muͤſſe gedacht werden, weil wir auſſer unſerer Er- kentniß doch nichts haben, welches wir dieſer Erkentniß als correſpondirend gegen uͤber ſetzen koͤnten. Wir finden aber, daß unſer Gedanke von der Be- ziehung aller Erkentniß auf ihren Gegenſtand etwas von Nothwendigkeit bey ſich fuͤhre, da nemlich dieſer als dasie- nige angeſehen wird, was dawider iſt, daß unſere Er- kentniſſe nicht aufs Gerathewohl, oder beliebig, ſondern a priori auf gewiſſe Weiſe beſtimt ſeyn, weil, indem ſie ſich auf einen Gegenſtand beziehen ſollen, ſie auch nothwen- diger Weiſe in Beziehung auf dieſen unter einander uͤber- ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/134
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/134>, abgerufen am 27.04.2024.