Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

der reinen practischen Vernunft.
Art es auch sey, das vorausgesetzt werden muß, damit
jenes ein hinreichender Bestimmungsgrund des Willens
werde, mithin nicht um des Gesetzes willen; so wird
die Handlung zwar Legalität, aber nicht Moralität
enthalten. Wenn nun unter Triebfeder (elater ani-
mi)
der subjective Bestimmungsgrund des Willens eines
Wesens verstanden wird, dessen Vernunft nicht, schon
vermöge seiner Natur, dem objectiven Gesetze nothwen-
dig gemäß ist, so wird erstlich daraus folgen: daß man
dem göttlichen Willen gar keine Triebfedern beylegen
könne, die Triebfeder des menschlichen Willens aber
(und des von jedem erschaffenen vernünftigen Wesen)
niemals etwas anderes, als das moralische Gesetz seyn
könne, mithin der objective Bestimmungsgrund jederzeit
und ganz allein zugleich der subjectiv-hinreichende Be-
stimmungsgrund der Handlung seyn müsse, wenn diese
nicht blos den Buchstaben des Gesetzes, ohne den
Geist *) desselben zu enthalten, erfüllen soll.

Da man also zum Behuf des moralischen Gesetzes,
und um ihm Einfluß auf den Willen zu verschaffen, kei-
ne anderweitige Triebfeder, dabey die des moralischen
Gesetzes entbehrt werden könnte, suchen muß, weil das

al-
*) Man kann von jeder gesetzmäßigen Handlung, die doch nicht
um des Gesetzes willen geschehen ist, sagen: sie sey blos dem
Buchstaben, aber nicht dem Geiste (der Gesinnung) nach
moralisch gut.

der reinen practiſchen Vernunft.
Art es auch ſey, das vorausgeſetzt werden muß, damit
jenes ein hinreichender Beſtimmungsgrund des Willens
werde, mithin nicht um des Geſetzes willen; ſo wird
die Handlung zwar Legalitaͤt, aber nicht Moralitaͤt
enthalten. Wenn nun unter Triebfeder (elater ani-
mi)
der ſubjective Beſtimmungsgrund des Willens eines
Weſens verſtanden wird, deſſen Vernunft nicht, ſchon
vermoͤge ſeiner Natur, dem objectiven Geſetze nothwen-
dig gemaͤß iſt, ſo wird erſtlich daraus folgen: daß man
dem goͤttlichen Willen gar keine Triebfedern beylegen
koͤnne, die Triebfeder des menſchlichen Willens aber
(und des von jedem erſchaffenen vernuͤnftigen Weſen)
niemals etwas anderes, als das moraliſche Geſetz ſeyn
koͤnne, mithin der objective Beſtimmungsgrund jederzeit
und ganz allein zugleich der ſubjectiv-hinreichende Be-
ſtimmungsgrund der Handlung ſeyn muͤſſe, wenn dieſe
nicht blos den Buchſtaben des Geſetzes, ohne den
Geiſt *) deſſelben zu enthalten, erfuͤllen ſoll.

Da man alſo zum Behuf des moraliſchen Geſetzes,
und um ihm Einfluß auf den Willen zu verſchaffen, kei-
ne anderweitige Triebfeder, dabey die des moraliſchen
Geſetzes entbehrt werden koͤnnte, ſuchen muß, weil das

al-
*) Man kann von jeder geſetzmaͤßigen Handlung, die doch nicht
um des Geſetzes willen geſchehen iſt, ſagen: ſie ſey blos dem
Buchſtaben, aber nicht dem Geiſte (der Geſinnung) nach
moraliſch gut.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0135" n="127"/><fw place="top" type="header">der reinen practi&#x017F;chen Vernunft.</fw><lb/>
Art es auch &#x017F;ey, das vorausge&#x017F;etzt werden muß, damit<lb/>
jenes ein hinreichender Be&#x017F;timmungsgrund des Willens<lb/>
werde, mithin nicht <hi rendition="#fr">um des Ge&#x017F;etzes willen;</hi> &#x017F;o wird<lb/>
die Handlung zwar <hi rendition="#fr">Legalita&#x0364;t,</hi> aber nicht <hi rendition="#fr">Moralita&#x0364;t</hi><lb/>
enthalten. Wenn nun unter <hi rendition="#fr">Triebfeder</hi> <hi rendition="#aq">(elater ani-<lb/>
mi)</hi> der &#x017F;ubjective Be&#x017F;timmungsgrund des Willens eines<lb/>
We&#x017F;ens ver&#x017F;tanden wird, de&#x017F;&#x017F;en Vernunft nicht, &#x017F;chon<lb/>
vermo&#x0364;ge &#x017F;einer Natur, dem objectiven Ge&#x017F;etze nothwen-<lb/>
dig gema&#x0364;ß i&#x017F;t, &#x017F;o wird er&#x017F;tlich daraus folgen: daß man<lb/>
dem go&#x0364;ttlichen Willen gar keine Triebfedern beylegen<lb/>
ko&#x0364;nne, die Triebfeder des men&#x017F;chlichen Willens aber<lb/>
(und des von jedem er&#x017F;chaffenen vernu&#x0364;nftigen We&#x017F;en)<lb/>
niemals etwas anderes, als das morali&#x017F;che Ge&#x017F;etz &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nne, mithin der objective Be&#x017F;timmungsgrund jederzeit<lb/>
und ganz allein zugleich der &#x017F;ubjectiv-hinreichende Be-<lb/>
&#x017F;timmungsgrund der Handlung &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wenn die&#x017F;e<lb/>
nicht blos den <hi rendition="#fr">Buch&#x017F;taben</hi> des Ge&#x017F;etzes, ohne den<lb/><hi rendition="#fr">Gei&#x017F;t</hi> <note place="foot" n="*)">Man kann von jeder ge&#x017F;etzma&#x0364;ßigen Handlung, die doch nicht<lb/>
um des Ge&#x017F;etzes willen ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, &#x017F;agen: &#x017F;ie &#x017F;ey blos dem<lb/><hi rendition="#fr">Buch&#x017F;taben</hi>, aber nicht dem Gei&#x017F;te (der Ge&#x017F;innung) nach<lb/>
morali&#x017F;ch gut.</note> de&#x017F;&#x017F;elben zu enthalten, erfu&#x0364;llen &#x017F;oll.</p><lb/>
            <p>Da man al&#x017F;o zum Behuf des morali&#x017F;chen Ge&#x017F;etzes,<lb/>
und um ihm Einfluß auf den Willen zu ver&#x017F;chaffen, kei-<lb/>
ne anderweitige Triebfeder, dabey die des morali&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;etzes entbehrt werden ko&#x0364;nnte, &#x017F;uchen muß, weil das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">al-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0135] der reinen practiſchen Vernunft. Art es auch ſey, das vorausgeſetzt werden muß, damit jenes ein hinreichender Beſtimmungsgrund des Willens werde, mithin nicht um des Geſetzes willen; ſo wird die Handlung zwar Legalitaͤt, aber nicht Moralitaͤt enthalten. Wenn nun unter Triebfeder (elater ani- mi) der ſubjective Beſtimmungsgrund des Willens eines Weſens verſtanden wird, deſſen Vernunft nicht, ſchon vermoͤge ſeiner Natur, dem objectiven Geſetze nothwen- dig gemaͤß iſt, ſo wird erſtlich daraus folgen: daß man dem goͤttlichen Willen gar keine Triebfedern beylegen koͤnne, die Triebfeder des menſchlichen Willens aber (und des von jedem erſchaffenen vernuͤnftigen Weſen) niemals etwas anderes, als das moraliſche Geſetz ſeyn koͤnne, mithin der objective Beſtimmungsgrund jederzeit und ganz allein zugleich der ſubjectiv-hinreichende Be- ſtimmungsgrund der Handlung ſeyn muͤſſe, wenn dieſe nicht blos den Buchſtaben des Geſetzes, ohne den Geiſt *) deſſelben zu enthalten, erfuͤllen ſoll. Da man alſo zum Behuf des moraliſchen Geſetzes, und um ihm Einfluß auf den Willen zu verſchaffen, kei- ne anderweitige Triebfeder, dabey die des moraliſchen Geſetzes entbehrt werden koͤnnte, ſuchen muß, weil das al- *) Man kann von jeder geſetzmaͤßigen Handlung, die doch nicht um des Geſetzes willen geſchehen iſt, ſagen: ſie ſey blos dem Buchſtaben, aber nicht dem Geiſte (der Geſinnung) nach moraliſch gut.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/135
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/135>, abgerufen am 22.11.2024.