Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.I. Th. I. B. II. Hauptst. Von dem Begriffe tigkeit enthalten, daran die Einschränkung der SpracheSchuld ist, nach welcher sie eines doppelten Sinnes fä- hig sind und daher die practischen Gesetze unvermeidlich auf Schrauben stellen, und die Philosophie, die im Gebrau- che derselben gar wohl der Verschiedenheit des Begriffs bey demselben Worte inne werden, aber doch keine beson- dere Ausdrücke dafür finden kann, zu subtilen Distin- ctionen nöthigen, über die man sich nachher nicht eini- gen kann, indem der Unterschied durch keinen angemes- senen Ausdruck unmittelbar bezeichnet werden konnte. *) Die deutsche Sprache hat das Glück, die Ausdrücke ganz *) Ueberdem ist der Ausdruck sub ratione boni auch zweydeutig.
Denn er kann so viel sagen: wir stellen uns etwas als gut vor, wenn und weil wir es begehren (wollen); aber auch: wir begehren etwas darum, weil wir es uns als gut vorstellen, so daß entweder die Begierde der Bestimmungsgrund des Be- griffs des Objects als eines Guten, oder der Begriff des Gu- ten der Bestimmungsgrund des Begehrens (des Willens) sey; da denn das: sub ratione boni, im ersteren Falle bedeuten wür- de, wir wollen etwas unter der Idee des Guten, im zwey- ten, zu Folge dieser Idee, welche vor dem Wollen als Bestim- mungsgrund desselben vorhergehen muß. I. Th. I. B. II. Hauptſt. Von dem Begriffe tigkeit enthalten, daran die Einſchraͤnkung der SpracheSchuld iſt, nach welcher ſie eines doppelten Sinnes faͤ- hig ſind und daher die practiſchen Geſetze unvermeidlich auf Schrauben ſtellen, und die Philoſophie, die im Gebrau- che derſelben gar wohl der Verſchiedenheit des Begriffs bey demſelben Worte inne werden, aber doch keine beſon- dere Ausdruͤcke dafuͤr finden kann, zu ſubtilen Diſtin- ctionen noͤthigen, uͤber die man ſich nachher nicht eini- gen kann, indem der Unterſchied durch keinen angemeſ- ſenen Ausdruck unmittelbar bezeichnet werden konnte. *) Die deutſche Sprache hat das Gluͤck, die Ausdruͤcke ganz *) Ueberdem iſt der Ausdruck ſub ratione boni auch zweydeutig.
Denn er kann ſo viel ſagen: wir ſtellen uns etwas als gut vor, wenn und weil wir es begehren (wollen); aber auch: wir begehren etwas darum, weil wir es uns als gut vorſtellen, ſo daß entweder die Begierde der Beſtimmungsgrund des Be- griffs des Objects als eines Guten, oder der Begriff des Gu- ten der Beſtimmungsgrund des Begehrens (des Willens) ſey; da denn das: ſub ratione boni, im erſteren Falle bedeuten wuͤr- de, wir wollen etwas unter der Idee des Guten, im zwey- ten, zu Folge dieſer Idee, welche vor dem Wollen als Beſtim- mungsgrund deſſelben vorhergehen muß. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0112" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> B. <hi rendition="#aq">II.</hi> Hauptſt. Von dem Begriffe</fw><lb/> tigkeit enthalten, daran die Einſchraͤnkung der Sprache<lb/> Schuld iſt, nach welcher ſie eines doppelten Sinnes faͤ-<lb/> hig ſind und daher die practiſchen Geſetze unvermeidlich<lb/> auf Schrauben ſtellen, und die Philoſophie, die im Gebrau-<lb/> che derſelben gar wohl der Verſchiedenheit des Begriffs bey<lb/> demſelben Worte inne werden, aber doch keine beſon-<lb/> dere Ausdruͤcke dafuͤr finden kann, zu ſubtilen Diſtin-<lb/> ctionen noͤthigen, uͤber die man ſich nachher nicht eini-<lb/> gen kann, indem der Unterſchied durch keinen angemeſ-<lb/> ſenen Ausdruck unmittelbar bezeichnet werden konnte. <note place="foot" n="*)">Ueberdem iſt der Ausdruck <hi rendition="#aq">ſub ratione boni</hi> auch zweydeutig.<lb/> Denn er kann ſo viel ſagen: wir ſtellen uns etwas als gut vor,<lb/> wenn und weil wir es begehren (wollen); aber auch: wir<lb/> begehren etwas darum, weil wir es uns als gut vorſtellen,<lb/> ſo daß entweder die Begierde der Beſtimmungsgrund des Be-<lb/> griffs des Objects als eines Guten, oder der Begriff des Gu-<lb/> ten der Beſtimmungsgrund des Begehrens (des Willens) ſey;<lb/> da denn das: <hi rendition="#aq">ſub ratione boni,</hi> im erſteren Falle bedeuten wuͤr-<lb/> de, wir wollen etwas unter der <hi rendition="#fr">Idee</hi> des Guten, im zwey-<lb/> ten, zu <hi rendition="#fr">Folge</hi> dieſer Idee, welche vor dem Wollen als Beſtim-<lb/> mungsgrund deſſelben vorhergehen muß.</note></p><lb/> <p>Die deutſche Sprache hat das Gluͤck, die Ausdruͤcke<lb/> zu beſitzen, welche dieſe Verſchiedenheit nicht uͤberſehen<lb/> laſſen. Fuͤr das, was die Lateiner mit einem einzigen<lb/> Worte <hi rendition="#aq">bonum</hi> benennen, hat ſie zwey ſehr verſchiedene<lb/> Begriffe, und auch eben ſo verſchiedene Ausdruͤcke. Fuͤr<lb/><hi rendition="#aq">bonum</hi> das <hi rendition="#fr">Gute</hi> und das <hi rendition="#fr">Wohl,</hi> fuͤr <hi rendition="#aq">malum</hi> das<lb/><hi rendition="#fr">Boͤſe</hi> und das <hi rendition="#fr">Uebel</hi> (oder <hi rendition="#fr">Weh</hi>): ſo daß es zwey<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ganz</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0112]
I. Th. I. B. II. Hauptſt. Von dem Begriffe
tigkeit enthalten, daran die Einſchraͤnkung der Sprache
Schuld iſt, nach welcher ſie eines doppelten Sinnes faͤ-
hig ſind und daher die practiſchen Geſetze unvermeidlich
auf Schrauben ſtellen, und die Philoſophie, die im Gebrau-
che derſelben gar wohl der Verſchiedenheit des Begriffs bey
demſelben Worte inne werden, aber doch keine beſon-
dere Ausdruͤcke dafuͤr finden kann, zu ſubtilen Diſtin-
ctionen noͤthigen, uͤber die man ſich nachher nicht eini-
gen kann, indem der Unterſchied durch keinen angemeſ-
ſenen Ausdruck unmittelbar bezeichnet werden konnte. *)
Die deutſche Sprache hat das Gluͤck, die Ausdruͤcke
zu beſitzen, welche dieſe Verſchiedenheit nicht uͤberſehen
laſſen. Fuͤr das, was die Lateiner mit einem einzigen
Worte bonum benennen, hat ſie zwey ſehr verſchiedene
Begriffe, und auch eben ſo verſchiedene Ausdruͤcke. Fuͤr
bonum das Gute und das Wohl, fuͤr malum das
Boͤſe und das Uebel (oder Weh): ſo daß es zwey
ganz
*) Ueberdem iſt der Ausdruck ſub ratione boni auch zweydeutig.
Denn er kann ſo viel ſagen: wir ſtellen uns etwas als gut vor,
wenn und weil wir es begehren (wollen); aber auch: wir
begehren etwas darum, weil wir es uns als gut vorſtellen,
ſo daß entweder die Begierde der Beſtimmungsgrund des Be-
griffs des Objects als eines Guten, oder der Begriff des Gu-
ten der Beſtimmungsgrund des Begehrens (des Willens) ſey;
da denn das: ſub ratione boni, im erſteren Falle bedeuten wuͤr-
de, wir wollen etwas unter der Idee des Guten, im zwey-
ten, zu Folge dieſer Idee, welche vor dem Wollen als Beſtim-
mungsgrund deſſelben vorhergehen muß.
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