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Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.

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und zweckmäßig entwickelt, und so die ganze Menschengattung zu ihrer Bestimmung führt. - Die Vorsehung hat gewollt, daß der Mensch das Gute aus sich selbst herausbringen soll, und spricht, so zu sagen, zum Menschen: "Gehe in die Welt, - so etwa könnte der Schöpfer den Menschen anreden! - "ich habe dich ausgerüstet mit allen Anlagen zum Guten. Dir kömmt es zu, sie zu entwickeln, und so hängt dein eignes Glück und Unglück von dir selbst ab." -

Der Mensch soll seine Anlagen zum Guten erst entwickeln; die Vorsehung hat sie nicht schon fertig in ihn gelegt; es sind bloße Anlagen und ohne den Unterschied der Moralität. Sich selbst besser machen, sich selbst kultiviren, und wenn er böse ist, Moralität bey sich hervorbringen, das soll der Mensch. Wenn man das aber reiflich überdenkt, so findet man, daß dieses sehr schwer sey. Daher ist die Erziehung das größeste Problem, und das schwerste, was dem Menschen kann aufgegeben werden. Denn Einsicht hängt von der Erziehung, und Erziehung hängt wieder von der Einsicht ab. Daher kann die Erziehung auch nur nach und nach einen Schritt vorwärts thun, und nur dadurch, daß eine Generation, ihre Erfahrungen und Kenntnisse der folgenden überliefert, diese wieder etwas hinzu thut, und es so der folgenden übergiebt, kann ein richtiger Begriff von der Erziehungsart entspringen. Welche große Kultur und Erfahrung setzt also nicht dieser Begriff voraus? Er konnte demnach auch nur spät entstehen, und wir selbst haben ihn noch nicht ganz ins Reine gebracht. Ob die Erziehung im Einzelnen, wohl der Ausbildung der Menschheit im Allgemeinen, durch ihre verschiedenen Generationen, nachahmen soll?

und zweckmäßig entwickelt, und so die ganze Menschengattung zu ihrer Bestimmung führt. – Die Vorsehung hat gewollt, daß der Mensch das Gute aus sich selbst herausbringen soll, und spricht, so zu sagen, zum Menschen: „Gehe in die Welt, – so etwa könnte der Schöpfer den Menschen anreden! – „ich habe dich ausgerüstet mit allen Anlagen zum Guten. Dir kömmt es zu, sie zu entwickeln, und so hängt dein eignes Glück und Unglück von dir selbst ab.“ –

Der Mensch soll seine Anlagen zum Guten erst entwickeln; die Vorsehung hat sie nicht schon fertig in ihn gelegt; es sind bloße Anlagen und ohne den Unterschied der Moralität. Sich selbst besser machen, sich selbst kultiviren, und wenn er böse ist, Moralität bey sich hervorbringen, das soll der Mensch. Wenn man das aber reiflich überdenkt, so findet man, daß dieses sehr schwer sey. Daher ist die Erziehung das größeste Problem, und das schwerste, was dem Menschen kann aufgegeben werden. Denn Einsicht hängt von der Erziehung, und Erziehung hängt wieder von der Einsicht ab. Daher kann die Erziehung auch nur nach und nach einen Schritt vorwärts thun, und nur dadurch, daß eine Generation, ihre Erfahrungen und Kenntnisse der folgenden überliefert, diese wieder etwas hinzu thut, und es so der folgenden übergiebt, kann ein richtiger Begriff von der Erziehungsart entspringen. Welche große Kultur und Erfahrung setzt also nicht dieser Begriff voraus? Er konnte demnach auch nur spät entstehen, und wir selbst haben ihn noch nicht ganz ins Reine gebracht. Ob die Erziehung im Einzelnen, wohl der Ausbildung der Menschheit im Allgemeinen, durch ihre verschiedenen Generationen, nachahmen soll?

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[15/0015] und zweckmäßig entwickelt, und so die ganze Menschengattung zu ihrer Bestimmung führt. – Die Vorsehung hat gewollt, daß der Mensch das Gute aus sich selbst herausbringen soll, und spricht, so zu sagen, zum Menschen: „Gehe in die Welt, – so etwa könnte der Schöpfer den Menschen anreden! – „ich habe dich ausgerüstet mit allen Anlagen zum Guten. Dir kömmt es zu, sie zu entwickeln, und so hängt dein eignes Glück und Unglück von dir selbst ab.“ – Der Mensch soll seine Anlagen zum Guten erst entwickeln; die Vorsehung hat sie nicht schon fertig in ihn gelegt; es sind bloße Anlagen und ohne den Unterschied der Moralität. Sich selbst besser machen, sich selbst kultiviren, und wenn er böse ist, Moralität bey sich hervorbringen, das soll der Mensch. Wenn man das aber reiflich überdenkt, so findet man, daß dieses sehr schwer sey. Daher ist die Erziehung das größeste Problem, und das schwerste, was dem Menschen kann aufgegeben werden. Denn Einsicht hängt von der Erziehung, und Erziehung hängt wieder von der Einsicht ab. Daher kann die Erziehung auch nur nach und nach einen Schritt vorwärts thun, und nur dadurch, daß eine Generation, ihre Erfahrungen und Kenntnisse der folgenden überliefert, diese wieder etwas hinzu thut, und es so der folgenden übergiebt, kann ein richtiger Begriff von der Erziehungsart entspringen. Welche große Kultur und Erfahrung setzt also nicht dieser Begriff voraus? Er konnte demnach auch nur spät entstehen, und wir selbst haben ihn noch nicht ganz ins Reine gebracht. Ob die Erziehung im Einzelnen, wohl der Ausbildung der Menschheit im Allgemeinen, durch ihre verschiedenen Generationen, nachahmen soll?

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/15>, abgerufen am 16.04.2024.