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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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der reinen practischen Vernunft.

Ich weiß nicht, warum die Erzieher der Jugend
von diesem Hange der Vernunft, in aufgeworfenen
practischen Fragen selbst die subtilste Prüfung mit
Vergnügen einzuschlagen, nicht schon längst Gebrauch
gemacht haben, und, nachdem sie einen blos moralischen
Catechism zum Grunde legten, sie nicht die Biographien
alter und neuer Zeiten in der Absicht durchsuchten, um
Beläge zu den vorgelegten Pflichten bey der Hand zu
haben, an denen sie, vornehmlich durch die Verglei-
chung ähnlicher Handlungen unter verschiedenen Um-
ständen, die Beurtheilung ihrer Zöglinge in Thätigkeit
setzten, um den mindern oder größeren moralischen Ge-
halt derselben zu bemerken, als worin sie selbst die
frühe Jugend, die zu aller Speculation sonst noch un-
reif ist, bald sehr scharfsichtig, und dabey, weil sie den
Fortschritt ihrer Urtheilskraft fühlt, nicht wenig inter-
essirt finden werden, was aber das vornehmste ist, mit
Sicherheit hoffen können, daß die öftere Uebung, das
Wohlverhalten in seiner ganzen Reinigkeit zu kennen
und ihm Beyfall zu geben, dagegen selbst die kleinste
Abweichung von ihr mit Bedauern oder Verachtung zu
bemerken, ob es zwar bis dahin nur ein Spiel der Ur-
theilskraft, in welchem Kinder mit einander wetteifern
können, getrieben wird, dennoch einen dauerhaften
Eindruck der Hochschätzung auf der einen und des Ab-
scheues auf der andern Seite zurücklassen werde, welche,
durch bloße Gewohnheit solche Handlungen als Bey-

falls-
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der reinen practiſchen Vernunft.

Ich weiß nicht, warum die Erzieher der Jugend
von dieſem Hange der Vernunft, in aufgeworfenen
practiſchen Fragen ſelbſt die ſubtilſte Pruͤfung mit
Vergnuͤgen einzuſchlagen, nicht ſchon laͤngſt Gebrauch
gemacht haben, und, nachdem ſie einen blos moraliſchen
Catechism zum Grunde legten, ſie nicht die Biographien
alter und neuer Zeiten in der Abſicht durchſuchten, um
Belaͤge zu den vorgelegten Pflichten bey der Hand zu
haben, an denen ſie, vornehmlich durch die Verglei-
chung aͤhnlicher Handlungen unter verſchiedenen Um-
ſtaͤnden, die Beurtheilung ihrer Zoͤglinge in Thaͤtigkeit
ſetzten, um den mindern oder groͤßeren moraliſchen Ge-
halt derſelben zu bemerken, als worin ſie ſelbſt die
fruͤhe Jugend, die zu aller Speculation ſonſt noch un-
reif iſt, bald ſehr ſcharfſichtig, und dabey, weil ſie den
Fortſchritt ihrer Urtheilskraft fuͤhlt, nicht wenig inter-
eſſirt finden werden, was aber das vornehmſte iſt, mit
Sicherheit hoffen koͤnnen, daß die oͤftere Uebung, das
Wohlverhalten in ſeiner ganzen Reinigkeit zu kennen
und ihm Beyfall zu geben, dagegen ſelbſt die kleinſte
Abweichung von ihr mit Bedauern oder Verachtung zu
bemerken, ob es zwar bis dahin nur ein Spiel der Ur-
theilskraft, in welchem Kinder mit einander wetteifern
koͤnnen, getrieben wird, dennoch einen dauerhaften
Eindruck der Hochſchaͤtzung auf der einen und des Ab-
ſcheues auf der andern Seite zuruͤcklaſſen werde, welche,
durch bloße Gewohnheit ſolche Handlungen als Bey-

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[275/0283] der reinen practiſchen Vernunft. Ich weiß nicht, warum die Erzieher der Jugend von dieſem Hange der Vernunft, in aufgeworfenen practiſchen Fragen ſelbſt die ſubtilſte Pruͤfung mit Vergnuͤgen einzuſchlagen, nicht ſchon laͤngſt Gebrauch gemacht haben, und, nachdem ſie einen blos moraliſchen Catechism zum Grunde legten, ſie nicht die Biographien alter und neuer Zeiten in der Abſicht durchſuchten, um Belaͤge zu den vorgelegten Pflichten bey der Hand zu haben, an denen ſie, vornehmlich durch die Verglei- chung aͤhnlicher Handlungen unter verſchiedenen Um- ſtaͤnden, die Beurtheilung ihrer Zoͤglinge in Thaͤtigkeit ſetzten, um den mindern oder groͤßeren moraliſchen Ge- halt derſelben zu bemerken, als worin ſie ſelbſt die fruͤhe Jugend, die zu aller Speculation ſonſt noch un- reif iſt, bald ſehr ſcharfſichtig, und dabey, weil ſie den Fortſchritt ihrer Urtheilskraft fuͤhlt, nicht wenig inter- eſſirt finden werden, was aber das vornehmſte iſt, mit Sicherheit hoffen koͤnnen, daß die oͤftere Uebung, das Wohlverhalten in ſeiner ganzen Reinigkeit zu kennen und ihm Beyfall zu geben, dagegen ſelbſt die kleinſte Abweichung von ihr mit Bedauern oder Verachtung zu bemerken, ob es zwar bis dahin nur ein Spiel der Ur- theilskraft, in welchem Kinder mit einander wetteifern koͤnnen, getrieben wird, dennoch einen dauerhaften Eindruck der Hochſchaͤtzung auf der einen und des Ab- ſcheues auf der andern Seite zuruͤcklaſſen werde, welche, durch bloße Gewohnheit ſolche Handlungen als Bey- falls- S 2

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/283>, abgerufen am 22.11.2024.