Unter der Methodenlehre der reinen practischen Vernunft kann man nicht die Art (sowol im Nachdenken als im Vortrage) mit reinen practischen Grundsätzen in Absicht auf ein wissenschaftliches Er- kenntniß derselben zu verfahren, verstehen, welches man sonst im theoretischen eigentlich allein Methode nennt, (denn populäres Erkenntniß bedarf einer Manier, Wissenschaft aber einer Methode, d. i. eines Verfahrens nach Principien der Vernunft, wodurch das Mannig- faltige einer Erkenntniß allein ein System werden kann). Vielmehr wird unter dieser Methodenlehre die Art verstanden, wie man den Gesetzen der reinen practischen Vernunft Eingang in das menschliche Ge- müth, Einfluß auf die Maximen desselben verschaffen, d. i. die objectiv-practische Vernunft auch subjectiv practisch machen könne.
Nun ist zwar klar, daß diejenigen Bestimmungs- gründe des Willens, welche allein die Maximen eigent- lich moralisch machen und ihnen einen sittlichen Werth geben, die unmittelbare Vorstellung des Gesetzes und die objectiv-nothwendige Befolgung desselben als Pflicht, als die eigentlichen Triebfedern der Handlungen vorge- stellt werden müssen; weil sonst zwar Legalität der
Hand-
Unter der Methodenlehre der reinen practiſchen Vernunft kann man nicht die Art (ſowol im Nachdenken als im Vortrage) mit reinen practiſchen Grundſaͤtzen in Abſicht auf ein wiſſenſchaftliches Er- kenntniß derſelben zu verfahren, verſtehen, welches man ſonſt im theoretiſchen eigentlich allein Methode nennt, (denn populaͤres Erkenntniß bedarf einer Manier, Wiſſenſchaft aber einer Methode, d. i. eines Verfahrens nach Principien der Vernunft, wodurch das Mannig- faltige einer Erkenntniß allein ein Syſtem werden kann). Vielmehr wird unter dieſer Methodenlehre die Art verſtanden, wie man den Geſetzen der reinen practiſchen Vernunft Eingang in das menſchliche Ge- muͤth, Einfluß auf die Maximen deſſelben verſchaffen, d. i. die objectiv-practiſche Vernunft auch ſubjectiv practiſch machen koͤnne.
Nun iſt zwar klar, daß diejenigen Beſtimmungs- gruͤnde des Willens, welche allein die Maximen eigent- lich moraliſch machen und ihnen einen ſittlichen Werth geben, die unmittelbare Vorſtellung des Geſetzes und die objectiv-nothwendige Befolgung deſſelben als Pflicht, als die eigentlichen Triebfedern der Handlungen vorge- ſtellt werden muͤſſen; weil ſonſt zwar Legalitaͤt der
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[[269]/0277]
Unter der Methodenlehre der reinen practiſchen
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Grundſaͤtzen in Abſicht auf ein wiſſenſchaftliches Er-
kenntniß derſelben zu verfahren, verſtehen, welches man
ſonſt im theoretiſchen eigentlich allein Methode nennt,
(denn populaͤres Erkenntniß bedarf einer Manier,
Wiſſenſchaft aber einer Methode, d. i. eines Verfahrens
nach Principien der Vernunft, wodurch das Mannig-
faltige einer Erkenntniß allein ein Syſtem werden
kann). Vielmehr wird unter dieſer Methodenlehre
die Art verſtanden, wie man den Geſetzen der reinen
practiſchen Vernunft Eingang in das menſchliche Ge-
muͤth, Einfluß auf die Maximen deſſelben verſchaffen,
d. i. die objectiv-practiſche Vernunft auch ſubjectiv
practiſch machen koͤnne.
Nun iſt zwar klar, daß diejenigen Beſtimmungs-
gruͤnde des Willens, welche allein die Maximen eigent-
lich moraliſch machen und ihnen einen ſittlichen Werth
geben, die unmittelbare Vorſtellung des Geſetzes und
die objectiv-nothwendige Befolgung deſſelben als Pflicht,
als die eigentlichen Triebfedern der Handlungen vorge-
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. [269]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/277>, abgerufen am 16.07.2024.
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