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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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unsere Schuldigkeit thun können, so ist es auch nur unsere Pflicht, dem Armen Gutes zu thun. Denn die Ungleichheit des Wohlstandes der Menschen kommt doch nur von gelegentlichen Umständen her. Besitze ich also ein Vermögen, so habe ich es auch nur dem Eingreifen dieser Umstände, das entweder mir selbst oder meinem Vorgänger geglückt ist, zu danken, und die Rücksicht auf das Ganze bleibt doch immer dieselbe.

Der Neid wird erregt, wenn man ein Kind aufmerksam darauf macht, sich nach dem Werthe Anderer zu schätzen. Es soll sich vielmehr nach den Begriffen seiner Vernunft schätzen. Daher ist die Demut eigentlich nichts anders, als eine Vergleichung seines Werthes mit der moralischen Vollkommenheit. So lehrt z. E. die christliche Religion, nicht sowohl die Demuth, als sie vielmehr den Menschen demüthig macht, weil er sich ihr zufolge, mit dem höchsten Muster der Vollkommenheit vergleichen muß. Sehr verkehrt ist es, die Demuth darein zu setzen, daß man sich geringer schätze, als Andere. - Sieh, wie das und das Kind sich aufführt! u. dergl. Ein Zuruf der Art bringt eine nur sehr unedle Denkungsart hervor. Wenn der Mensch seinen Werth nach Andern schätzt, so sucht er entweder sich über den Andern zu erheben, oder den Werth des Andern zu verringern. Dieses letztere aber ist Neid. Man sucht dann immer nur dem Andern eine Vergehung anzudichten; denn wäre der nicht da, so könnte man auch nicht mit ihm verglichen werden, so wäre man der beste. Durch den übel angebrachten Geist der Aemulation, wird nur Neid erregt. Der Fall, in dem die Aemulation noch zu etwas dienen könnte, wäre der, jemand von der Thunlichkeit einer Sache zu überzeugen, z. E. wenn ich von dem Kinde

unsere Schuldigkeit thun können, so ist es auch nur unsere Pflicht, dem Armen Gutes zu thun. Denn die Ungleichheit des Wohlstandes der Menschen kommt doch nur von gelegentlichen Umständen her. Besitze ich also ein Vermögen, so habe ich es auch nur dem Eingreifen dieser Umstände, das entweder mir selbst oder meinem Vorgänger geglückt ist, zu danken, und die Rücksicht auf das Ganze bleibt doch immer dieselbe.

Der Neid wird erregt, wenn man ein Kind aufmerksam darauf macht, sich nach dem Werthe Anderer zu schätzen. Es soll sich vielmehr nach den Begriffen seiner Vernunft schätzen. Daher ist die Demut eigentlich nichts anders, als eine Vergleichung seines Werthes mit der moralischen Vollkommenheit. So lehrt z. E. die christliche Religion, nicht sowohl die Demuth, als sie vielmehr den Menschen demüthig macht, weil er sich ihr zufolge, mit dem höchsten Muster der Vollkommenheit vergleichen muß. Sehr verkehrt ist es, die Demuth darein zu setzen, daß man sich geringer schätze, als Andere. – Sieh, wie das und das Kind sich aufführt! u. dergl. Ein Zuruf der Art bringt eine nur sehr unedle Denkungsart hervor. Wenn der Mensch seinen Werth nach Andern schätzt, so sucht er entweder sich über den Andern zu erheben, oder den Werth des Andern zu verringern. Dieses letztere aber ist Neid. Man sucht dann immer nur dem Andern eine Vergehung anzudichten; denn wäre der nicht da, so könnte man auch nicht mit ihm verglichen werden, so wäre man der beste. Durch den übel angebrachten Geist der Aemulation, wird nur Neid erregt. Der Fall, in dem die Aemulation noch zu etwas dienen könnte, wäre der, jemand von der Thunlichkeit einer Sache zu überzeugen, z. E. wenn ich von dem Kinde

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unsere Schuldigkeit thun können, so ist es auch nur unsere Pflicht, dem Armen Gutes zu thun. Denn die Ungleichheit des Wohlstandes der Menschen kommt doch nur von gelegentlichen Umständen her. Besitze ich also ein Vermögen, so habe ich es auch nur dem Eingreifen dieser Umstände, das entweder mir selbst oder meinem Vorgänger geglückt ist, zu danken, und die Rücksicht auf das Ganze bleibt doch immer dieselbe.</p>
            <p>Der Neid wird erregt, wenn man ein Kind aufmerksam darauf macht, sich nach dem Werthe Anderer zu schätzen. Es soll sich vielmehr nach den Begriffen seiner Vernunft schätzen. Daher ist die Demut eigentlich nichts anders, als eine Vergleichung seines Werthes mit der moralischen Vollkommenheit. So lehrt z. E. die christliche Religion, nicht sowohl die Demuth, als sie vielmehr den Menschen demüthig macht, weil er sich ihr zufolge, mit dem höchsten Muster der Vollkommenheit vergleichen muß. Sehr verkehrt ist es, die Demuth darein zu setzen, daß man sich geringer schätze, als Andere. &#x2013; Sieh, wie das und das Kind sich aufführt! u. dergl. Ein Zuruf der Art bringt eine nur sehr unedle Denkungsart hervor. Wenn der Mensch seinen Werth nach Andern schätzt, so sucht er entweder sich über den Andern zu erheben, oder den Werth des Andern zu verringern. Dieses letztere aber ist Neid. Man sucht dann immer nur dem Andern eine Vergehung anzudichten; denn wäre der nicht da, so könnte man auch nicht mit ihm verglichen werden, so wäre man der beste. Durch den übel angebrachten Geist der Aemulation, wird nur Neid erregt. Der Fall, in dem die Aemulation noch zu etwas dienen könnte, wäre der, jemand von der Thunlichkeit einer Sache zu überzeugen, z. E. wenn ich von dem Kinde
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[88/0088] unsere Schuldigkeit thun können, so ist es auch nur unsere Pflicht, dem Armen Gutes zu thun. Denn die Ungleichheit des Wohlstandes der Menschen kommt doch nur von gelegentlichen Umständen her. Besitze ich also ein Vermögen, so habe ich es auch nur dem Eingreifen dieser Umstände, das entweder mir selbst oder meinem Vorgänger geglückt ist, zu danken, und die Rücksicht auf das Ganze bleibt doch immer dieselbe. Der Neid wird erregt, wenn man ein Kind aufmerksam darauf macht, sich nach dem Werthe Anderer zu schätzen. Es soll sich vielmehr nach den Begriffen seiner Vernunft schätzen. Daher ist die Demut eigentlich nichts anders, als eine Vergleichung seines Werthes mit der moralischen Vollkommenheit. So lehrt z. E. die christliche Religion, nicht sowohl die Demuth, als sie vielmehr den Menschen demüthig macht, weil er sich ihr zufolge, mit dem höchsten Muster der Vollkommenheit vergleichen muß. Sehr verkehrt ist es, die Demuth darein zu setzen, daß man sich geringer schätze, als Andere. – Sieh, wie das und das Kind sich aufführt! u. dergl. Ein Zuruf der Art bringt eine nur sehr unedle Denkungsart hervor. Wenn der Mensch seinen Werth nach Andern schätzt, so sucht er entweder sich über den Andern zu erheben, oder den Werth des Andern zu verringern. Dieses letztere aber ist Neid. Man sucht dann immer nur dem Andern eine Vergehung anzudichten; denn wäre der nicht da, so könnte man auch nicht mit ihm verglichen werden, so wäre man der beste. Durch den übel angebrachten Geist der Aemulation, wird nur Neid erregt. Der Fall, in dem die Aemulation noch zu etwas dienen könnte, wäre der, jemand von der Thunlichkeit einer Sache zu überzeugen, z. E. wenn ich von dem Kinde

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/88>, abgerufen am 27.04.2024.