er das Schlechte des Characters eines solchen Mannes (wie etwa Voltaire,) sonst woher erkundigt zu haben glaubt, alle Achtung gegen ihn aufgiebt, der wahre Gelehrte aber sie noch immer wenigstens im Gesicht- puncte seiner Talente fühlt, weil er selbst in einem Ge- schäfte und Berufe verwickelt ist, welches die Nachah- mung desselben ihm gewissermaaßen zum Gesetze macht.
Achtung fürs moralische Gesetz ist also die einzige und zugleich unbezweifelte moralische Triebfeder, so wie dieses Gefühl auch auf kein Object anders, als lediglich aus diesem Grunde gerichtet ist. Zuerst be- stimmt das moralische Gesetz objectiv und unmittelbar den Willen im Urtheile der Vernunft; Freyheit, deren Causalität blos durchs Gesetz bestimmbar ist, besteht aber eben darin, daß sie alle Neigungen, mithin die Schätzung der Person selbst auf die Bedingung der Be- folgung ihres reinen Gesetzes einschränkt. Diese Ein- schränkung thut nun eine Wirkung aufs Gefühl, und bringt Empfindung der Unlust hervor, die aus dem moralischen Gesetze a priori erkannt werden kann. Da sie aber blos so fern eine negative Wirkung ist, die, als aus dem Einflusse einer reinen practischen Vernunft entsprungen, vornemlich der Thätigkeit des Subjects, so fern Neigungen die Bestimmungsgründe desselben sind, mithin der Meynung seines persönlichen Werths Abbruch thut, (der ohne Einstimmung mit dem mo- ralischen Gesetze auf nichts herabgesetzt wird,) so ist
die
der reinen practiſchen Vernunft.
er das Schlechte des Characters eines ſolchen Mannes (wie etwa Voltaire,) ſonſt woher erkundigt zu haben glaubt, alle Achtung gegen ihn aufgiebt, der wahre Gelehrte aber ſie noch immer wenigſtens im Geſicht- puncte ſeiner Talente fuͤhlt, weil er ſelbſt in einem Ge- ſchaͤfte und Berufe verwickelt iſt, welches die Nachah- mung deſſelben ihm gewiſſermaaßen zum Geſetze macht.
Achtung fuͤrs moraliſche Geſetz iſt alſo die einzige und zugleich unbezweifelte moraliſche Triebfeder, ſo wie dieſes Gefuͤhl auch auf kein Object anders, als lediglich aus dieſem Grunde gerichtet iſt. Zuerſt be- ſtimmt das moraliſche Geſetz objectiv und unmittelbar den Willen im Urtheile der Vernunft; Freyheit, deren Cauſalitaͤt blos durchs Geſetz beſtimmbar iſt, beſteht aber eben darin, daß ſie alle Neigungen, mithin die Schaͤtzung der Perſon ſelbſt auf die Bedingung der Be- folgung ihres reinen Geſetzes einſchraͤnkt. Dieſe Ein- ſchraͤnkung thut nun eine Wirkung aufs Gefuͤhl, und bringt Empfindung der Unluſt hervor, die aus dem moraliſchen Geſetze a priori erkannt werden kann. Da ſie aber blos ſo fern eine negative Wirkung iſt, die, als aus dem Einfluſſe einer reinen practiſchen Vernunft entſprungen, vornemlich der Thaͤtigkeit des Subjects, ſo fern Neigungen die Beſtimmungsgruͤnde deſſelben ſind, mithin der Meynung ſeines perſoͤnlichen Werths Abbruch thut, (der ohne Einſtimmung mit dem mo- raliſchen Geſetze auf nichts herabgeſetzt wird,) ſo iſt
die
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der reinen practiſchen Vernunft.
er das Schlechte des Characters eines ſolchen Mannes
(wie etwa Voltaire,) ſonſt woher erkundigt zu haben
glaubt, alle Achtung gegen ihn aufgiebt, der wahre
Gelehrte aber ſie noch immer wenigſtens im Geſicht-
puncte ſeiner Talente fuͤhlt, weil er ſelbſt in einem Ge-
ſchaͤfte und Berufe verwickelt iſt, welches die Nachah-
mung deſſelben ihm gewiſſermaaßen zum Geſetze macht.
Achtung fuͤrs moraliſche Geſetz iſt alſo die einzige
und zugleich unbezweifelte moraliſche Triebfeder, ſo
wie dieſes Gefuͤhl auch auf kein Object anders, als
lediglich aus dieſem Grunde gerichtet iſt. Zuerſt be-
ſtimmt das moraliſche Geſetz objectiv und unmittelbar
den Willen im Urtheile der Vernunft; Freyheit, deren
Cauſalitaͤt blos durchs Geſetz beſtimmbar iſt, beſteht
aber eben darin, daß ſie alle Neigungen, mithin die
Schaͤtzung der Perſon ſelbſt auf die Bedingung der Be-
folgung ihres reinen Geſetzes einſchraͤnkt. Dieſe Ein-
ſchraͤnkung thut nun eine Wirkung aufs Gefuͤhl, und
bringt Empfindung der Unluſt hervor, die aus dem
moraliſchen Geſetze a priori erkannt werden kann. Da
ſie aber blos ſo fern eine negative Wirkung iſt, die, als
aus dem Einfluſſe einer reinen practiſchen Vernunft
entſprungen, vornemlich der Thaͤtigkeit des Subjects,
ſo fern Neigungen die Beſtimmungsgruͤnde deſſelben
ſind, mithin der Meynung ſeines perſoͤnlichen Werths
Abbruch thut, (der ohne Einſtimmung mit dem mo-
raliſchen Geſetze auf nichts herabgeſetzt wird,) ſo iſt
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/147>, abgerufen am 16.02.2025.
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