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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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Zum Charakter eines Kindes, besonders eines Schülers, gehört vor allen Dingen Gehorsam. Dieser ist zweyfach, erstens: ein Gehorsam gegen den absoluten, dann zweytens aber auch gegen den für vernünftig und gut erkannten Willen eines Führers. Der Gehorsam kann abgeleitet werden, aus dem Zwange, und dann ist er absolut, oder aus dem Zutrauen, und dann ist er von der andern Art. Dieser freywillige Gehorsam ist sehr wichtig; jener aber auch äußerst nothwendig, indem er das Kind zur Erfüllung solcher Gesetze vorbereitet, die es künftighin, als Bürger erfüllen muß, wenn sie ihm auch gleich nicht gefallen.

Kinder müssen daher unter einem gewissen Gesetze der Nothwendigkeit stehen. Dieses Gesetz aber muß ein allgemeines seyn, worauf man besonders in Schulen zu sehen hat. Der Lehrer muß unter mehrern Kindern keine Prädilection, keine Liebe des Vorzuges gegen ein Kind besonders zeigen. Denn das Gesetz hört sonst auf, allgemein zu seyn. Sobald das Kind sieht, daß sich nicht alle übrigen auch demselben Gesetze unterwerfen müssen, so wird es aufsetzig.

Man redet immer soviel davon, Alles müsse den Kindern in der Art vorgestellt werden, daß sie es aus Neigung thäten. In manchen Fällen ist das freylich gut, aber Vieles muß man ihnen als Pflicht vorschreiben. Dieses hat nachher großen Nutzen für das ganze Leben. Denn bey öffentlichen Abgaben, bey Arbeiten des Amtes, und in vielen andern Fällen, kann uns nur die Pflicht, nicht die Neigung leiten. Gesetzt das Kind sähe die Pflicht auch nicht ein, so ist es doch so besser, und, daß etwas seine Pflicht als Kind sey,

Zum Charakter eines Kindes, besonders eines Schülers, gehört vor allen Dingen Gehorsam. Dieser ist zweyfach, erstens: ein Gehorsam gegen den absoluten, dann zweytens aber auch gegen den für vernünftig und gut erkannten Willen eines Führers. Der Gehorsam kann abgeleitet werden, aus dem Zwange, und dann ist er absolut, oder aus dem Zutrauen, und dann ist er von der andern Art. Dieser freywillige Gehorsam ist sehr wichtig; jener aber auch äußerst nothwendig, indem er das Kind zur Erfüllung solcher Gesetze vorbereitet, die es künftighin, als Bürger erfüllen muß, wenn sie ihm auch gleich nicht gefallen.

Kinder müssen daher unter einem gewissen Gesetze der Nothwendigkeit stehen. Dieses Gesetz aber muß ein allgemeines seyn, worauf man besonders in Schulen zu sehen hat. Der Lehrer muß unter mehrern Kindern keine Prädilection, keine Liebe des Vorzuges gegen ein Kind besonders zeigen. Denn das Gesetz hört sonst auf, allgemein zu seyn. Sobald das Kind sieht, daß sich nicht alle übrigen auch demselben Gesetze unterwerfen müssen, so wird es aufsetzig.

Man redet immer soviel davon, Alles müsse den Kindern in der Art vorgestellt werden, daß sie es aus Neigung thäten. In manchen Fällen ist das freylich gut, aber Vieles muß man ihnen als Pflicht vorschreiben. Dieses hat nachher großen Nutzen für das ganze Leben. Denn bey öffentlichen Abgaben, bey Arbeiten des Amtes, und in vielen andern Fällen, kann uns nur die Pflicht, nicht die Neigung leiten. Gesetzt das Kind sähe die Pflicht auch nicht ein, so ist es doch so besser, und, daß etwas seine Pflicht als Kind sey,

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[73/0073] Zum Charakter eines Kindes, besonders eines Schülers, gehört vor allen Dingen Gehorsam. Dieser ist zweyfach, erstens: ein Gehorsam gegen den absoluten, dann zweytens aber auch gegen den für vernünftig und gut erkannten Willen eines Führers. Der Gehorsam kann abgeleitet werden, aus dem Zwange, und dann ist er absolut, oder aus dem Zutrauen, und dann ist er von der andern Art. Dieser freywillige Gehorsam ist sehr wichtig; jener aber auch äußerst nothwendig, indem er das Kind zur Erfüllung solcher Gesetze vorbereitet, die es künftighin, als Bürger erfüllen muß, wenn sie ihm auch gleich nicht gefallen. Kinder müssen daher unter einem gewissen Gesetze der Nothwendigkeit stehen. Dieses Gesetz aber muß ein allgemeines seyn, worauf man besonders in Schulen zu sehen hat. Der Lehrer muß unter mehrern Kindern keine Prädilection, keine Liebe des Vorzuges gegen ein Kind besonders zeigen. Denn das Gesetz hört sonst auf, allgemein zu seyn. Sobald das Kind sieht, daß sich nicht alle übrigen auch demselben Gesetze unterwerfen müssen, so wird es aufsetzig. Man redet immer soviel davon, Alles müsse den Kindern in der Art vorgestellt werden, daß sie es aus Neigung thäten. In manchen Fällen ist das freylich gut, aber Vieles muß man ihnen als Pflicht vorschreiben. Dieses hat nachher großen Nutzen für das ganze Leben. Denn bey öffentlichen Abgaben, bey Arbeiten des Amtes, und in vielen andern Fällen, kann uns nur die Pflicht, nicht die Neigung leiten. Gesetzt das Kind sähe die Pflicht auch nicht ein, so ist es doch so besser, und, daß etwas seine Pflicht als Kind sey,

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/73>, abgerufen am 27.04.2024.