Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.der reinen practischen Vernunft. Wenn Schwärmerey in der allergemeinsten Be- Wenn dem also ist, so haben nicht allein Roman- ben K 5
der reinen practiſchen Vernunft. Wenn Schwaͤrmerey in der allergemeinſten Be- Wenn dem alſo iſt, ſo haben nicht allein Roman- ben K 5
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der reinen practiſchen Vernunft.
Wenn Schwaͤrmerey in der allergemeinſten Be-
deutung eine nach Grundſaͤtzen unternommene Ueber-
ſchreitung der Grenzen der menſchlichen Vernunft iſt,
ſo iſt moraliſche Schwaͤrmerey dieſe Ueberſchreitung
der Grenzen, die die practiſche reine Vernunft der
Menſchheit ſetzt, dadurch ſie verbietet den ſubjectiven
Beſtimmungsgrund pflichtmaͤßiger Handlungen, d. i.
die moraliſche Triebfeder derſelben, irgend worin an-
ders, als im Geſetze ſelbſt, und die Geſinnung, die da-
durch in die Maximen gebracht wird, irgend ander-
werts, als in der Achtung fuͤr dies Geſetz, zu ſetzen,
mithin den alle Arroganz ſowol als eitele Philavtie
niederſchlagenden Gedanken von Pflicht zum oberſten
Lebensprincip aller Moralitaͤt im Menſchen zu machen
gebietet.
Wenn dem alſo iſt, ſo haben nicht allein Roman-
ſchreiber, oder empfindelnde Erzieher (ob ſie gleich noch
ſo ſehr wider Empfindeley eifern), ſondern bisweilen
ſelbſt Philoſophen, ja die ſtrengſten unter allen, die
Stoiker, moraliſche Schwaͤrmerey, ſtatt nuͤchterner,
aber weiſer Diſciplin der Sitten, eingefuͤhrt, wenn
gleich die Schwaͤrmerey der letzteren mehr heroiſch, der
erſteren von ſchaaler und ſchmelzender Beſchaffenheit
war, und man kann es, ohne zu heucheln, der mora-
liſchen Lehre des Evangelii mit aller Wahrheit nachſa-
gen: daß es zuerſt, durch die Reinigkeit des moraliſchen
Princips, zugleich aber durch die Angemeſſenheit deſſel-
ben
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